«Ohne Hetero-Clubs gäbe es keine grossen LGBTIQ-Partys»
Das gesamte Nachtleben Zürichs profitiere von der Fundraising-Aktion «Ausgeben statt Ausgehen», so Marco Uhlig
Marco Uhlig betreibt in Zürich den Heaven Club und das Partylabel Boyahkasha. Mit einem grösseren Betrag unterstützt er das Corona-Fundraising der Bar & Club Kommission Zürich (BCK). Er erklärt, weshalb die LGBTIQ-Community ebenfalls spenden soll, auch wenn das Geld ebenso Hetero-Clubs zugutekommt.
An Heiligabend ging Marco Uhlig zur Bank und spendete der Fundraising-Aktion «Ausgeben statt Ausgehen» der Bar & Club Kommission Zürich (BCK). Das Datum ist nicht zufällig gewählt. Am 25. Dezember findet traditionellerweise die Weihnachtsausgabe der Boyahkasha statt, eines der ältesten und grössten queeren Partylabels Zürichs. Uhlig verrät, dass es sich bei der Spende um einen grösseren Betrag handelt, der aus der Kasse der Boyahkasha fliesst.
Wegen Corona kann die Boyahkasha natürlich nicht stattfinden, in der ganzen Schweiz sind Bars, Clubs und Restaurants geschlossen. Daher hatte der Gang zur Bank für Uhlig eine symbolische Bedeutung. «Die Weihnachts-Boyahkaha vom 25. Dezember war stets meine Lieblingsausgabe der Party», sagt er. «Obwohl es immer sehr viele Gäste gab, fühlte sie sich intimer an, als ob man nur unter sich wäre. Man umarmt sich nochmal und feiert mit der queeren Familie, bevor das Jahr zu Ende geht. Da der Event jetzt nicht stattfindet, kann ich das Geld wenigstens spenden, das ich für die Party und die Weihnachtsshow ausgegeben hätte.»
Die Fundraising-Aktion «Ausgeben statt Ausgehen» fliesst in den neu geschaffenen Nachtkulturfonds der BCK, der das Zürcher Nachtleben in Zeiten von Corona unterstützen will. Der Fonds soll auch nach der Pandemie bestehen bleiben, um die Abwehrkräfte des Zürcher Nachtlebens zu stärken. Neben Talent- und Jugendanlässen und gemeinsamen Projekten soll mit dem Geld auch ausserordentliche Umbaukosten mitgetragen werden, darunter beispielsweise Schallschutzmassnahmen, die aufgrund von Lärmklagen umgesetzt werden müssen.
Marco Uhlig ist im Vorstand der BCK tätig und hofft, dass andere Partyveranstalter*innen und die LGBTIQ-Community sich ebenfalls am Fundraising beteiligen. Trotz queeren Betrieben im Niederdorf wie das Cranberry, der Heaven Club sowie die Tiptop oder Infinitiy Bar, hänge das LGBTIQ-Nachtleben auch von Hetero-Clubs ab. Eine Boyahkasha mit rund 1500 Gästen müsse in Clubs wie dem Plaza oder dem Hive stattfinden und hätte niemals Platz im Heaven. «Alle queeren Partys finden zu 100 Prozent in Hetero-Clubs statt», sagt Uhlig. «Es sollte uns also ein Anliegen sein, dass alle überleben. Ohne sie gäbe es keine grossen LGBTIQ-Partys und weniger musikalische Vielfalt. Gerade diese Vielfalt ist es aber, die es ausmacht, dass die Stadt auch in der Nacht attraktiv ist und von einem attraktiven Nachtleben profitiert auch wieder die LGBTIQ-Community.» Zudem würde bei Schliessungen von Clubs für viele Menschen ein Teil vom wichtigen Sozialleben wegbrechen.»
