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Wirbel um Studie: Steigt mit PrEP Risiko für Syphilis und Co.?

Das sollen Untersuchungen auf fünf Kontinenten zeigen – von der Deutschen AIDS-Hilfe kommt Kritik

PrEP
Bild: iStockphoto

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurden die Studien-Ergebnisse nicht hinreichend hinterfragt. Wir haben uns dabei zu sehr auf eine Meldung der dpa verlassen. Dafür möchten wir uns entschuldigen.

Wer sich mit PrEP gegen die Infektion mit HIV schützt, könne einer Studie zufolge ein hohes Risiko haben, an einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit zu erkranken. Doch an der Studie gibt es Kritik.

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Bei drei von Patienten, die die Prä-Expositionsprophylaxe gegen HIV (PrEP) nutzten, diagnostizierten Ärzt*innen innerhalb des ersten Jahres Tripper, Chlamydien oder Syphilis – das berichten Forscher um Jason Ong von der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Fachmagazin JAMA Network Open.

Ohne Kondome ist PrEP Risiko
Die Wissenschaftler um Ong, darunter Mitarbeiter*innen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hatten 88 Untersuchungen von fünf Kontinenten zur Nutzung von PrEP und deren medizinische Begleitung ausgewertet. Doch welche Schlüsse daraus zu ziehen seien – das sorgte am Montag für Aufregung.


Während bei der Eingangsuntersuchung zu PrEP bei 23,9 % der Patienten Tripper, Chlamydien oder Syphilis diagnostiziert wurden, sei die Anzahl innerhalb des ersten Jahres der Nutzung von PrEP auf 72,2 % gestiegen – das meldete die dpa am Montag. (In der Schweiz steckte sich jetzt erstmals ein PrEP-Nutzer mit HIV an – MANNSCHAFT berichtete).

Armin Schafberger von der Deutschen AIDS-Hilfe in Berlin ist von den neuen Erkenntnissen nicht überrascht. Wie unter anderem die Ärztezeitung berichtete, weist Schafberger auf die eingeschränkte Aussagekraft der Ergebnisse hin. Denn die Studie berücksichtige nicht Art und Umfang der medizinischen Untersuchungen und Diagnosen. «Wenn man genauer hinsieht, findet man auch mehr», so Schafberger – weil auch diejenigen auf die Krankheiten untersucht werden, die keine Symptome haben. So würden die Geschlechtskrankheiten Tripper, Chlamydien und Syphilis in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen viel häufiger nachgewiesen als in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Durchschnittseinkommen.


Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) weist daraufhin, dass die 23,9 Prozent Prävalenz bei der Eingangsuntersuchung lediglich besagen, dass ein knappes Viertel bei Studienbeginn aktuell eine Geschlechtskrankheit (STI) hatte, also zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Die 72,2% bedeuten, dass knapp drei Viertel der Teilnehmer im Laufe eines Jahres unter PrEP mindestens einmal eine STI hatte, also in einem längeren Zeitraum. Wie viele ohne PrEP eine Geschlechtskrankheit gehabt hätten, bleibe dabei völlig offen, heisst es in einer Pressemitteilung.

DAH: Ein Anstieg lässt sich nicht herleiten!

Diese Zahlen gäben also verschiedene ganz Sachverhalte wieder. Sie in Verbindung zueinander zu bringen, hiesse Äpfel und Birnen vergleichen, so die DAH. Schon gar nicht könne man sagen, dass aus 23,9 Prozent 72,2 wurden. Ein Anstieg lasse sich aus diesen Zahlen nicht herleiten, weil sie dazu prinzipiell nicht geeignet seien.

Ob oder wie stark Menschen vom Kondom auf PrEP umgestiegen sind und damit ein höheres Risiko hatten als vorher, lasse sich aus dieser Studie nicht ablesen. Für eine solche Aussage bräuchte man ein ganz anderes Studiendesign.

Sicher sei jedoch, dass Menschen mit einem hohen Risiko durch die PrEP vor HIV geschützt waren. Es wäre fatal, wenn diese falsch interpretierten Daten verwendet würden, um die PrEP an sich Frage zu stellen. Die PrEP verhindert viele HIV-Infektionen und ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen HIV-Prävention.

Dazu gehöre immer auch die Botschaft, dass regelmässige Checks auf Geschlechtskrankheiten für Nutzer von kondomlosen Schutzmethoden besonders wichtig sind. Die deutsch-österreichischen PrEP-Leitlinien empfehlen Untersuchungen auf Hepatitis C (alle sechs bis zwölf Monate), Syphilis (alle drei Monate), Tripper (alle drei bis sechs Monate) und Chlamydien (alle drei bis sechs Monate).

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Dass sexuell übertragbare Krankheiten nicht zu vernachlässigen sind, zeigen die kürzlich veröffentlichten Zahlen des Robert Koch-Instituts: 2018 lagen in Deutschland die Syphilis-Neuerkrankungen bei 7223 Fällen und damit auf einem ähnlich hohen Niveau wie im Vorjahr (7140). Dafür sinkt die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland weiter, auch dank PrEP (MANNSCHAFT berichtete).

Die meisten Infektionen pro 100.000 Einwohner in einem Bundesland gab es mit 32,5 Fällen in Berlin, doch hier gehen die mittlerweile Infektionszahlen zurück, ebenso wie in München. Ein Grund könnte eine vermehrte Testung und Behandlung von Syphilis in diesen Städten sein, die bei sexuell aktiven HIV-negativen Personen im Rahmen der seit 2016 in Deutschland zugelassenen Prä-Expositionsprophylaxe stattfinden, folgerte das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin vom 12. Dezember.


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