Rechtsstaatlichkeit: Polen und Ungarn scheitern mit Klage
Der EuGH gibt grünes Licht für Mechanismus
Der Europäische Gerichtshof hat eine neue Regelung zur Ahndung von Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit in der EU für rechtens erklärt.
Die Richter in Luxemburg wiesen am Mittwoch Klagen von Ungarn und Polen ab und machten damit den Weg für die Anwendung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus frei. Dies ermöglicht es, betroffenen Ländern im letzten Schritt EU-Mittel zu kürzen.
Schon im September hatte die Europäische Kommission bekannt gegeben, dass sie EU-Mittel für fünf polnische Provinzen zurückstellt, die sich zu «LGBT-freie Zonen» erklärt hatten (MANNSCHAFT berichtete). In beiden EU-Mitgliedstaaten werden LGBTIQ-Menschenrechte immer weiter eingeschränkt (MANNSCHAFT berichtete).
Konkret ging es in dem EuGH-Verfahren um die «Verordnung über die Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit», die seit Anfang 2021 in Kraft ist. Sie soll dafür sorgen, dass Verstösse gegen Rechtsstaatsprinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben, wenn dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht.
Polen und Ungarn sahen sich besonders im Fokus des neuen Instruments und klagten deshalb dagegen vor dem EuGH. Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen wollte bis zum Urteil warten, ehe sie den Mechanismus nutzt. So sieht es auch eine Einigung der Staats- und Regierungschefs vom Sommer 2020 vor, mit der man die Regierungen in Budapest und Warschau dazu gebracht hat, ihre Blockade wichtiger EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.
Zugleich betonte die EU-Kommission immer wieder, dass die Vorbereitungen für Verfahren nach dem Mechanismus liefen und kein Fall verloren gehen werde. Das Europaparlament macht hingegen seit langem Druck und hat die EU-Kommission wegen ihrer Zögerlichkeit sogar vor dem EuGH verklagt – das Verfahren läuft jedoch noch.
Erhalten Polen, Ungarn und womöglich auch noch anderen Ländern also bald weniger Geld aus dem EU-Haushalt? Beide Staaten bekommen jährlich Milliarden aus dem Gemeinschaftsbudget. Dazu äusserte sich u.a. der belgische Premiere De Croo kritisch (MANNSCHAFT berichtete).
Die Regierungen in Warschau und Budapest nutzen das Geld auch, um sich die Gunst ihrer Wähler*innen zu sichern. Zugleich werfen Kritiker ihnen vor, die Justiz entgegen den EU-Standards zu beeinflussen.
Ganz so schnell dürfte es mit Mittelkürzungen allerdings selbst dann nicht gehen, wenn der EuGH grünes Licht gibt. Zunächst einmal steht dem ein formelles Argument entgegen: Die EU-Kommission will unter Berücksichtigung des Urteils noch die Leitlinien zur Anwendung des Verfahrens fertigstellen. Entscheidender sind wohl die politischen Fragen. Mit Blick auf Ungarn ist da zum Beispiel die Parlamentswahl Anfang April (MANNSCHAFT berichtete) – und die Abwägung, ob die Behörde noch vor dieser Wahl einen Schritt einleiten möchte, der als Wahlkampfeinmischung verstanden werden könnte.
Warschau sendete zuletzt Signale der Entspannung nach Brüssel. Präsident Andrzej Duda schlug die Auflösung der hoch umstrittenen Disziplinarkammer vor, die seit Jahren für Streit mit der EU-Kommission sorgt. Zudem legte Polen einen Streit mit Tschechien bei, der zuvor bereits den EuGH beschäftigt hatte. Die EU-Kommission äussert sich bislang nur zurückhaltend zu diesen Entwicklungen, pocht auf konkretes Handeln – und nicht nur auf Ankündigungen.
Doch selbst wenn die Behörde schon bald aktiv wird: Bis Ungarn, Polen oder anderen Ländern Geld gekürzt wird, würde es allein wegen des langwierigen Verfahrens noch dauern.
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