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Liebe zu dritt: «Spannender, aber nicht gerade einfacher»

«Trärchen» statt Pärchen in der Steiermark

Polyamorie
Liebe zu dritt (Foto: VOX)

Marcel, Marco und Michel sind seit acht Jahren gemeinsam in einer Beziehung, im Sommer 2021 haben sie im Rahmen einer freien Trauung auch geheiratet. Auf Social Media nehmen sie ihre Follower*innen auf ihrem Kanal «Die Mätzchen» mit durch ihren gemeinsamen Alltag.

Von Marvin Wittiber

Alles easy, alles leicht? Für Marcel Matz, Marco Matz und Michel Schaberreiter aus der Steiermark in Österreich definitiv nicht immer: Die drei Männer sind seit acht Jahren zusammen und bilden ein sogenanntes Trärchen. Damit leben sie ein Beziehungsmodell abseits der gängigen Norm: Sie sind polyamöros. «Zu dritt zu leben, macht das Leben spannender, aber nicht gerade einfacher», räumte Marco im Nachtcafé des SWR ein.

Polyamorie – oder auch Mehrfachbeziehungen genannt – bedeutet, mit mehreren Menschen gleichzeitig Liebesbeziehungen einzugehen. Und das in vollem Wissen und mit der Zustimmung aller Partner*innen. Im Unterschied zur Polygamie führen die Partner*innen auch untereinander Liebesbeziehungen. Der Fokus liegt dabei nicht ausschliesslich auf der sexuellen Beziehung, sondern ebenso auf der emotionalen Ebene. Der Partner wird nicht als Besitz betrachtet, sondern als eine Person, die frei entscheiden kann, mit wem sie noch andere Beziehungen eingehen will. Werte wie Freiheit, Gleichheit, Treue, Besitzanspruch, Transparenz und Ehrlichkeit haben andere Bedeutungen als in monogamen Beziehungen. Das Ziel ist, persönliche Bedürfnisse offen zu kommunizieren und einen gemeinsamen Konsens zwischen allen beteiligten Partner*innen zu erzielen.


Damit haben Marcel, Marco und Michel quasi drei Liebesbeziehungen in einer: Jeder hat eine Beziehung zu den anderen beiden Partnern und eben die gemeinsame Dreierbeziehung. Dabei leben sie geschlossen polyamorös: Das bedeutet, dass Sex nur mit den Beziehungsmitgliedern erlaubt ist – zu dritt wie eben auch mal zu zweit.

Gestartet ist ihre Partnerschaft als Zweierbeziehung zwischen Marcel und Marco. 2011 haben sie sich kennengelernt, sind ein Jahr später eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Zunächst lebten sie monogam. Eifersucht war ein dominierendes Thema in ihrer Beziehung – vor allem Marco litt sehr darunter, weil er in seiner vorherigen Beziehung betrogen wurde. «Eifersucht ist nicht wertschätzend. Das bringt der Beziehung im Endeffekt nichts ausser Misstrauen», sagte Marco bei «Britt. Der Talk».

Wir kannten und konnten Polyamorie am Anfang auch nicht.

In Folge einer Ehekrise mit drohender Scheidung öffneten sie die Beziehung schliesslich und holten einen dritten Mann mit ins Bett. Nach dem zweiten Versuch gaben sie es dann aber wieder auf. Die anhaltende Krise löste sich dadurch nicht. Dann lernten sie 2016 Michel kennen – parallel in separaten Chats auf Facebook. Beide sprachen miteinander über ihr gemeinsames Interesse an Michel. Dann dateten sie sich zu dritt. Für Michel war es «Liebe auf den ersten Blick», wie er heute resümiert. Sie wurden schliesslich ein «Trärchen».


«Wir kannten und konnten Polyamorie am Anfang auch nicht. Das war ein Lernprozess», erzählten sie bei «Britt. Der Talk». Es folgte am 1. Januar 2017 die Verlobung. Im Juli 2022 gaben sie sich dann in einer freien Trauung das Ja-Wort. Die hat rechtlich gesehen zwar keine Grundlage, «aber der symbolische Wert zählt».

