Strafbefehl gegen schwulenfeindlichen Priester bringt Polen auf
Der katholische Priester hatte Schwule als «Krebsgeschwür» bezeichnet
Eine deutsche Gerichtsentscheidung zu homofeindlichen Äusserungen eines polnischen Theologen sorgt für Wirbel bei den überwiegend katholischen Nachbarn. In dem Land, dessen Rechtsstaatlichkeit die EU zunehmend bezweifelt, holt das Justizministerium nun gegen Deutschland aus. Von Michael Heitmann und Britta Schultejans, dpa
Wenn ein katholischer Priester Schwule übel beleidigt, als «Parasiten» bezeichnet oder als «Krebsgeschwür» (MANNSCHAFT berichtete) – hat er dann die Meinungsfreiheit auf seiner Seite? Das Amtsgericht Köln hat diese Frage klar beantwortet: nein. Es verhängte gegen den polnischen Theologieprofessor Dariusz Oko einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung. Deshalb laufen nationalkonservative Polen nun Sturm gegen die deutsche Justiz.
Der polnische Vize-Justizminister Marcin Romanowski wettert sogar gegen «freiheitsfeindliche Tendenzen im deutschen Rechtsschutzsystem» (MANNSCHAFT berichtete). «Die Verhängung von Strafen für wissenschaftliche Tätigkeiten ist eine Bedrohung der Grundfreiheiten und europäischen Standards», sagte Romanowski der Deutschen Presse-Agentur. Der Politiker gehört der nationalkonservativen Partei Solidarisches Polen (SP) an und nach Medienberichten auch der erzkatholischen Organisation Opus Dei.
Die Debatte fällt in einer Zeit, in der Polen – wie auch Ungarn – von der Europäischen Union wegen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit angezählt ist. Nach der Veröffentlichung eines neuen Prüfberichts der Europäischen Kommission vor zwei Wochen müssen beide Mitgliedsländer die Kürzung von EU-Finanzhilfen fürchten. Beiden Staaten wurden Defizite bei der Unabhängigkeit der Justiz attestiert (MANNSCHAFT berichtete).
Der Fall Oko kommt jenen zupass, die den Spiess umdrehen wollen. «Es passt in ihr Narrativ, dass sie sich als letzte Verfechter angeblich wahrer Werte gegen Deutschland und die EU stellen», sagt der Direktor des Deutschen Polen Instituts, Peter Oliver Loew. Dem Urteil zufolge muss Oko für seinen Beitrag in der in Köln erscheinenden Zeitschrift Theologisches 4800 Euro zahlen. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin hat er Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Damit kommt es wohl zum Prozess.
«Die willkürliche Beurteilung des wissenschaftlichen Beitrags von Professor Oko als Verbreitung von Hass wirft auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit Zweifel auf», sagt Romanowski. Auch die ultrakonservative Stiftung Ordo Iuris stellte sich hinter Oko, der an der Päpstlichen Universität Johannes Paul II. in Krakau lehrt. Sie hat eine Online-Petition an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestartet, die bereits Tausende Unterschriften hat. Darin heisst es, der Theologe habe «mutig eine akademische Diskussion» angestossen.
Oko ist auch Autor eines Buchs mit dem Titel «Lavendel-Mafia» – über angebliche schwule Netzwerke innerhalb der katholischen Kirche. Kritiker verurteilten es als offen homophob. Der 61-Jährige ist in Polen häufiger Gast in Fernsehsendungen. Ins Rollen kam das Verfahren durch eine Anzeige des Münchner Priesters Wolfgang Rothe. Für Hass und Hetze dieser Art dürfe in der katholischen Kirche kein Platz sein, sagte Rothe der dpa.
Inzwischen steht der Münchner nach eigenen Angaben im Zentrum eines Shitstorms, wird von polnischen Konservativen angefeindet und bedroht. Sicherheitshalber hat Rothe sein Namensschild von der Wohnungstür entfernt. «Jetzt werde ich in polnischen Medien und Talkshows beschimpft und verleumdet. Als Missbrauchstäter bezeichnet, obwohl ich Missbrauchsopfer bin.»
Rothe ist gut vernetzt mit kirchlichen Reformbewegungen wie «Maria 2.0» oder «Wir sind Kirche» und engagiert sich für Homosexuelle in der katholischen Kirche. Im Mai hatte er die Aktion «#liebegewinnt» mitgetragen. In einem Gottesdienst in München segnete er gleichgeschlechtliche Partnerschaften – gegen den erklärten Willen des Vatikans.
Für Loew, den Direktor des Deutschen Polen Instituts, ist der Fall Oko ein «gefundenes Fressen» für die Nationalkonservativen in Polen. Diese seien «eine kleine, aber wortgewaltige Strömung». Man dürfe aber nicht glauben, diese Strömung spreche für alle Pol*innen.
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