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Missbrauch in Spaniens Kirche – Hunderttausende Fälle befürchtet

Eine umfassende Untersuchung sei nicht nötig, fand die Bischofskonferenz

katholische kirche
Miguel Hurtado, der seine Erfahrungen mit dem Missbrauch in einem Kloster im Nordosten Spaniens offengelegt hat, vor dem Parlament (Foto: Manu Fernandez/AP/dpa)

Seit Journalist*innen einen Bericht zu Missbrauchsfällen veröffentlicht haben, steht die katholische Kirche in Spanien unter Beschuss. Da die Bischöfe kaum an einer Aufarbeitung interessiert sind, hat das Parlament interveniert.

von Camilla Landbø

Seit Wochen wird in Spanien über Missbrauchsfälle in kirchlichen Institutionen berichtet. Den Stein ins Rollen brachten Journalist*innen der Tageszeitung El Pais. Sie hatten seit 2018 im Umfeld der Kirche recherchiert und mit Missbrauchsopfern geredet, dabei Fall für Fall aufgezeichnet (MANNSCHAFT berichtete).

Miguel Hurtado war einer der ersten, der über seiner Erfahrungen sprach. Der heute 39-Jährige sagt, er wurde im Alter von 16 Jahren von einem Benediktinermönch aus der Abtei Montserrat in Katalonien sexuell missbraucht. «Das Schlimmste waren für mich nicht die Missbräuche, sondern die Kirche, die sie vertuschte», sagte er gegenüber Reuters. Der 50 Jahre ältere Geistliche habe seine Genitalien unter dem Vorwand berührt, ihm zu sagen, dass die Masturbation falsch sei, und versuchte, ihn mit der Zunge zu küssen.


Letzten Dezember veröffentlichten die Journalist*innen nicht nur die Ergebnisse, sondern überreichten sie auch Papst Franziskus in Form eines 385-seitigen Berichts. Darin wird 251 katholischen Priestern, Ordensleuten und Kirchenmitarbeitern vorgeworfen, sich an Minderjährigen vergangen zu haben. Der älteste Übergriff stammt von 1943, der jüngste von 2018. Nachdem Franziskus den Bericht gelesen hatte, beauftragte er die spanische Bischofskonferenz mit der Aufarbeitung der Fälle.

Eine umfassende Untersuchung sei nicht nötig, hiess es von Seiten der Bischofskonferenz, die Kirche verfolge einen «dezentralen Ansatz». Es handle sich ohnehin um «ganz wenige» Fälle, die jeder Orden für sich aufarbeiten müsse, und dies nur dann, wenn der zuständige Bischof es als notwendig erachte. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz wies darauf hin, dass man doch an die Opfer denken solle, die hätten eine «personalisierte» Aufarbeitung verdient, «statt mit einer unabhängigen Kommission Zahlen oder Schätzungen ans Licht zu zerren, von einem Problem der Vergangenheit». Viele Spanier*innen waren empört über diese Aussagen.

Parlament schafft eine von der Kirche unabhängige Untersuchungskommission
Seit der fehlende Aufklärungswillen der Bischöfe offensichtlich ist, protestieren sogar christliche Gruppierungen, und immer mehr Opfer brechen ihr Schweigen. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez versprach Anfangs Februar, alles zu tun, um die Fälle von Missbrauch aufzuklären. In der gleichen Woche schaltete sich das Parlament ein, entschied, eine von der Kirche unabhängige Untersuchungskommission zu schaffen. Parallel forderte die Generalstaatsanwaltschaft die Unterlagen aller laufenden Missbrauchsverfahren im kirchlichen Milieu aus ganz Spanien an.


Wieso dauerte es so lange im Vergleich zu anderen Ländern, bis Spanien die Missbrauchsfälle in der Kirche untersucht? In Frankreich veröffentlichten letzten Oktober nach langjährigen Untersuchungen Experten ihre Ergebnisse: Seit 1950 wurden in der katholischen Kirche bis zu 330.000 Minderjährige sexuell missbraucht. Eine solch hohe Zahl befürchten auch die spanischen Bischöfe – deswegen dauert es so lange.

Eine ZDF-Reportage nimmt drei Schicksale aus Deutschland genauer unter die Lupe und erzählt die Geschichten von Menschen, deren Leben schon früh erschüttert wurde, die sich heute aber öffentlich zur Wehr setzen und sich darüber hinaus engagiert auch für andere Missbrauchsopfer einsetzen (MANNSCHAFT berichtete).


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