Die Zürcher Ausgehszene ist überschaubar, das queere Nachtleben darin verbandelt. «Der Nachtkulturfonds ist für Nachtkulturbetriebe da, denen die Puste ausgeht, unterstützt aber auch Einzelpersonen wie Künstler*innen oder Musiker*innen. Dazu zählen auch queere Menschen – die BCK macht da keinen Unterschied», sagt Uhlig. «Überhaupt arbeiten LGBTIQ-Personen auch in Hetero-Clubs, an der Bar, an der Garderobe, an der Tür, am DJ-Pult und sie gehen auch gerne dort tanzen. An die denke ich, wenn ich die Aktion der BCK unterstütze.» Mit Luca Papini sei zudem eine prominente Persönlichkeit aus der LGBTIQ-Community im Beirat des Zürcher Nachtkulturfonds vertreten, welche die queeren Interessen nicht aus den Augen verliere.
Marco Uhlig schloss den Heaven Club bereits Ende Oktober und dachte schon zu jener Zeit über ein eigenes Fundraising nach (MANNSCHAFT berichtete). Die damaligen Massnahmen – Maskenpflicht, die Konsumation nur im Sitzen und maximal 100 Gäste – konnte er im Club nicht umsetzen, ohne Verluste einzufahren. Ob er mit dem Geld der Boyahkasha-Partys nicht lieber direkt den Heaven Club habe subventionieren wollen? «Ich vermische Heaven und Boyahkasha nicht und möchte ein Zeichen setzen. Solidarisches Handeln ist jetzt das Wichtigste, um gemeinsam durch diese schwere Krise zu kommen», sagt er.«Mit dem Heaven kommen wir zurzeit noch über die Runden. Schliesslich soll eben der Nachtkulturfonds einspringen, wenn es uns einmal schlecht geht.»
Selbst mit dem Heaven Club will Uhlig einen symbolischen Beitrag an «Ausgeben statt Ausgehen» spenden. Der Beirat, so ist er überzeugt, werde Gelder schneller sprechen als der Staat. Dieser hat ihn enttäuscht. «Bundesbern hat es verpasst, die prekäre Lage von Bars und Clubs auf gesetzlicher Ebene zu regeln. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema Miete: Vermieter und Mieter können sich einigen, lautet ihre Lösung.» Darüber kann Uhlig nur den Kopf schütteln. Sollte das Heaven in den kommenden Monaten wirklich schliessen müssen, dann aufgrund der Fixkosten. «Bei unserem Vermieter haben wir eine Mietzinssenkung beantragt», sagt Uhlig. «Leider kam nicht einmal eine Antwort.»
Für die meisten Partyveranstalter*innen ist das Nachtleben eine Nebenbeschäftigung. So auch bei Uhlig. Die Boyahkasha ist sein Hobby, sein Hauptjob war jedoch das Heaven. Seine neue Hauptbeschäftigung ist in einem weiteren Krisenherd der Corona-Pandemie angesiedelt – der Intensivstation. Seit April 2020 ist Uhlig wieder als Pflegefachmann am Unispital Zürich tätig (MANNSCHAFT berichtete). Der Job erdet ihn und lenkt ihn von den Unsicherheiten rund um den Heaven Club ab. «Ich machte mich selbst verrückt und sorgte mich um die Mitarbeitenden und ums Heaven», sagt er. «Auch wenn es verrückt klingen mag, aber mein Job auf der Intensivstation hilft mir, einen normalen Tagesrhythmus zu finden.»
Uhlig ist überzeugt, dass Zürich ihren Ruf als queere Partystadt nicht nur den kleinen LGBTIQ-Betrieben zu verdanken hat, sondern auch den grossen Hetero-Clubs. An die Boyahkasha, die Angels-Partys, den Kweer Ball, die Blumennacht, die Kiki und viele weitere queeren Labels strömen Gäste aus anderen Schweizer Städten und dem benachbarten Ausland. «Wenn es zum Beispiel das Plaza nicht mehr gibt, muss ich in einen sehr viel kleineren Club umziehen», sagt er. «Ob die Boyahkasha dann noch die gleiche Seele hat, weiss ich nicht. Vielleicht werde ich dann doch aufhören. Es wird auf jeden Fall nicht mehr so sein wie vorher, das ist schon einmal klar.»
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