«Propaganda für die Kleinsten»? Die Maus erklärt trans Identität
Die Sendung vom Sonntag stand im Zeichen des Regenbogens und sorgt für hitzige Debatten
Die «Sendung mit der Maus» des WDR hat schon viele Generationen von Zuschauer*innen durchs Kindesalter geführt. Am vergangenen Sonntag widmete sie sich dem Thema Trans anlässlich des bevorstehenden Internationalen Tag der Transsichtbarkeit am 31. März.
Moderatorin Laura Kampf erklärte gleich zu Beginn der Sendung, dass diese Ausgabe im Zeichen des Regenbogens stehe. Kampf sagte: «Mit dieser Regenbogenfahne wird auf der ganzen Welt dafür geworben, dass wir Menschen nett zueinander sein sollen und uns respektieren sollen. Damit jeder und jede so leben kann, wie er oder sie eben möchte.»
Um zu illustrieren, wie Menschen so leben, wie sie «eben möchten», besuchte die Journalistin Siham El-Maimouni die trans Frau Katja in Hildesheim. Man sieht Katja auf Bildern einer früheren Sendung, wo sie als obdachloser Erik vor ihrer Transition mitwirkte. Inzwischen hat Katja eine Wohnung und einen neuen Ausweis, erfährt man.
Im Gespräch mit El-Maimouni erzählt Katja, dass sie lange mit ihren Eltern nicht offen über ihre Gefühle und Gedanken reden konnte. Heute stehe sie zu sich und spricht sich für einen offenen Umgang mit trans Identität aus. In der Folge erzählt sie von ihrer Geschichte, inklusive der Schwierigkeiten, ihren Geschlechtseintrag im Ausweis zu ändern.
Die Prinzessin, die ein Ritter sein will Wie üblich bei der «Sendung mit der Maus» gab es zwischendurch mit Musik unterlegte Zeichentrickfilme. Diesmal war eine Prinzessin zu sehen, die lieber ein Ritter sein würde, was am Hof allerdings auf Unverständnis stösst. Weswegen die Prinzessin von ihren Eltern weggesperrt wird.
Zum Schluss der Halbstundensendung lobte Moderatorin Kampf die neue Bundesregierung und deren angekündigtes Selbstbestimmungsgesetz mit den Worten: «Dann kann jeder und jede selbst entscheiden, welchem Geschlecht er oder sie sich zugehörig fühlt und welchen Namen er oder sie tragen will. Und dann kann kein Gericht und kein Gutachter mehr darüber entscheiden.» (MANNSCHAFT berichtete über die Reformpläne der neuen deutschen Regierung.)
Auf MANNSCHAFT-Anfrage teilte die WDR-Redaktion mit, dass zu dieser «Sachgeschichte zur Transsexualität» aus der LGBTIQ-Community selbst «viel Zuspruch» gekommen sei.
Die Sendung rief aber auch unmittelbar Proteste hervor. Der Westen berichtet am Montag davon, dass ein Vater nach der neuen Folge «tobte» und von einem «falschen Thema für Kinder» sprach. Die Zeitung meint: «Kinder über die Sexualität aufzuklären und wie Babys entstehen, ist wohl eine der schwierigsten und für viele Eltern auch unangenehmsten Aufgaben. Wann ist der richtige Zeitpunkt und wie erkläre ich dieses Thema, so dass es mein Kind nicht völlig überfordert und verstört?»
«So eine Sendung hätte ich früher auch gebraucht» «Meine 13-jährige Tochter ist trans und sagte nach der Sendung, die sie mit ihrem 6-jährigen Bruder gesehen hat: ‹So eine Sendung hätte ich früher auch gebraucht, dann hätte ich nicht gedacht, dass ich damit ganz alleine bin.› Sie hat sich mit 7 Jahren geoutet. Dafür sind solche Sendungen wichtig», lobt eine Mutter bei Twitter und wird von Der Westen zitiert.
«Sehr wichtiges Thema für die Maus! Es gibt einige Kinder die fühlen, da stimmt was nicht, sie sind anders und sie trauen sich nicht, darüber zu reden. Wenn jetzt nur ein Kind erkennt, es ist ganz richtig, wie es sich fühlt, wie wunderbar wäre es!», wird eine weitere Frau zitiert. (MANNSCHAFT berichtete über eine neue Kampagne in der Schweiz gegen Trans- und Homofeindlichkeit.)
«Falsches Thema für eine Kindersendung», meint hingegen ein Vater. Für ihn seien die Kinder zu jung für solche Themen. Wenn er als Erzieher mit den Kindern über Transsexuelle reden würde, bekäme er Probleme. Von wem er diese bekäme, verrät er nicht.
Noch heftiger reagierte die Publizistin Birgit Kelle: «Liebe Kinder gebt fein Acht, hier wird Ideologie gemacht», empörte sie sich auf Twitter, wo sie sich übrigens als «natural woman» beschreibt. Sie spricht jetzt von «Propaganda auch für die Kleinsten».
«Zwangsmaus» als «Unwort des Jahres» In die «Propaganda»-Kerbe schlug auch der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt: «Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen.»
In seiner Serie von Tweets spricht Reichelt von «ideologisch-sexualisierter Früherziehung mit Zwangsgebühren». Und: «Sendungen wie diese werden in naher Zukunft dazu führen, dass Gender-ideologische Politiker Kinder morgens in Kita und Schule dazu zwingen werden, ihr Geschlecht und ihre Pronouns des Tages zu wählen.»
Was der Ex-Bild-Chef mit seiner Tirade bewirken will, ist nicht ganz klar. Das Social-Media-Team des WDR gab auf Twitter jedenfalls diplomatisch Antwort: «Auch als erwachsene Person kann man bei uns noch viel lernen zu relevanten Themen wie z. B. Toleranz. Die Maus ist dazu da den Horizont für Gross und Klein zu erweitern.»
Der Tagesspiegel sieht «Zwangsmaus» derweil als Kandidat fürs «Unwort des Jahres».
Der Aktivist und Nollendorfblogger Johannes Kram holte anlässlich dieser Reichelt-Äusserungen gegen die Bild-Zeitung allgemein aus und schrieb auf Facebook: «Die schwulen Macher von Queer-Bild haben den queeren Bild-Ableger immer damit gerechtfertigt, dass sie bei den Bild-Macherinnen Überzeugungsarbeit leisten und das Medium von innen verändern würden. Wie erfolgreich (bzw. seriös) dieser Versuch war, zeigt dieser Tweet (von Julian Reichelt, Anm.). Queer–Bild ist das, was die Schwulen in der AfD waren: Alibi, Pinkwashing, zynisches Marketing.»
Das «Maus»-Team stellt angesichts der Kritik von verschiedenen Seiten fest: «Wir finden schon, dass es ein richtiges Thema für unsere Sendung ist. Es handelt sich um ein gesellschaftlich relevantes Thema, genau so, wie die vielen anderen Themen, die wir in der Sendung behandeln.» (MANNSCHAFT über eine neue Schweizer Studie zum Thema Geschlecht und Identität.)
Der Tagesspiegel schreibt als Fazit zur Kontroverse: «Vielleicht sollte auch Wladimir Putin mal einen Blick in die Sendung werfen.»
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