Ein Jahr Ampelregierung: Wo bleibt der queerpolitische Aufbruch?
LSVD: Die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag müssen noch erfüllt werden
Die Ampelregierung ist an diesem Donnerstag seit einem Jahr im Amt. Aber der angekündigte queerpolitische Aufbruch lässt noch auf sich warten, so der LSVD.
Dazu erklärt Henny Engels, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) in einer Medienmitteilung: «Ein Viertel der Legislatur der Ampelregierung ist vergangen. Mit dem Koalitionsvertrag haben die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP einen queerpolitischen Aufbruch versprochen und zahlreiche Vorhaben zur Verbesserung der Situation queerer Menschen in Aussicht gestellt.» Mit der Vorstellung des Eckpunktepapiers für ein neues Selbstbestimmungsgesetz und dem Kick-off zur Umsetzung des Aktionsplans «Queer leben» (MANNSCHAFT berichtete) der Bundesregierung seien die ersten Schritte getan.
Des Weiteren sei es erfreulich, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Dienstanweisung Asyl aktualisiert und hiermit der Anwendung des sogenannten Diskretionsgebots konsequent einen Riegel vorgeschoben habe. «Trotzdem ist bis heute kein einziges Gesetzesvorhaben aus dem queerpolitischen Aufbruch verabschiedet worden», sagt Engels.
Schon im Sommer dieses Jahres forderten die Bundesvorstände der Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL), QueerGrün und SPDqueer ein umgehendes Ende des Diskretionsgebots für queere Asylsuchende (MANNSCHAFT berichtete).
Noch immer durchlaufen trans Menschen in Deutschland tagtäglich den «pathologisierenden, diskriminierenden und teuren» Prozess der Personenstandsänderung wegen des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG), schreibt der LSVD weiter.
«In einer demokratischen Gesellschaft muss die Grundlage staatlichen Handelns der Schutz der persönlichen Freiheit sein und nicht eine ideologisch aufgeladene Ordnungsvorstellung über Geschlechtszugehörigkeit», sagt Engels.
Auch beim Thema Regenbogenfamilien sei die rechtliche Gleichstellung noch nicht erreicht, schreibt der LSVD in der Medienmitteilung. Fast fünf Jahre nach der Ehe für alle und über zwei Jahre nach Einführung des dritten Geschlechtseintrags «divers» fehle es noch immer an den erforderlichen rechtlichen Reformen im Familien- und Abstammungsrecht. Die gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Absicherung der Vielfalt an gelebten Familienformen wie Zwei-Mütter-Familien, Zwei-Väter-Familien, Mehrelternfamilien oder Familien mit trans und intergeschlechtlichen Eltern müssten angegangen werden, fordert Engels.
«Durch die aktuelle Gesetzeslage entgehen der medizinischen Infrastruktur immer noch Blutspenden von Männern, die Sex mit Männern haben!», sagt Engels. «Ausserdem stehen bis heute längst überfällige Reformen im Antidiskriminierungsrecht aus, wie beispielsweise der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Finanzierung eines Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen gegen Diskriminierung.»
Der LSVD betont, dass die LGBTIQ-Community Deutschlands seit einem Jahr darauf warte, dass die Bundesregierung ihre Versprechen umsetzt. Der Aktionsplan «Queer leben» sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings würden dort überwiegend Punkte erneut bekräftigt, die bereits im Koalitionsvertrag angekündigt waren. «Damit der Aktionsplan auch wirklich Leben verändert, müssen die angekündigten Massnahmen nun umgesetzt und das heisst natürlich auch finanziert werden», sagt Engels. Dafür schlägt der LSVD die Einrichtung eines Sonderfonds vor. «Denn die LGBTIQ Community braucht nicht noch mehr Worte der Hoffnung, sondern Taten und Gesetze, die das Leben in Deutschland für alle freier und damit demokratischer gestalten.»
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