Sieht Anja Karliczek ihren Irrtum über Regenbogenfamilien ein?
Von der Langzeitstudie, die sie 2018 ins Gespräch brachte, will die CDU-Ministerin heute nichts mehr wissen
2018 sagte die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, sie finde es sinnvoll und vielversprechend, wissenschaftlich zu untersuchen, welche Auswirkungen es auf Kinder habe, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufzuwachsen. Daran möchte die Ministerin heute aber offenbar nicht mehr erinnert werden.
Die Bundesbildungs- und -forschungsministerin hatte im Herbst 2018 in einem Interview bei n-tv gesagt, sie halte die Einführung der Ehe für alle, «so wie wir es gemacht haben», für falsch. Dann forderte sie Langzeitstudien zum Wohlergehen von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen (MANNSCHAFT berichtete). Ihr Eindruck sei, dass Kinder zu leiden hätten. «Solange Kinder diskriminiert werden in Schulen oder in irgendeiner Weise gemobbt werden – solange haben wir ein Problem», sagte Anja Karliczek.
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Mehrfach sagte die Katholikin und Mutter dreier Kinder in dem Interview, man müsse in einer Langzeitstudie klären zu lassen, welche Auswirkungen es für Kinder hat, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufzuwachsen. Dies sei eine «vielversprechende Forschungsfrage». Für ihre Äusserungen bekam sie sogar Applaus von der AfD (MANNSCHAFT berichtete). Der Abgeordnete Frömming freute sich, dass die Ministerin es gewagt habe, Zweifel am Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und am Adoptionsrecht für Homosexuelle zu säen. «Frau Ministerin, wir finden das sehr mutig, wir dürfen Sie zu diesem Mut beglückwünschen.»
Nun sind eineinhalb Jahre vergangen. Wir wollten von der Ministerin wissen: Wie ist der Stand der Dinge? Wurden schon Wissenschaftler beauftragt? Wann rechnen Sie mit ersten Ergebnissen?
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Auf unsere Anfrage nahm eine Pressesprecherin im Namen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung «Stellung». Wörtlich schrieb man uns: «Bundesministerin Anja Karliczek ist in der Sendung Klamroths Konter auf ihr Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag im Sommer 2017 angesprochen worden. Sie hat ihre Haltung als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete dargelegt.»
Eine Stellungnahme ist das nicht, eher eine sehr knappe Inhaltsangabe zur Eheöffnung. Das eigentliche Thema wurde nicht berührt, also fragten wir nach. Wiederum schriftlich, denn telefonisch war die Pressesprecherin für uns nicht zu sprechen.
Ist die Ministerin also von ihren Plänen abgerückt, eine solche Studie zu starten? Hat sie sich die Kritik, die an ihr geübt wurde, zu Herzen genommen?, wollten wir wissen. Diesmal fiel die Antwort noch knapper aus: «Vielen Dank für Ihre Nachfrage. Der Ihnen erteilten Auskunft habe ich für das Bundesministerium für Bildung und Forschung nichts hinzuzufügen.»
Überraschend ist das nicht. Schon im Jahr 2018 hatten wir ein Interview mit der Ministerin angefragt, das wir gemeinsam mit einer Berliner Regenbogenfamilie führen wollten, zwei schwule Väter und ihre beiden Kinder. Unser Ansinnen wurde abgelehnt. Wir fragten nach, ob Anja Karliczek denn bereit sei, das Interview ohne die Familie zu führen. Antwort damals: nein. Auch als sich die Ministerin in der Fragestunde des Deutschen Bundestags erklären sollte, schickte sie lieber ihren Staatssekretär vor (MANNSCHAFT berichtete).
Möglicherweise wollte die Ministerin vor allem Zweifel säen und Regenbogenfamilien diskreditieren. Möglicherweise wurde sie zurückgepfiffen, nachdem sowohl Politiker*innen aus der Grossen Koalition wie auch aus der Opposition sie daraufhin gewiesen hatten, dass es die geforderten Studien schon längst gebe.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) etwa sagte: «Schon heute belegen Studien, dass sich Kinder in homosexuellen Partnerschaften genauso gut entwickeln wie in Familien mit Mutter und Vater. Was zählt, ist dass sich Menschen liebevoll um ihre Kinder kümmern», so Giffey gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Kinder bräuchten ein gutes Familienklima und gute Beziehungen zu denen, die für sie sorgten.
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Die Lebensbedingungen von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern für nicht ausreichend erforscht zu halten, sei «ärgerliche Realitätsverweigerung», sagte die queerpolitische Linke-Sprecherin Doris Achelwilm. Wissenschaft und Gesellschaft hätten ausreichend belegt, dass es diesen Kindern nicht schlechter gehe als anderen. Karliczek verbreite Vorurteile in «unsachgemässen Scheinargumenten», so Achelwilm.
So bleibt auch im dritten Jahr der Grossen Koalition der zweifelhafte Eindruck einer Forschungsministerin, die nicht forscht, sondern sich lieber mit persönlichen Vorbehalten zu Wort meldet. Und es besteht in ihrem Ministerium offenbar wenig Lust, das unglückliche Bild, das sie Ende 2018 in dem ntv-Interview abgegeben hat, zu korrigieren. Anja Karliczek ist und bleibt eine grandiose Fehlbesetzung.
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