«Man setzt die Puppy-Maske auf, schaltet den Alltag aus»
Drei junge Männer über ihre Vorfreude auf Folsom
In Berlin fand im September wieder das Folsom-Strassenfest statt: der Höhepunkt der Folsom Europe Woche, einem von Europas grössten Fetisch-Events. Robert, Moritz und Erik nehmen daran teil. MANNSCHAFT+ hat mit ihnen über ihre Vorfreude, ihre Erwartungen und Erfahrungen gesprochen.
«Man sucht sich seine besten Outfits raus, je nachdem, was man vorhat», sagt Robert, 28, aus Düsseldorf, als er seinen Koffer für Folsom packt. Je nach eigenen Vorlieben kann das ziemlich viel Gepäck werden. Outfits etwa aus Leder und Gummi sowie viele Toys nehmen Kinkster einmal im Jahr mit nach Berlin.
Die Folsom Europe Woche findet seit 2004 regelmässig im September in Berlin statt. Bis Sonntag gibt es dort viele Veranstaltungen. Partys in Clubs und Bars, aber auch etwa Fessel-Workshops und ein Klassikkonzert im Fetischoutfit. Den Höhepunkt bildet das Strassenfest am Samstag in der Fuggerstrasse in Schöneberg. Laut Veranstaltern kamen beim ersten Fest 2003 noch 3.500 Besucher*innen. Für dieses Jahr werden aus der ganzen Welt etwa 25.000 Menschen erwartet.
Gerade diese Vielfalt aus Veranstaltungen, privaten Treffen, Shopping und dem Entdecken von immer Neuem macht für die meisten den Reiz von Folsom aus. Letztlich ist aber wohl vor allem das Zusammenkommen das Schönste für viele der Besucher*innen – besonders nach Corona. «Wenn man zur Minderheit in der Minderheit gehört, ist es ein tolles Gefühl, wenn anstatt einiger weniger ‚Freaks‘ plötzlich ganz viele Leute zusammenkommen», sagt Robert. „Das stärkt das Selbstbewusstsein. Wir sind viele und man bekommt ein Gefühl der Freiheit. Man ist berauscht von den Erlebnissen.“
Ein wichtiger Teil des Kinkster-Lebens findet über Apps und Social Media statt. Doch solche Veranstaltungen im echten Leben seien viel spannender, findet Robert: «Man steht mit vielen Leuten vor einer Bar, und dich flirtet jemand an. Dann kommst du direkt ins Gespräch. Ich kenne ganz viele Kerle, die hätte ich aufgrund ihres Social-Media-Profils nie angeschrieben, aber in echt sind wir total auf einer Wellenlänge.» Wegen der Affenpocken ist Robert zwar vorsichtig, ist aber der Meinung, dass die Community hierüber gut aufkläre. Zudem geht er davon aus, dass viele Teilnehmende ohnehin mindestens einmal geimpft seien.
Seine ersten Fetischerfahrungen hatte Robert mit Sportswear. Immer wenn er ein Kleidungsstück aus Synthetik angefasst hat, kam bei ihm so ein «Kribbeln», wie er es beschreibt. In die Fetisch-Szene geriet er eher durch Zufall. Weil ihn «brave Pop-Partys» langweilten, sei er spontan auf eine Fetischparty gegangen. Ganz aus dem Gefühl heraus: «Ich mache jetzt mal was Verrücktes». Dort habe er zum ersten Mal jemanden berühren dürfen, der ein Gummioutfit trug: «Das war eine Initialzündung!», sagt Robert rückblickend. Daraufhin begann er, sich selbst Gummi- und Lederkleidung zu kaufen.
Für Robert ist es der dritte Folsom-Besuch. Seinen ersten hatte er 2019. An manches musste er, der in einer Kleinstadt bei Köln aufgewachsen ist, sich bei seinem ersten Folsom aber auch erst gewöhnen. «Wenn man nach Berlin kommt und zum ersten Mal in den Clubs feiern geht, dann ist das schon überfordernd. Da laufen so viele souveräne Kerle rum, wo man anfangs denkt: so kann ich nie sein.» Bei seinem ersten Mal bei Folsom war er noch wesentlich aufgeregter, hatte Angst irgendetwas zu verpassen. «Jetzt merke ich, dass ich es mehr geniessen kann.»
