Ob echt oder nicht: Der Kalender der schönen Priester
Einblicke in die 20-jährige Geschichte
Offiziell heisst er «Calendario Romano», aber in Rom kennt ihn jede*r als Kalender der schönen Priester. Zum 20-jährigen Bestehen kommt nun heraus, was die meisten geahnt haben: Der Mann auf dem Deckblatt ist gar kein Geistlicher.
Von: Christoph Sator, dpa
Der Mann ist jetzt, in den letzten Wochen des Jahres, wieder eines der bekanntesten Gesichter der Ewigen Stadt. In den Andenkenläden und Souvenirshops rund um den Vatikan hängt gerade überall der neue «Calendario Romano» für 2024.
Vom Deckblatt lächelt wie all die Jahre zuvor derselbe junge Mann mit Kollar und in Soutane, ein überaus freundliches Gesicht der römisch-katholischen Kirche. Das schwarze Gewand mit weissem Stehkragen ist hier praktisch die Alltagskleidung für Geistliche. Nur sind die Herren gewöhnlich etwas älter und schauen nicht immer ganz so zufrieden drein.
Der «Römische Kalender» erschien erstmals 2004. Nach dem Deckblatt gibt es Monat für Monat einen anderen Mann in Kirchenkleidung zu entdecken, allesamt ähnlich jung und ähnlich attraktiv. Im Lauf der Jahre hat sich das Druckwerk zu einem der meistverkauften Mitbringsel aus der italienischen Hauptstadt entwickelt. Inzwischen hängt es auf allen Kontinenten. Das hat wohl weniger damit zu tun, dass der Kalender auch praktische Informationen über den Vatikan vermittelt wie die Namen der verschiedenen Päpste von Petrus bis Franziskus oder die Öffnungszeiten der dortigen Apotheke.
Grund für den Verkaufserfolg dürfte eher sein, dass die Monatsmänner gern mit subtiler Erotik ins Bild gesetzt sind. Ältere Tourist*innen fühlen sich an die Fernsehserie «Die Dornenvögel» mit Richard Chamberlain erinnert, der einen Priester spielte, der eine Frau noch ein bisschen mehr liebt als seinen Gott. Auch bei Schwulen ist der Kalender beliebt. Jedenfalls nennt ihn kaum jemand beim richtigen Namen. Besser bekannt ist er als Kalender der schönen Priester oder der «Preti Pin-Up» («Pin-Up-Pfarrer»).
Zum 20-jährigen Bestehen kam jedoch heraus, dass der bislang anonyme Mann auf dem Titel überhaupt kein Kleriker ist – und auch nie einer war. In Wahrheit handelt es sich um einen Sizilianer namens Giovanni Galizia, der heute als Steward bei einer spanischen Fluggesellschaft arbeitet. Als das Foto aufgenommen wurde, vor einer Kirche in Palermo – nicht in Rom -, war Galizia 17. Inzwischen ist er 37.
Damals stand Galizia Modell für einen befreundeten Hobby-Fotografen aus Venedig, Piero Pazzi. Dessen Idee war, italienische Städte mit ihren klassischen Charakteren zu fotografieren: Venedig mit Gondolieri, Rom mit Priestern. «Ich hätte nie gedacht, dass das Foto auch nach 20 Jahren noch in Umlauf ist», erzählte Galizia soeben der Zeitung El País. Ein schlechtes Gewissen, weil er sich als Priester ausgab? Keineswegs. «Ich habe nichts Schlimmes getan. Ich habe nur für eine Aufnahme posiert, mehr nicht.»
Ich hätte nie gedacht, dass das Foto auch nach 20 Jahren noch in Umlauf ist
Tatsächlich ahnten viele wohl schon von Anfang an, dass in dem Kalender nicht alles ist wie es scheint. Bereits vor einigen Jahren kam heraus, dass es sich beim «März-Priester» – ein Mann in vollem Ornat – um einen Immobilienmakler aus Spanien handelt. Auch bei dem Mann auf dem Titel hatten viele Zweifel. Zwischenzeitlich kursierten Gerüchte, er habe dem Zölibat entsagt und geheiratet oder er sei an Drogen gestorben. Galizia geht es gut. Manche Priester sind aber auch echt: Der «August» beispielsweise, ein Pfarrer aus Polen.
Der Vatikan hatte bislang all die Jahre nichts gegen den «Calendario Romano» einzuwenden. Vonseiten der Kirche wird allenfalls betont, dass es sich um eine «individuelle Initiative» handele. Acht Euro kostet der Kalender aktuell. Jahr für Jahr gehen in Rom davon Zehntausende weg, stets in Plastik eingeschweisst. Der Besitzer eines Souvenirstands mit Petersdom-Blick sagt: «Die Kalender mit dem aktuellen Papst verkaufen sich am besten. Aber die schönen Priester sind ein Dauerbrenner.»
Die Geschäfte laufen jedenfalls so gut, dass Kalendermacher Pazzi keinesfalls ans Aufhören denkt. Auch fürs «Heilige Jahr» 2025, wenn besonders viele Besucher in Rom erwartet werden, will er wieder einen herausbringen. Inzwischen gibt es den «Calendario Romano» auch im Internet. Im Prinzip blieb er über all die Jahre unverändert, was man beispielsweise an der Frisurenmode sieht. Manchmal bekommt der Fotograf sogar Anfragen von echten Priestern, die gern dabei wären: Der «August-Priester» aus Polen hat es so in den Kalender geschafft.
Angesichts des grossen Erfolgs mit den Priestern – ob echt oder nicht – hatte sich Pazzi zwischenzeitlich auch einmal an einem Kalender mit Nonnen versucht. Die Frauen-Ausgabe verkaufte sich aber nicht besonders gut. Das Experiment war dann gleich wieder vorbei.
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