«Bitte mehr schwule Paare in Filmen und Serien!»
In «Ich war noch niemals in New York» spielt Pasquale Aleardi den schwulen Zauberer Costa
In der Filmversion des Udo-Jürgens-Musicals «Ich war noch niemals in New York» (ab 17. Oktober im Kino) spielt Pasquale Aleardi den schwulen Zauberer Costa. Im Interview mit MANNSCHAFT sprach der Schweizer Schauspieler über seinen Wunsch, Homosexualität authentisch darzustellen, und anfängliche Schwierigkeiten mit dem Drehbuch.
Pasquale, wie war dein Bezug zu Udo Jürgens und seiner Musik vor diesem Film? Ich habe eine Sache von ihm total geliebt, und das war «Vielen Dank für die Blumen», weil das die Musik von Tom & Jerry war, was ich als kleiner Junge immer gesehen habe. Das war immer mein Highlight .. Richtig kennengelernt habe ich ihn und sein Gesamtwerk erst in der Auseinandersetzung mit diesem Projekt. Ich musste zwei Songs aussuchen zum Vorsingen – einer davon war «Merci Cherie». Da dachte ich: Der hat‘s echt drauf! Das ist so direkt und klar, geschickt komponiert und konzipiert – er wusste ganz genau, was er da anrichtet im Herzen der Zuhörer. Er war ein Meister.
Sein Auftritt mit dem Song beim Eurovision Song Contest 1966 ist so rührend, weil er das als junger Mann so leidenschaftlich und ernsthaft singt. Ja! Da hat er auch zu Recht gewonnen, finde ich. Den Song, wie er ihn komponiert hat und wie er ihn performt – das ist ganz weit vorne! Man merkt, er ist in seinem Element. Die Songs von ihm sind ja nicht einfach zu singen. Die Melodie kann man zwar oft so mitträllern, aber wenn man sie selber singt – und man will es möglichst gut machen –, zeigt sich, was für ein Meister er war. Zum Beispiel «Griechischer Wein» (er singt den Refrain). Das merkt man erst, wenn man sich damit auseinandersetzt und es singt und die Musik liebt wie Udo.
War es Zufall, dass man dich, der griechische Wurzeln hat, für die Rolle des Zauberers Costa aus Kreta gecastet hat? Erstmal hat man mich wohl gefragt, weil es nicht so viele Schauspieler gibt, die auch singen können. Ich habe ja schon am Broadway «Chicago» gespielt, und ich hab eine eigene Band. Wer mich kennt, weiss, dass ich auch singen kann. Das mit den griechischen Wurzeln war wohl eher eine Typfrage. Zuerst war ich ein bisschen irritiert, als man mich fragte. Als ich die erste Drehbuchfassung las, vor allem meine Rolle und die schwule Liebesgeschichte, dachte ich, das muss besser werden. Ich kenne so viele Leute die schwul sind und musicalaffin. Aber dann hat sich das Drehbuch total entwickelt und verbessert.
Was war denn am Anfang nicht in Ordnung? Costa hat Schwierigkeiten, zu sich selber zu stehen, weil er aus einem krassem Patriarchat kommt, aus Kreta. Zu Beginn war mir die Figur viel zu klischeehaft, auch die von Fred, in den er sich verliebt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir Schauspieler genügend Raum haben, um eine echte Liebe zu zeigen, und dass man das wirklich ernst nimmt. Die Typen sehen sich und es macht Bämm! Vom Konzept her fand ich es toll: Ich mag es, wenn man sich für eine Rolle total verändert. Aber dann besteht die Gefahr, dass du es auch sehr überdreht spielst. Als ich aber gesehen habe, dass uns der Regisseur Philipp Stölzl auch wirklich unterstützt, habe ich entschieden mitzumachen. Ich wollte die Gefühle wirklich so ernsthaft spielen wie möglich.
War das deine erste schwule Rolle? Witzigerweise nicht. Ich habe vor vielen Jahren eine Art «La Cage aux Folles» für Sat.1 gedreht. In «Mein Vater, die Tunte» war ich der Lover von Jan-Gregor Kremp, sein Sohn war Matthias Schweighöfer. In der Rolle war ich einen Hauch tuntiger, ich hatte mir auch ein anderes Lachen antrainiert.
