Österreich stellt Kinder von queeren Eltern gleich
Jede Kommerzialisierung und Vermittlung nicht-medizinisch unterstützter Fortpflanzung wird verboten
Der Nationalrat beschliesst die Beseitigung von Ungleichbehandlungen bei Elternschaft. Ebenfalls mehrheitlich stimmten die Abgeordneten für die Einrichtung eines zentralen Registers über Samen- oder Eizellspenden.
In der heutigen Nationalratssitzung am Freitag wurde mehrheitlich von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS eine ABGB-Novelle unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages beschlossen, um einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zum Thema Elternschaft Rechnung zu tragen. Mit der neuen Regelung haben Kinder von Frauen, die in gleichgeschlechtlicher Ehe oder eingetragener Partnerschaft leben, künftig auch dann automatisch zwei Elternteile, wenn sie ohne In-Vitro-Fertilisation gezeugt wurden. Damit erfolge eine Gleichstellung mit Kindern, die in einer heterosexuellen Ehe geboren werden, teilt der Pressedienst der Parlamentsdirektion mit.
Ausserdem kann die Person, die den Samen für die nicht-medizinische Fortpflanzung bereitgestellt hat, nicht als Vater festgestellt werden, wenn die Partnerinnen eine entsprechende Fortpflanzung vereinbart haben. Auch wird mit der Novelle jede Kommerzialisierung und Vermittlung nicht-medizinisch unterstützter Fortpflanzung ausdrücklich verboten und das «dritte Geschlecht» sprachlich erfasst. Bei der namentlichen Abstimmung wurden 129 Ja-Stimmen sowie 25 Nein-Stimmen gezählt. Ebenfalls mehrheitlich angenommen, ohne die Stimmen der FPÖ, wurde in diesem Zusammenhang ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien zur Durchführung der begleitenden Änderungen im Personenstandsgesetz.
Der weiteren stimmten ÖVP, Grüne, FPÖ und NEOS mehrheitlich für die Einrichtung eines zentralen Registers über Samen- oder Eizellspenden. Dieses wurde vorgeschlagen um das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung zu verbessern.
Es sei modernes Denken zu wissen, dass die Natur allein nicht alles regele, sagte Harald Troch (SPÖ). Die Natur verhindere mitunter Elternschaft und seitens der Medizin könne in diesem Fall zu Elternschaft verholfen werden. Es gehe daher um menschliches Leben, das aus einer Spende einer Ei- oder Samenzelle entstehe. Die SPÖ stehe positiv zu dieser Elternschaft, unabhängig davon, ob es um hetero- oder gleichgeschlechtliche Paare gehe. Die Frage sei jedoch, wie Kinder von ihren biologischen Eltern erfahren. Dazu gebe der Entschliessungsantrag der Regierung jedoch keine Antwort, ebenso wenig gebe er Antwort auf Fragen des Datenschutzes. Dies seien heikle Punkte und es brauche dafür die Vorlage eines Gesetzes, so Troch.
Sie freue sich sehr, dass dieses Gesetz heute beschlossen werden könne, sagte Agnes Sikka Prammer (Grüne). Alle Kinder hätten das Recht auf zwei Elternteile, es sei vollkommen gleichgültig in welcher Form und mit wem die Eltern zusammenleben, so Prammer. Sie brachte zudem einen Abänderungsantrag mit formalen Ergänzungen ein.
Bei diesem Tagesordnungspunkt gehe es um die «gesetzliche Fiktion», dass der Samen, der zur Zeugung eines Kindes führe, innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bei nicht-medizinischer Fortpflanzung von der Partnerin stamme und sie daher der andere Elternteil sei, sagte Harald Stefan (FPÖ). Er denke, dass hier ein Fehler passiert sei. Denn bei künstlicher Befruchtung mit einem fremden Samen brauche man für die Zustimmung einen Notariatsakt um den Zustimmenden auf die rechtlichen Konsequenzen hinzuweisen. Bei der nicht-medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit einem fremden Samen genüge die reine Zustimmung. Dies sei aus seiner Sicht «wirklich problematisch».
Mit diesem Beschluss werde eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs umgesetzt, weil die Rechtsfolgen des Nichtstuns in dieser Sache bedeutet hätten, dass für alle Menschen, die in Österreich Kinder bekommen, die automatische Vaterschaft des anderen Elternteils weggefallen wäre. Genauso wäre der Schutzgedanke der sozialen Familie in Ehe und eingetragener Partnerschaft für das geborene Kind wegfallen, betonte Michaela Steinacker (ÖVP). Es sei wichtig, dass Kindern die Kenntnis über ihren biologischen Vater weitergegeben werde.
Ein Entwurf für das Ei- und Samenspendenregister werde im Frühjahr aufgelegt, es werde auch eine Eintragungsmöglichkeit für Zeugungen mit Samenspenden bei nicht-medizinisch unterstützter Fortpflanzung geben. Gudrun Kugler (ÖVP) ergänzte: Positiv aus ihrer Sicht sei, dass in diesem Gesetz am Begriff Vater festgehalten werde, was nicht in allen Ländern gemacht werde. Zudem sei es positiv, dass es einen Konsens aller Parteien zum Verbot der Leihmutterschaft gebe, dies gehöre ebenfalls zu diesem Themenkomplex. Und drittens halte sie es für positiv, dass ein Ei- und Samenzellenspenderregister beim Gesundheitsminister beauftragt werde, welches betroffenen Jugendlichen ab 14 Jahren Auskunft über die leiblichen Eltern geben werde.
Elternteil ist die Person, die das Kind anerkannt habe und zwar völlig unabhängig vom Geschlecht und unabhängig davon, wie das Kind gezeugt wurde.
Man habe geschafft, dass homosexuelle und heterosexuelle Ehen im Abstammungsrecht nun endlich gleichgestellt sind, sagte Justizministerin Alma Zadić. Es werde automatisch jene Person zweiter Elternteil, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter in Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebe. Elternteil sei ausserdem die Person, die das Kind anerkannt habe und zwar völlig unabhängig vom Geschlecht und unabhängig davon wie das Kind gezeugt wurde. Gleichgeschlechtliche Paare können somit unter denselben Bedingungen Kinder anerkennen, wie es heterosexuelle Paare schon bisher konnten, so Zadić.
Yannick Shetty (NEOS) kritisierte, dass die FPÖ bei diesem Gesetz als einzige Partei nicht mitstimme, weil sie ein enges Weltbild von «Vater, Mutter, Kind» habe. Die FPÖ repräsentiere mit diesem Weltbild «mehr als 90 Prozent der Bürger*innen» in diesem Land, da diese in einem «genau solchen System», der Familie, leben würden, entgegnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ).
Die LGBTIQ-Community in Österreich bestehe aus mehr als 900*000 Menschen, sagte der LGBTIQ-Sprecher der SPÖ, Mario Lindner. Dies sei mehr, als Vorarlberg Einwohner*innen habe, mehr als Tirol, mehr als Salzburg, mehr als Kärnten, mehr als das Burgenland. Und diese 900’000 Menschen seien Familie, so Lindner.
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