So halten es Serien bei Netflix und Co. mit der LGBTIQ-Sichtbarkeit

Untersucht wurden knapp 200 Produktionen von Netflix, Amazon Prime, Sky und TNT Deutschland

Maria Schrader (li) und Florence Kasumba in Deutschland 86 (Foto:
UFA Fiction/
Amazon Prime Video)
Maria Schrader (li) und Florence Kasumba in Deutschland 86 (Foto: UFA Fiction/ Amazon Prime Video)

In Streaming-Serien sind Frauen deutlich unterrepräsentiert, die LGBTIQ-Sichtbarkeit schneidet dagegen besser ab. Erstmals gibt die Studie «Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten» (PDF), die unter der Leitung von Prof. Dr. Elizabeth Prommer (Universität Rostock) durchgeführt wurde, nun Aufschluss darüber, welche Geschlechter- und Rollenbilder sich in Serien von Streaming-Anbietern auf dem deutschen Markt zeigen.

Die Schauspielerin Maria Furtwängler, Co-Gründerin der MaLisa Stiftung, erklärte zu der Studie, die durch die Film- und Medienstiftung NRW, die MaLisa Stiftung und das ZDF gefördert wurde: «Die Studie zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass man gefühlten Wahrheiten Fakten gegenüberstellt.»

Die LGBTIQ-Sichtbarkeit liegt bei 9 % (Grafik: ZDF & MaLisa)
Die LGBTIQ-Sichtbarkeit liegt bei 9 % (Grafik: ZDF & MaLisa)

LGBTIQ-Sichtbarkeit  So zeigen die untersuchten Streaming-Angebote insgesamt vielfältige sexuelle Lebensentwürfe. Unter den Figuren, bei denen «eine sexuelle Orientierung erkennbar ist», sind 9 Prozent LGBQ. Zum Vergleich: In einer repräsentativen Studie von Dalia Research aus dem Jahr 2016 bezeichneten sich rund 7 Prozent der Befragten in Deutschland als LGBT.

Nicht-binäre und Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten kämen kaum vor: Sie sind in den Produktionen aller Länder nur in neun von 1.911 Fällen (0,5 %) in zentralen Rollen zu sehen. In deutschen Produktionen seien sie gar nicht vertreten, wie die Studie zeigt.

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Insgesamt zeigt sich: Frauen kommen seltener vor, sind jung und werden seltener homosexuell dargestellt als Männer. Zentrale Rollen zeigen Frauen zu 4 Prozent als homosexuell, Männer hingegen zu 7 Prozent.

«Leider erhebt die Studie nicht, wie es bei den deutschen Serien der Öffentlich-Rechtlichen und der Privaten aussieht», monierte die Queer Media Society. Dort dürfte etwa die LGBTIQ-Sichtbarkeit vermutlich noch magerer ausfallen. (Garantiert queer sind diese Serien, die wir für dich zusammengestellt haben.)

«Die Gleichberechtigung von Frauen ist ein zentrales Thema unserer Gesellschaft. Das ZDF hat bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen, um in seinen Produktionen den Anteil von Frauen vor und hinter der Kamera zu erhöhen», erklärte Dr. Florian Kumb, Leiter der ZDF-Hauptabteilung Programmplanung. «Mit unserer Beteiligung an dieser Studie wollen wir nun zur Transparenz auf dem Streaming-Markt beitragen, für den bislang keine Erkenntnisse vorlagen.»

In einigen Punkten mögen internationale Streaming-Angebote insgesamt diverser sein als die klassischen, linearen. Bei der Darstellung von Frauen sind sie es jedoch keineswegs.

Männer sind meist Serienmacher Ein Grund dürfte darin liegen, dass Streaming-Angebote vor allem von Männern gemacht werden. «Die kreativen Teams sind männerdominiert. Das zieht sich durch alle Bereiche: von Produktion über Kameraführung bis hin zu Drehbuch und Regie.» Am deutlichsten zeige sich das in den Bereichen Kamera und Regie. Hier betrage der Männeranteil 90 beziehungsweise 78 Prozent.

