Mavi Phoenix: «Bei keinem Menschen sagt das Geschlecht alles aus»
Der Rapper meldet sich zurück mit neuem Album und neuer Stimme
Nach einer kurzen Auszeit meldet sich der österreichische Rapper Mavi Phoenix mit «Marlon» zurück. Das zweite Album soll den Start ins neue Leben nach der Transition symbolisieren.
Mavi, wie ist dein Album «Marlon» entstanden? Nach meinem ersten Album begann ich mit der Hormontherapie und verabschiedete mich ein Jahr lang von Social Media. So konnte ich mich voll auf die Transition und auf meine Musik konzentrieren. Auf dem neuen Album entdecke ich die Gitarre neu für mich und verarbeite meine neue Stimme. «Marlon» steht für einen sehr spezifischen Moment: Der Moment, in dem ich wirklich zu Marlon wurde – körperlich und mental. Auf meinem ersten Album sprach bereits übers Transsein, aber dieses Album ist mein erstes Album als Marlon, mein erstes Album als Mann.
Wie wirkte sich die Hormontherapie auf deine Stimme aus? Sie wurde viel tiefer. Da es mir früher sehr viel Spass machte, hohe Töne zu singen, begegnete ich meiner neuen Stimme mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Meine Freude an meiner tiefen Stimme löste viel Hoffnung in mir aus, die ich auch in die Lieder verpackte. Ich verwendete nicht einmal Autotune – so stolz bin ich auf meine Stimme!
Musstest du gesangstechnisch etwas umlernen? Ich nahm Gesangsstunden. Am Anfang traf ich die Töne nicht und musste das neu lernen. Die Stimmbänder wurden dicker und das Gehirn musste entsprechend neu trainiert werden. Mir wurde erst dann bewusst, dass ich früher richtig gut singen konnte und es nie richtig wertschätzte.
Wie steht es um die Sichtbarkeit von trans Männern im Hip-Hop? Auf einmal stellte ich fest, dass mir auf Instagram viele trans Jungs folgen. Sie freuen sich, dass sie jemand repräsentiert. In Österreich kenne ich keine offenen trans Männer, die Musik machen. Es gibt sie bestimmt, aber ich kenne keine. Manchmal ist es schwierig, da ich keine Vorbilder habe. Ich lasse eine Karriere jetzt hinter mir und beginne eine neue. Es ist voll spannend — es ist mein Weg.
Ich habe das Gefühl, dass ich in Fallen tappe, weil ich im Vergleich zu cis Männern wenig Selbstbewusstsein habe.
Im Hip-Hop geht es oft um Männlichkeit. Identifizierst du in dir toxische Maskulinität? Leider schon. Ich habe das Gefühl, dass ich noch mehr in solche Fallen tappe, weil ich im Vergleich zu cis Männern wenig Selbstbewusstsein habe. Ich versuche, das zu kompensieren und möchte voll männlich sein. Bei toxischen Gedanken versuche ich zu reflektieren. Ein Beispiel: Wenn ich mit Freund*innen Bubble-Tea trinken gehe, gibt es so einen «Pink Lady»-Drink – der ist halt der Beste. Dann denke ich: «Scheisse, soll ich den kaufen?» Dann sage ich mir: «Ja klar, das ist ein fucking Drink: Der hat kein Geschlecht».
Du dokumentierst musikalisch deinen Prozess als trans Mann. Seit meinem öffentlichen Coming-out teile ich vieles mit den Leuten. Ich habe mich sehr verstanden und unterstützt gefühlt, von meinen Fans. Deshalb dokumentiere ich alles: So fühle ich mich integriert. Es gibt natürlich Leute, die damit nicht klar kommen und verletzende Kommentare schreiben. Interessanterweise oft von Frauen, die TERF sind. Es gibt Leute, die denken, ich würde meine Weiblichkeit verstossen. Diese Leute verstehen das Wort Transgender nicht: ich bin keine Frau, ich bin ein Mann.
Für welchen Moment steht das Album «Marlon»? Das Album «Marlon» steht für einen sehr spezifischen Moment. Es ist der Moment, wo ich wirklich zu Marlon wurde — körperlich und mental. Im Album davor habe ich auch über das Transsein gesprochen. Dieses Album ist mein erstes Album als Marlon, mein erstes als Mann. Es ist der Grundstein für alles was noch kommt und der Beginn einer neuen Karriere. Ich freue mich total auf alles, was noch kommt.
Kann man sagen, dass der Prozess fertig ist? Es werden noch kleine Veränderungen passieren. Grundsätzlich ist niemand fertig. Ich werde mich immer weiter verändern. Der Prozess zum trans Mann ist abgeschlossen — ich möchte nicht im nächsten Album wieder darüber schreiben.
Du erhältst aber ständig Fragen zu deiner trans Identität. Einerseits ist es schön, weil ich darüber sprechen kann. Andererseits ist es nicht meine ganze Identität. Bei keinem Menschen sagt das Geschlecht alles aus. Aber ich spreche gerne darüber. Die Leute müssen es noch ein bisschen hören.
Das fehlende Puzzleteil – Wie Epithesen trans Männern helfen. Dank Sofia Koskeridou, einer deutschen Epithetikerin mit ausgezeichnetem Ruf (MANNSCHAFT+)
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