Schwul in Tansania – «Für meine Familie bin ich eine Schande»
Bevor Gulam mit 17 Jahren in die Schweiz auswanderte, lebte er in Dar es Salaam
Schwul in Tansania – dort wäre Gulam von Gefängnis bedroht. Seit vielen Jahren lebt er in der Schweiz. Doch Freiheit hat für ihn selbst in seiner neuen Heimat ihre Grenzen.
In der Schweiz hat Gulam zum ersten Mal in seinem Leben Schnee gesehen. Die Freude an der weissen Pracht hielt aber nur ein paar Tage an. «Ich bin eher der Sommer-Typ; Kälte ist nicht so meins», sagt er und muss dabei lachen. Gulam lacht ohnehin viel öfter als die meisten Schweizer*innen – das ist einer von vielen Unterschieden, die ihm nach seiner Auswanderung vor elf Jahren aufgefallen sind. Dabei ist es ihm gar nicht immer zum Lachen zumute.
Bevor Gulam mit 17 Jahren in die Schweiz auswanderte, lebte er in Dar es Salaam, der grössten Stadt Tansanias. Dort kommt es immer wieder zu Festnahmen schwuler und lesbischer Menschen, denen für homosexuelle Handlungen lange Haftstrafen drohen.
Vor gut einem Jahr gab die US-Botschaft in Tansania eine deutliche Warnung heraus. Amerikanische Bürger in dem afrikanischen Land sollten «ihre digitalen Fussspuren und Profile in den sozialen Netzwerken überprüfen» und potenzielle Verstösse gegen die Gesetze «zu homosexuellen Praktiken» vermeiden.
Im vergangenen reagierte Dänemark auf die anhaltende Diskriminierung und Verfolgung von LGBTIQ in Tansania. Die dänische Entwicklungsministerin teilte mit, man friert die Gelder für das ostafrikanische Land per sofort ein (MANNSCHAFT berichtete).
15 Jahre Gefängnis für schwule Liebe in Sambia
Gulam traf sich regelmässig heimlich mit Männern und litt dabei nicht nur unter Angst, sondern auch an Depressionen und Selbsthass. An den psychischen Nachwirkungen dieser Lebensphase leidet er zum Teil noch heute.
Für ihn war es ein Glück, dass sein Vater einen Job in einer Schweizer Restaurantküche fand und ihn und die fünf Geschwister nachholte. Seine Mutter hatte sich von seinem Vater getrennt und blieb in Afrika. Sie wohnten in Veltheim, einem Dörfchen im Kanton Aargau, wo etwa 4’000 Mal weniger Menschen wohnen als Dar es Salaam. «Das war nicht das Europa der modernen Metropolen, wie ich es aus dem Fernsehen kannte», erinnert sich Gulam.
Er kam in eine Integrationsklasse, wo er anfangs kein Wort verstand und sich nur langsam zurechtfand. Nach einem Jahr Schule konnte er dann ein Praktikum als Verkäufer absolvieren. Diesen Beruf habe er gewählt, damit er beim Kontakt mit den Kund*innen seine Sprachkenntnisse anwenden könne. Heute arbeitet er im Verkauf eines Möbel- und Dekorationsgeschäfts.
Inzwischen lebt Gulam in einer WG und hat sich geoutet – auch bei seiner Familie, für die er seitdem eine «Schande» und «Enttäuschung» ist. «Aber ich glaube, sie wussten schon immer, dass ich anders bin als die anderen», sagt Gulam, der sein Anderssein auch an der Pride in Zürich feiert. Er geniesst diese Freiheit, musste jedoch schmerzhaft erfahren, dass selbst in der Schweiz diese Freiheit ihre Grenzen hat: Bereits zweimal wurde er beim Ausgehen von Homohassern angegriffen.
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