Auch für Moritz, 30, aus Bremen ist Folsom in diesem Jahr wieder eine gute Gelegenheit, alte Freunde wiederzusehen. Aber er nimmt nicht nur an den offiziellen Veranstaltungen des Folsom teil. «Wir haben von Mittwoch bis Sonntag eine grössere Fetisch-Location gemietet. Wir haben die Räume für uns, es ist alles safe und alle kennen sich. Dadurch wird es entspannter und intensiver.»
Seine Fetische hat er bereits in seiner Jugend entdeckt. «Ich habe als Jugendlicher schon früh ausprobiert, welche Werkzeuge aus Papas Werkzeugkasten sich für Nipple-Play eignen. Oder mit Dingen gespielt, die sonst so im Haushalt zu finden waren.» Für Moritz ist besonders der längere Zeitraum des Events von fünf Tagen entscheidend. «Da ich am Mittwoch schon hingefahren bin, ist es eine besonders lange Zeit und da kann sich auch mehr entwickeln.» Umso mehr könne er hinterher von all den Begegnungen und Erfahrungen mitnehmen. Er freut sich auf «die sehr intensiven Momente, die man mit Personen haben wird. Es ist eine gute Gelegenheit, zu experimentieren, und zu sehen, was andere Leute machen.»
Erik, 21, aus Karlsruhe ist das erste Mal während der Folsom-Woche in Berlin. Voller Vorfreude kann er es kaum erwarten, seine «Kinks und Fetische dort nach aussen hin präsentieren und ausleben zu können.» Auf einigen ähnlichen Veranstaltungen ist er bisher schon gewesen. Diese Erfahrungen hätten ihn zum Positiven verändert, wie er sagt: «Dadurch dass ich meinen Fetisch dort ausleben und mich mit anderen darüber austauschen kann, bin ich viel offener und selbstbewusster geworden.»
Erste Fetisch-Erfahrungen sammelte Erik bereits in frühen Kindertagen. Immer wenn er etwas Glattes und Glänzendes berührte, überkam ihn ein aufregendes Gefühl. So erging es ihm mit seiner Regenjacke, bei Gummihandschuhen oder Gummistiefeln. «Natürlich fand ich das als Kind nicht sexuell erregend und ich konnte das Gefühl auch nicht zuordnen. Ich fand einfach, dass sich das Material unglaublich gut auf der Haut anfühlt,» meint Erik. Als er in seiner Pubertät einen Mann in einem hautengen Gummianzug gesehen hatte, wollte er dieses Gefühl auch gerne mal erleben. «Erst letztes Jahr hatte ich dann die Gelegenheit, bei einem Freund einmal Kleidung aus Latex anzuprobieren und ich war sofort verliebt. Dann ging eigentlich alles ganz schnell. Heute ist mein Kleiderschrank schon halb voll mit Fetisch-Sachen.»
Ähnlich aufregend ist für Erik auch das Gefühl, gefesselt zu sein. Das erste Mal erlebte er es in der Schule, als er von anderen Kindern an einen Baum gebunden wurde. «Ich konnte mich nicht alleine befreien und hatte somit auch keinerlei Kontrolle mehr über meinen Körper.» Rückblickend auf viele weitere ähnliche Erfahrungen sagt er: «Gefesselt zu sein, die Kontrolle über seinen Körper abzugeben, an seine Limits gebracht zu werden im Spiel zwischen Lust und Schmerz – das ist einfach unvergleichlich.»
Erik ist auch oft mit seiner Puppy-Maske unterwegs. Ihn interessieren daran vor allem der soziale Aspekt und das Eintauchen in eine andere Welt. «Man setzt die Puppy-Maske auf, schaltet den Alltag aus, vergisst all den Stress und alles, was einen belastet. Man kommt runter, oder spielt und tobt mit anderen Puppies und hat einfach eine unbeschwerte Zeit »
In Berlin hat Erik sich vorgenommen, am «Puppy-Walk» teilzunehmen. Sonst lässt er das Folsom-Wochenende auf sich zukommen und will sich von den Eindrücken dort mitreissen lassen. Er freut sich darauf, in seinem Gummi-Anzug und mit Puppy-Maske unterwegs zu sein: «Es ist wirklich ein unbeschreibliches Gefühl, damit auf die Strasse zu gehen.»
«Puppy Play» ist ganz normaler schwuler Sex, aber mit Hundemaske. Lukas aus Bern erzählt von seinem Fetisch (MANNSCHAFT+).
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