Lagerfeld und Liebe unter Jungs: Queere Lese-Tipps
So kommst du durch den Herbst
An Halloween gehen Kinder schaurig verkleidet von Tür zu Tür und sammeln Süssigkeiten. Man kann aber einfach nicht aufmachen und ein Buch lesen. Hier ein paar Tipps.
Stephan Lohse – Das Summen unter der Haut Siebzigerjahre. Es wird vom 14-jährigen Julle erzählt. Der ist schwul. Das weiss sonst keiner. Ausser seiner Schwester. Und vielleicht ahnt die Mutter was, die Mütter wissen ja immer alles. Da kommt eines Tages Axel in seine Klasse des Musikgymnasiums und für Julle beginnt eine neue Zeitrechnung, die Stunde Null beginnt, als er Axel das erste Mal sieht. Und er zählt die Stunden. 80 Stunden später ist Axel sein Freund. Axel wohnt in einer Gegend, die ärmlicher ist. In einer Strasse, die mit …ring endet. Sie gehen zusammen ins Freibad.
Nach 200 Stunden ist Julle in Axel verliebt, möglicherweise auch schon früher. Sie füttern Axels Kaninchen. Stromern durch den Wald und entdecken eine halbverbrannte Hütte. Aufregend. Geheimnisumwittert. Als Julle sich schliesslich versehentlich verplappert, ahnt er, dass nichts mehr so sein wird wie zuvor. Und dann ist Axel nach 744 Stunden plötzlich verschwunden.
Wir finden: In seinem neuen Roman «Das Summen unter der Haut» erzählt Stephan Lohse leichtfüssig und anrührend von erster Liebe, Freundschaft, Glück und Schmerz, zwei Jungen und einem kurzen Sommer in den Siebzigerjahren.
Nicht nur ein bewegender queerer Coming-of-Age-Roman, vielmehr ist es eine Geschichte über das Aufwachsen in den Siebzigern. Mit Retrocharme und Sommerfeeling und einer Vergangenheit, wie sie vielleicht nie war, aber hätte sein sollen. Roman, Suhrkamp, 176 Seiten
Tiffany Cooper – Wirklich alles über Karl Lagerfeld Ein lebhaftes Porträt von Karl Lagerfeld, das die Höhen und Tiefen seines Lebens einfängt. Cooper nimmt uns mit auf eine Reise durch die Welt der Mode und enthüllt dabei nicht nur die glänzenden Momente, sondern auch die skurrilen Seiten dieses legendären Designers.
Wir finden: Was dieses Buch so besonders macht, ist der Ansatz von Cooper, die Persönlichkeit Lagerfelds in den Vordergrund zu stellen. Sie erzählt nicht nur von seinen bahnbrechenden Kollektionen, sondern auch von seinen exzentrischen Gewohnheiten, seiner künstlerischen Genialität und seines unverwechselbaren Stils. Sie hat es geschafft mit dieser illustrierten Biografie, das Erbe dieses legendären Designers auf humorvolle und zugängliche Weise zu würdigen. Karl Lagerfeld hat das Buch noch persönlich abgesegnet, bevor er im Februar 2019 verstarb. Comic-Biografie, Midas, 144 Seiten
Lion Christ – Sauhund München, 1983. Der junge Flori zieht vom Land in die Grossstadt und ist auf der Suche nach Ruhm und Liebe, vor allem jedoch nach sich selbst. Doch er ist mehr Antiheld als Held: ein Taugenichts und ein Opportunist – ein wahrer Sauhund.
Wir finden: Flori spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – rotzig und mit bayrischem Charme. Und genau mit dieser Stimme führt uns Lion Christ durch «Sauhund». Wir flüchten mit Flori vor seinen Eltern und seiner ersten Liebe Gregor, die alle trotz Biederkeit das Herz auf dem richtigen Fleck haben. Mal mehr, mal weniger nüchtern folgen wir Flori durch die Discos, Klappen und Ehebetten der Grossstadt. Selbst wenn man ob seiner Torheit und Selbstsucht den Kopf schütteln muss, steckt in Floris schwulem Erwachen etwas von uns allen. Lion Christ verfällt in diesem Coming-of-Age-Roman keinem der gängigen Aids-Klischees und lässt stattdessen das glitzrig-verruchte Treiben eines längst vergessenen Münchens wieder aufleben. Roman, Carl Hanser Verlag, 368 Seiten
Kat Leyh – Snapdragon In welches Regal? Zu den «Lumberjanes» (für die Kat Leyh übrigens Co-Autorin war), zu Nate Diana Stevensons «Nimona» oder «Bayou» von Jeremy Love and Patrick Morgan – also jenen Graphic Novels mit starken, kämpferischen Figuren, deren Queerness für die Geschichte wichtig ist, aber nicht extra thematisiert oder gar problematisiert wird.
Wie sieht es aus? Kühn, kritzelig, mutig, aus dem Handgelenk, temporeich, spontan und vor allem voller Leben – Kat Leyhs Zeichnungen passen perfekt zu der wilden und mitreissenden Geschichte und hauchen ihren wunderbar eigenständigen Figuren Leben ein. Hier mag ein Bein fehlen, dort ein Auge, glattgebügelt oder gephotoshoppt wird nichts und so erinnern die ausdrucksstarken Zeichnungen an Manu Larcenet oder die liebevollen Karikaturen einer Catherine Meurisse.
Um was geht es? Im Wald nahe von Snap(dragons) Zuhause lebt eine Hexe. Sie soll sich von überfahrenen Tieren und von Angst ernähren . . . Die vorpubertäre Snap glaubt nichts davon, denn sie und ihr*e Freund*in Louis wissen aus eigener Erfahrung, wie schnell sich Vorurteile und dumme Bemerkungen verbreiten.
Und dann rettet die im Wald lebende Jacks nicht nur Snaps geliebten Hund, nein, gemeinsam mit Snap übernimmt sie auch die Pflege eines verwaisten Rudel Opossum-Babys. Überhaupt ist Jacks sehr cool und . . . womöglich doch eine Hexe? Snap ist begeistert und will so viel wie möglich über Magie lernen. Dass sie dabei ein altes Familiengeheimnis lüftet und einer queeren Liebesgeschichte zur zweiten Chance verhilft – ist ein schöner Nebeneffekt.
Wie finden wir es? Absolut fantastisch! Snapdragon ist das queerere, positivere und farbenfrohere «Stranger Things». Eine mitreissende und spannende Geschichte, deren magischer Realismus nicht nur Kinder ab zehn (wie uns die Leseempfehlung verrät) begeistern dürfte.
Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Happy End für queere Figuren als Belohnung für vorangegangene Dramen und Tragödien bewegen sich in «Snapdragon» unterschiedlichste Lebens- und Liebesvarianten nebeneinander. Bewertet werden diese nicht. Die einzige Wertung besteht darin, wie respektvoll Menschen miteinander, mit Tieren und der Natur umgehen. Und davon sollten wir uns alle inspirieren lassen.
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