Denn die Ehe von mehreren Personen ist in Österreich – wie auch in der Schweiz und Deutschland – nicht erlaubt. (In Kolumbien gaben sich vor ein paar Jahren bereits drei Männer das Ja-Wort – laut lokalen Medien die erste solche Ehe in dem Land – MANNSCHAFT berichtete) Die österreichische Gesetzgebung erkennt nur monogame Ehen an, in denen eine Person zur gleichen Zeit nur mit einer anderen Person verheiratet sein darf.


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Nach Schätzungen des Sozialwissenschaftlers Stefan Osmann, der zum Thema Polyamorie am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien forscht, sind etwa 350.000 Menschen in Österreich polyamorös. Aber nur ein paar Tausend bekennen sich dazu. Repräsentative Umfragen zum Thema gibt es nicht. Umso wichtiger ist es, dass über Polyamorie gesprochen wird. Für die Akzeptanz von Polybeziehungen in Österreich ist dabei vor allem auch die Sichtbarkeit wichtig. Bislang fehlt es an in der Öffentlichkeit stehenden, geouteten Personen in Polybeziehungen. «Solange es diese Menschen nicht gibt, wird Polyamorie in der gesellschaftlichen Wahrnehmung immer ein Randthema bleiben», schlussfolgert Marcel laut Standard.

Heute leben die drei in ihren eigenen vier Wänden in Kalsdorf bei Graz. Die Rollenverteilung in ihrer Dreierbeziehung ist dabei klar verteilt: Marcel kümmert sich hauptsächlich um die finanziellen und geschäftlichen Angelegenheiten sowie das Staubsaugen, Marco um die Dekoration und Präsentation ihrer Wohnung samt aller Pflanzen und Michel ist der Koch der Familie und sorgt für die Verpflegung der Menschen wie Tiere in ihrem Haushalt. Eifersucht ist dabei – insbesondere für Marco – kein Problem (mehr): «Der Schlüssel ist reden», sagt Marco. Kommunikation und Vertrauen seien dabei unabdingbar. So böte sich die Möglichkeit, gemeinsam Wege zu finden, um mit Eifersucht konstruktiv umzugehen und die Beziehung zu stärken.

Unter dem Namen «Die Mätzchen» nehmen die drei auf ihrem Instagram- und TikTok-Kanal ihre Follower mit durch ihren Alltag. Gestartet haben sie damit 2021 während des Lockdowns. Seitdem informieren sie über Polyamorie und Ehe zu dritt. «Wir finden es wichtig, dass Polyamore mit ihrer Lebensweise an die Öffentlichkeit gehen», betonen die drei. Über 9.000 Follower*innen auf Instagram und fast 5.000 auf Tiktok folgen ihnen mittlerweile.


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In regelmässigen Live-Videos beantworten sie auch Fragen der Community und wollen vor allem zeigen, dass sie eine «ganz normale Beziehung» führen. Dabei stossen sie immer wieder auch auf Vorurteile und Diskriminierung. Das war auch im Familien- und Freundeskreis ein grosses Thema. Gerade für Michel war es sehr schwierig, sein engstes Umfeld einzuweihen. Gerade der Vater wollte es nicht wahrhaben, dieser hatte schon mit Michels Homosexualität nach dessen Coming-out zu kämpfen. Auch bei Marcel und Marco gab es Gegenwind: Einige Familienmitglieder erschienen erst gar nicht zur Trauung.

Seit einiger Zeit stossen die drei auch auf grosses Medieninteresse: Es folgten Fernsehauftritte, u. a. in «Britt. Der Talk», «Taxi, bitte», «Nachtcafé» und „Wo die Liebe hinfällt – Jedes Paar ist anders». Hier begleitete der deutsche Fernsehsender VOX sie bei ihrer freien Trauung und strahlte die Sendung vergangenes Jahr zur Primetime aus. Die weitere Familienplanung ist ein immer mal wieder Thema, der Kinderwunsch bei Marcel dabei am stärksten. Die rechtliche Situation würde es allerdings nicht erlauben, dass alle drei als gleichberechtigte Elternteile vor dem Gesetz gelten. Darum ist der Wunsch hintenangestellt, bis sich die rechtliche Situation verbessert: «Wir wollen uns als Familie zunächst rechtlich legitimieren lassen.» Der Staat und die Gesellschaft sollten diese Lebensform endlich anerkennen, forderten sie bei ihrem Besuch im SWR – dafür kämpfen die drei auch öffentlich und zeigen: Ja, sie machen Liebe zu dritt.

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