«Als Kirchenmitarbeiter eine Bereicherung, als Katholik ein Sünder»
Was hat sich für queere Menschen in der Kirche verbessert?
Der deutsche katholische Synodale Weg endet dieses Wochenende. Er sollte auch für queere Menschen Verbesserungen bringen. Jens Ehebrecht-Zumsande von #OutinChurch, spricht über den quälenden Kampf um Veränderung.
Nach manchen Aufbrüchen im Reformprozess aber auch einigen Verboten aus dem Vatikan findet an diesem Wochenende die letzte Tagung des Synodale Weges statt. Noch ist nicht klar, welches Ergebnis am Ende stehen wird. Wie blicken Sie auf dieses letzte Treffen?
Mit einer Mischung aus Spannung, Neugier und Besorgnis. In den letzten Tagen zeichnen sich so ein paar Dinge ab, wo man merkt: Oh, das wird knapp. Die Bischöfe haben jetzt ja noch mal nach Ablauf der Frist Änderungsanträge angekündigt, damit einige Texte überhaupt aus ihrer Sicht abstimmungsfähig sind. Und das ist ja verfahrensmässig schon mal schlechter Stil. Das sind natürlich alles Signale, die jetzt nicht besonders ermutigend sind.
Es zählt überhaupt nicht das bessere Argument.
Die Forderung des Synodalen Weges, dass die Sexualethik auf weltkirchlicher Ebene verändert werden sollte, hat bei der letzten Tagung keine erforderliche Mehrheit der Bischöfe gefunden – damit ist das Thema ja eigentlich bereits abschliessend erledigt, oder wie sehen Sie das? Texte, die durchgefallen sind, sind durchgefallen. Die können auch nicht noch mal neu zur Abstimmung gestellt werden. Es gibt ausserdem ein Grunddilemma des Synodalen Weges: es zählt überhaupt nicht das bessere Argument. Die Texte haben alle eine saubere wissenschaftliche Begründung. Aber am Ende zählt tatsächlich die bischöfliche Macht. Und das haben wir ja genau in diesem Handlungstext gesehen. Selbst wenn die Mehrheit der Synodalversammlung dem Text zustimmt, kann eine Minderheit der Bischöfe den Text wieder kippen. Und das heisst, wir können da ja nicht ernsthaft davon reden, dass es demokratische Prozesse gibt. Das ist eine Beteiligungssimulation.
Angenommen wurde auf der letzten Tagung hingegen die Forderung nach einer Neubewertung der Homosexualität. Doch wie weit reicht der Handlungsspielraum der deutschen Bischöfe in dieser Frage? Bei der Neubewertung der Homosexualität, also der Änderung der katholischen Lehre, ist Rom zuständig. Die Bischöfe müssen jetzt alle Beschlüsse des Synodalen Weges nehmen und in einen Diskurs in Rom einspeisen. Und das ist ja auch noch völlig offen, ob und wie das passiert.
Diese Woche geht es unter anderem noch um die Frage der Segensfeiern für queere Paare und den Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt innerhalb der Kirche. Was würde denn passieren, wenn diese beiden Texte in Frankfurt eine Mehrheit bekämen? Dann kann man sagen, es ist ein Erfolg, dass das dann den Synodalen Weg passiert hat. Aber damit ist ja noch nichts gewonnen. Die Bischöfe müssten sich dann in Rom für die beiden Themen einsetzen. Damit könnten sie eigentlich ab Montag nach dem Synodalen Weg loslegen. Oder Segensfeiern in Deutschland zumindest nicht mehr sanktionieren. Denn die gibt es ja längst, aber es gibt ja gleichzeitig auch ein Verbot dafür aus Rom. Das ist eine widersprüchliche Situation.
Nach einem Jahr #OutinChurch und mehreren Jahren des Synodalen Weges. Was hat sich denn für queere Katholik*innen in Deutschland trotz allem seitdem verbessert? Man kann jetzt nicht mehr in der katholischen Kirche so tun, als ob es uns nicht gäbe. Wir haben ein selbstbewussteres Auftreten und eine andere Sichtbarkeit. Wir treten da nicht mehr als Bittsteller auf, sondern wir formulieren Forderungen. Und man kann jetzt auch sehen, welche Bischöfe sich wie positionieren und für Reformen einsetzen und welche eben nicht.
Seit Beginn dieses Jahres gibt es in vielen deutschen Bistümern eine neues Arbeitsrechts. Das Privatleben der Mitarbeitenden wird nun nicht länger bewertet und kann damit kein Kündigungsgrund mehr sein. Aber es ist ja eine Sache, ob der Arbeitgeber jemanden vollständig akzeptiert, oder einfach nur in dieser Frage wegsieht. Also es ist ja eine total paradoxe Situation in der neuen Grundordnung. Im Arbeitsrecht steht jetzt wortwörtlich drin, dass die Vielfalt von sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten eine Bereicherung darstellt. Als schwuler Mitarbeiter bin ich demnach eine Bereicherung für die Kirche. Als schwuler Katholik bin ich aber weiter Sünder.