Wie hast du dich auf Costa vorbereitet? Bei ihm war mir erstens wichtig: Der Typ ist Schiffsmechaniker, also braucht er Mukkis. Die schwulen Männer in meinem Umfeld, die gehen alle fleissig trainieren, da sage ich zu unserem Regisseur: Ich muss ein bisschen was draufpacken. Der sagte: Klar, kriegst du. Danke an Alex Hipwell! Die Bodybuilderin hat mich sieben Wochen gequält, damit ich im Film so aussehe, wie ich aussehe. Das hat einen Riesenspass gemacht. Ich liebe das, wenn man genügend Zeit hat, sich vorzubereiten.
Und sprachlich? Costa spricht Deutsch mit einem heftigen griechischen Akzent, den du wahrscheinlich nie hattest. Ich selber kann die Sprache ja viel zu gut. Zur Vorbereitung habe ich mich mit einem Griechen unterhalten bzw. habe ihn gezwungen, meine deutschen Texte zu sprechen – der konnte überhaupt kein Deutsch. Das war schwer, aber ich konnte gewisse Dinge dann adaptieren. Meine Mutter ist Griechin, ich bin da sehr empfindlich. Also war klar: Das muss echt gut werden! Ich habe mich auf allen Ebenen bemüht, das so authentisch wie möglich hinzukriegen. Wann hat man schonmal die Gelegenheit einen griechischen schwulen Bordzauberer zu spielen, der auch noch singt?!
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Dein Partner im Film ist Michael Ostrowski. Habt Ihr verschiedene Paarungen probiert und geschaut, bei wem die Chemie am stärksten ist? Das war ein Glücksfall. Ich hatte die Rolle bereits und habe Michael während der ersten Lesung getroffen. Es war von Vorteil, dass wir uns privat auch echt mochten. Gott sei Dank war uns beiden wichtig, so ehrlich wie möglich zu spielen.
Das gelingt euch gut. Man zweifelt es in keinem Moment an. Das ist ein schönes Kompliment, da bin ich sehr froh. Wir hatten nicht so viele Szenen, um das zu etablieren und auf den Punkt zu bringen.
New York symbolisiert für mich Freiheit und den Traum von einem neuen Leben
Am Ende des Films fiebert man als Zuschauer mit allen drei Paaren mit, und eins davon ist schwul. Das ist eine schöne Entwicklung. Ja, das freut mich. Ich meine, es ist 2019! Können wir bitte mehr schwule Paare in Filmen oder Serien haben?
Du bist Vater von zwei kleinen Jungs. Wie erklärst du dem Älteren das Thema Homosexualität, wenn es mal soweit ist? Möglichst natürlich und so einfach wie möglich. Wenn er ein bisschen älter ist, nehme ich ihn auch mit zum Dreh. Ich reise ja für meine Rollen viel, gerade habe ich in Hamburg beim Cirque du Soleil eine Hauptrolle gespielt. 80 % aller männlichen Darsteller sind da schwul. Spätestens wenn er dabei ist und sieht, wie die sich küssen und sich lieb haben, da muss man gar nichts sagen. Es gibt verschiedene Arten von Liebe, und das ist alles gut.
Du bist nicht der einzige Schweizer im Film, auch Stefan Kurt ist dabei als Kapitän. Leider habt ihr keine Szene zusammen. Nein, aber ich habe solchen Spass gehabt mit ihm zwischendurch. Ein paar Sachen wurden leider rausgeschnitten, aber er ist als Kapitän ja ständig betrunken, und er hatte selber viel Spass daran, es zu spielen. Es ist so ein Spektakel, ihm zuzusehen, wie er sich auf eine Szene vorbereitet, noch bevor es «Action!» heisst.
Im Gegensatz zu Maria, gespielt von Katharina Thalbach, warst du schon mal in New York. Verstehst du, warum das ein Sehnsuchtsort ist? Die Stadt symbolisiert für mich Freiheit und den Traum von einem neuen Leben, der historisch durch die Einwanderer begründet ist, aber auch auf ganz persönlicher Ebene, auch die Erfüllung eines Lebenstraums. 1996 habe ich als frisch gebackener Schauspieler zum ersten Mal New York besucht und viele Theaterstücke und Musicals am Broadway angeschaut. Da wurde der grosse Traum geboren, dort auch mal spielen zu dürfen. Dass ich 2014 dann eine Hauptrolle in «Chicago» am Broadway bekommen habe, bleibt ein unvergessliches Highlight in meinem Leben. Ausserdem liebe ich den Vibe der Stadt und der Leute.
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