Das war der MANNSCHAFT-Talk 2020
Diesmal ohne Saalpublikum, aber wieder mit spannenden Gästen
Am gestrigen Donnerstag meldete sich Moderator Kriss Rudolph mit dem MANNSCHAFT-Talk als Livestream aus dem BKA Theater. Mit den fünf Gästen gab es viel zu reden und viel zu feiern: Seit 30 Jahren ist Homosexualität laut WHO offiziell keine Krankheit mehr. Seit 15 Jahren feiern wir den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT). Und: Die MANNSCHAFT wird 10!
Der MANNSCHAFT-Talk musste diesmal im BKA Theater in Berlin ohne Saalpublikum als Stream über die Bühne. Michael Roth war der Erste, der es sich auf dem Sessel neben Moderator Kriss Rudolph bequem machte. Zwischen ihnen waren zwei Mikrophone und – cornabedingt – zwei Meter Abstand. Roth, der sich sogleich als grosser MANNSCHAFT-Fan outete, machte sich im Gespräch unter anderem Gedanken über das neue ILGA-Ranking. In der jährlichen LGBTIQ-Rangliste liegt Deutschland nur auf dem 16. Platz (MANNSCHAFT berichtete).
Michael Roth: “Man muss verfolgten Schwulen helfen!”
Gleichstellung statt Gleichberechtigung Der Staatsminister für Europa sagt, dass andere Länder vor Deutschland sind, weil es nicht nur um Gleichberechtigung, sondern auch um Gleichstellung gehe. «Länder wie Schweden und Finnland haben über viele Jahrzehnte eine Kultur der Liberalität, Offenheit und Vielfalt gelebt.» Dass es in Deutschland noch Defizite gebe, sähe man auch an der schockierenden Tatsache, dass es selbst in Städten wie Berlin zu homophober Gewalt komme.
Roth ist überzeugt: Die EU wird im Fall von Polen die Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen auf die Dauer nicht durchgehen lassen. Ginge es nach ihm, so sollte die EU eine systematische Verletzung der Grundrechte mit finanziellen Kürzungen bestrafen. «Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man einerseits permanent die EU schlecht macht, aber gleichzeitig öffentliche Investitionen aus der EU-Kasse finanziert.»
Mit dem Zweiten sieht man queerer Jenny Luca Renner gab im MANNSCHAFT-Talk rare Einblicke in die Arbeit des ZDF-Fernsehrates, dem sie seit 2016 angehört. Im 60-köpfigen Gremium vertritt sie den LSVD-Thüringen und versucht, mehr Vielfalt ins Programm zu bringen. Ein Prozess, der nach und nach passiere.
Renner sieht bereits Fortschritte. Wenn Claus Kleber im heute-journal neuerdings am Gendern ist beispielsweise. Oder wenn in einer Folge des «Bergdoktors» ein trans Kind vorkommt. Dass solche Inhalte dort eingebaut werden, wo noch keine Sensibilisierung stattgefunden hat, sei Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. «Und dass mir das viel zu langsam geht, ist völlig klar.»
«So, dat bin icke» Auch wenn die Wiedervereinigung viel Positives bewirkt hatte – für trans Menschen war es ein Rückschritt. So berichtete es die in Ostberlin aufgewachsene Trans-Aktivistin Nadja Schallenberg. In der DDR hatte sie keinerlei Diskriminierung erfahren, nach der Wiedervereinigung wurde sie jedoch Opfer einer transphoben Gewalttat. Auch die neuen Gesetze machten ihr das Leben schwer.
Den Eltern erklärte sie ihren Werdegang und ihre politische Arbeit mit einem «Coming-out-Album». Darin fanden sich unter anderem diverse Zeitungsartikel von und über Schallenberg. «So, dat bin icke», habe sie damals zu ihnen gesagt. Heute ist das Album ein Exponat in dem mittlerweile wieder geöffneten Schwulen Museum Berlin.
Synchronisieren und nicht verrückt werden Die Stimme des vierten Talkgastes kennen viele, ohne es zu wissen. Marcel Mann ist nämlich nicht nur Comedian, sondern auch Synchronsprecher. Eine Arbeit, der er sich während der Corona-Krise intensiver widmen möchte, da seine Comedy-Auftritte natürlich wegfallen. Vermehrt synchronisieren und nicht verrückt werden – das ist sein Vorsatz für die nächsten Wochen und Monate. «Ich versuche, irgendwie optimistisch an die Sache ranzugehen, ohne jemandem meinen Optimismus aufzuzwingen.»
Im MANNSCHAFT-Talk mit Kriss Rudolph schilderte Marcel Mann nochmals das Erlebnis, das auch bei uns Schlagzeilen machte: Er wurde einst als Moderator einer Kindersendung abgelehnt, weil er «zu schwul» sei. Homophobie ist auch ein Thema, das Marcel Mann in seiner Kolumne behandelt. Der Comedian und Moderator «mannstruiert» jetzt nämlich für uns monatlich.
Autobiografische Klänge Wir gönnten uns auch tolle Musik von MKSM, den viele noch mit Vokalen als Maksim kennen. Im MANNSCHAFT-Talk verriet der Komponist und Geiger, dass sein neuer Song «Sirens» sehr persönlich und autobiografisch sei.
Es gehe dabei um die Zeit, als seine Mutter Probleme hatte, Maksims Mann zu akzeptieren. Zum Abschluss interpretierte MKSM den Song «Original Self – Enough is Enough». Für diese Pride-Hymne erhielt er 2018 den «Song of the Year»-Award.
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