Wir haben jetzt die Situation, dass die Bischöfe ein Arbeitsrecht verabschiedet haben, was in einigen Punkten ihrer eigenen Lehre widerspricht. Entweder ist es verlogen, oder es ist wirklich ein totaler Widerspruch. Wenn die Bischöfe ihr eigenes Arbeitsrecht ernst nehmen, müssten sie sich eigentlich für eine Änderung der Lehre einsetzen.
Als die deutschen Bischöfe im letzten November in Rom waren, war die Begeisterung des Vatikans für den deutschen Synodalen Weg ja sehr begrenzt… … das ist noch freundlich formuliert. Es war ja ein richtiges Verbotsschild, das die da aufgestellt haben. Man kann eigentlich auf offener Bühne zuschauen, wie so ein innerkatholischer Konflikt verhandelt wird. Eine bestimmte Gestalt von Kirche hat eigentlich ihr Ende gefunden. Dass Rom einfach etwas verbietet – das funktioniert ja nicht mal mehr für einen Bischof.
Selbst der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz kann ja eigentlich auch nur noch an bestimmten Stellen sein Befremden über dieses römische Gebaren zum Ausdruck bringen. Das zeigt auch ein Stück weit die Hilflosigkeit der deutschen Bischöfe, selbst der reformwilligen. Mal abgesehen davon, dass sie in ihren eigenen Reihen ja Verräter haben.
Was kann denn die Kirche von queeren Menschen und auch von queeren Liebesbeziehungen lernen? Wir sind sozusagen Fundstellen der Liebe Gottes, weil wir sagen: überall da, wo Menschen Liebe, Leben und Sexualität leben, da ist auch was von Gott zu entdecken. Das heisst, unsere Lebensgeschichten fügen dieser Kirche noch mal was Neues hinzu, eine neue Qualität, eine neue Perspektive auf das Leben. So was wie ein Coming-out zum Beispiel ist eine spirituelle Erfahrung und wir haben da was einzubringen, wovon auch andere Menschen profitieren können.
Oder wenn wir über Gott sprechen in Kategorien, die eigentlich menschliche Vorstellungen überschreiten, kann man gerade in der Auseinandersetzung mit trans Identitäten sehr viel auch über die Gottes-Rede lernen, um nicht binär zu denken. Da ist eigentlich ein nicht gehobener Schatz.
Woher nehmen Sie als Person die Kraft und Zuversicht weiter in der Kirche zu bleiben und sich kirchenpolitisch zu engagieren? Das ist so eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Trotz. Ich möchte diese Kirche, die auch meine Heimat ist und die auch meine Kirche ist, nicht den reaktionären Kräften überlassen. Ich habe genauso ein Recht, in dieser Kirche zu sein. Aber ich habe natürlich ständig auch die Frage, warum ich mir das überhaupt noch antue.
Ich glaube, das ist jetzt wieder so ein neuralgischer Punkt, weil jetzt doch sehr viele Hoffnungen auf dem Synodalen Weg ruhten. Und wenn die jetzt alle am Samstag nicht erfüllt sind, glaube ich, wird es wieder dazu führen, dass noch mehr Menschen über den Austritt nachdenken oder ihren Job niederlegen. Weil wir gerade ja in so einer Phase sind, wo Menschen aus der Kirche austreten, die aus dem inneren Zirkel kommen.
Wie geht es denn mit #OutinChurch weiter? Was haben Sie für Pläne? Wir werden mittlerweile auch von Regierungsseite als wichtige Stimme wahrgenommen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Initiativen gegen Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft. Wir kriegen immer noch sehr viel Anfragen für Workshops oder Diskussionsabende von Gruppen, die sich selber sensibilisieren wollen. Ich war neulich in so einem Hauskreis. Da habe ich auch das Gefühl, da kann man auch ganz konkret wirklich was bewirken. Und da gehen dann Menschen aus dem Abend raus und haben sofort eine Idee, wie sie etwas verändern können.
Sie haben also Hoffnung, dass sich die sonst sehr hierarchisch strukturierte katholische Kirche doch schrittweise auch von unten ändern kann? Wir leben die Veränderung ja. Wenn wir uns von #OutinChurch treffen, dann feiern wir Gottesdienste, wie wir das für richtig halten. Und da geht es auch darum, dass das immer gleichberechtigt ist zwischen allen Geschlechtern. Auch in den Gemeinden gibt es ja mittlerweile so viele Leute, die einfach selbsthilfemässig sagen: ich gehe nicht mehr sonntags zum Gottesdienst, sondern wir treffen uns jetzt mit zehn Familien reihum zu Hause und feiern einen Gottesdient, auch ein Abendmahl.
Wir bekommen ja auch viel Unterstützung von Hetero-Leuten. Die teilen unsere Haltung, dass wir nicht um Erlaubnis fragen, sondern im Sinne von Empowerment einfach das machen, was wir für richtig halten. Die kirchlichen Strukturen, die sich auf Machterhalt konzentrieren implodiert immer mehr.
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