«Auch Streaming-Serien spiegeln nicht die Gesellschaft wider: Frauen sind weniger vielfältig dargestellt als Männer. Sie kommen seltener vor, sind jünger, schlanker und nur in bestimmten Berufen zu sehen. Nicht-binäre und Figuren mit anderen Geschlechtsidentitäten tauchen so gut wie gar nicht auf. Und was die Sichtbarkeit ethnischer Vielfalt betrifft, dominiert die jeweilige Mehrheitsbevölkerung», so Prof. Dr. Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock.

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«Der Diskurs über Frauenbilder und Diversität in den Medien hat spürbare Veränderungen angestossen. Lineares Fernsehen, Film, YouTube, Streaming-Serien – die Studien der Uni Rostock schaffen Bewusstsein, sie liefern Daten und Fakten, mit denen sich die Verantwortlichen und Kreativen der Branche auseinandersetzen müssen. Deshalb ist die Film- und Medienstiftung NRW als Förderer von Beginn an mit Überzeugung dabei», so Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW.

Nicht nur im linearen TV-Programm, sondern auch in deutschen Streaming-Serien kommen auf eine Frauenfigur circa zwei männliche Hauptrollen. So beträgt ihr Anteil in zentralen Rollen in deutschen Produktionen lediglich 35 Prozent. Der globale Durchschnittswert für Produktionen mit einer weiblichen Hauptrolle liegt bei 42 Prozent. Nicht-binäre und Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten kommen kaum vor (0,5 Prozent).

Auch die Vielfalt von Frauenfiguren in Streaming-Angeboten ist eingeschränkt: Frauen sind nicht nur seltener zu sehen, sondern zudem überwiegend jung, haben genormte schlanke Körper und werden seltener homosexuell dargestellt als Männer. In Streaming-Angeboten werden sie entlang tradierter Geschlechterbilder besetzt – überwiegend in Romantik-Formaten (49 Prozent) und in Berufen, die ihre emotionale Kompetenz betonen.

Auch in Bezug auf ethnische Zuschreibung seien die untersuchten Streaming-Angebote insgesamt divers. In nationalen Kontexten überwiege jedoch die Sichtbarkeit der Mehrheitsbevölkerung. Im internationalen Durchschnitt seien 63 Prozent der zentralen Rollen von Personen mit weisser Hautfarbe besetzt. In deutschen Produktionen treffe dies auf 89 Prozent zu. Keine der zentralen Figuren könne als schwarz oder asiatisch interpretiert werden, wohingegen 11 Prozent dem Mittleren Osten zuzuordnen sind.

Gegenstand der Untersuchung waren knapp 200 Serien von Streaming-Anbietern wie Netflix, Amazon Prime, Sky und TNT Deutschland, die zwischen Januar 2012 und Juli 2019 auf den Plattformen veröffentlicht wurden. Dabei handelte es sich sowohl um deutsche als auch um Produktionen aus anderen Ländern. Von den insgesamt 192 untersuchten Serien waren nur 28 Episoden von 14 deutschen Serienproduktionen im internationalen Vergleich dabei, was einem Anteil von 7,2 % entspricht.

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Für die Film- und Fernsehbranche machten bereits im Jahr 2017 die Studien «Audiovisuelle Diversität» sowie «Gender und Fernsehfilm», an denen sich das ZDF beteiligt hatte, deutlich, dass Frauen in audiovisuellen Medien seltener vertreten sind. Das ZDF hat daraufhin zahlreiche Massnahmen getroffen, um die Beteiligung von Frauen vor und hinter der Kamera zu steigern. Beispielsweise befinde sich das ZDF-Förderprogramm für Nachwuchs-Regisseurinnen inzwischen bereits in der zweiten Runde. Es wurde zudem ein regelmässiges Monitoring der Produktionen ins Leben gerufen, um die Wirksamkeit der Massnahmen überprüfen zu können.

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