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Kniffliges Thema beim Deutschlernen: Wie gendern?

Seit Jahren wird diskutiert, wie die männlichen Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können

Mal sind es Lehrer*innen, mal SchülerInnen, dann wieder Manager_innen und Teilnehmer:innen. Beim Gendern im Deutschen gibt es keine klare Linie. Nicht mal die klare Ansage, dass es gemacht werden soll. Wie erklärt man das Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen? Von Marco Krefting, dpa

Gendern ist nichts für Anfänger, sagt Natascha Krüger. Erst in den höheren Deutsch-Kursen tauche inzwischen mal ein Gendersternchen auf, sagt die Dozentin an der Volkshochschule (VHS) Karlsruhe. «Sprachlich ist das das i-Tüpfelchen auf C1.» Wer dieses Sprachniveau erreicht hat, soll lange Texte und implizite Bedeutungen verstehen können und spontan fliessend reden. Ist also sehr weit.

Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, wie die männlichen Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden – um Frauen, aber auch etwa trans oder nicht-binäre Menschen einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei Lehrer*innen ist eine Möglichkeit. Manche setzen an die Stelle auch einen Doppelpunkt oder einen Unterstrich.

Krüger ist froh, dass das sogenannten Binnen-I inzwischen oft ersetzt werde. In gedruckten Texten wie den Unterrichtsmaterialien gleiche das grosse I einem kleinen L. Wörter wie KundInnen seien für Nicht-Muttersprachler daher schwer zu lesen, sagt die Lehrerin.


Die VHS nutzen laut Sprecherin Beatrice Winkler in der Regel die weibliche und die männliche Form zusammen – also Schülerinnen und Schüler – oder Partizipkonstruktionen wie Studierende. «Um es nicht noch schwerer zu machen, als es eh schon ist», sagt Winkler. Die Grammatik stecke schliesslich voller Tücken. Und gerade feminine Formen seien schwieriger, ergänzt Krüger. «Da muss man es nicht noch komplizierter machen, als es für Nicht-Muttersprachler eh schon ist.» Zumal sich selbst die Deutschen nicht einig sind beim Gendern.

Für die Lernenden wären klare Regeln einfacher, sagt auch Dejan Perc, Vorsitzender des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg. Bei den verschiedenen Formen situativ die richtige zu wählen, sei kaum möglich, und ebenso wenig, das korrekt zu lernen. «Es wirft ja auch Fragen auf, wie Trennungsregeln aussehen. Steht da der Doppelpunkt am Ende einer Zeile und es geht mit innen weiter?»

Ein Thema, das eine ganze Branche betrifft, die sich mit Deutsch als Fremdsprache befasst. Das Goethe-Institut etwa macht die Details im Unterricht vom jeweiligen Sprachniveau abhängig: «Wir bereiten unsere Sprachkursteilnehmer*innen mit unserem Unterricht darauf vor, die tatsächlich in Deutschland verwendete Sprache zu verstehen», erklärt Sprecherin Viola Noll. Ab einem bestimmten Niveau gehörten dazu regionale oder fachsprachliche Eigenheiten sowie die verschiedenen Formen des Genderns. Das Lernen einer Fremdsprache sei immer komplex. «Unsere Erfahrung ist: Wer unregelmässige Verben gemeistert hat, der versteht auch schnell, was ein Gendersternchen bedeuten soll.»


Der Ernst Klett Sprachen Verlag aus Stuttgart achtet nach eigenen Angaben darauf, alle Personengruppen gendergerecht anzusprechen. Grundlage seien Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung und dessen Leitfaden zu gendergerechter Schreibung. «Da wir bei den Lehr- und Lernmedien besonders unsere fremdsprachlichen Zielgruppen berücksichtigen müssen, versuchen wir nicht laut lesbare Formen wie Unterstrich, Sternchen, Binnen-I oder Gender-Gap zu vermeiden, um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten», erläutert Sprecherin Adriana Akin. Die geschlechtergerechte Schreibung dürfe das Erlernen der geschriebenen deutschen Sprache keinesfalls zusätzlich erschweren.

Im Bildungsbereich sind wir bei der Verwendung von Formulierungen an die amtliche Rechtschreibung gebunden und können neue Schreibformen zur Bezeichnung von mehr als zwei Geschlechtern nicht nutzen

Ähnlich hält es der Cornelsen Verlag, der einen Leitfaden für einen gendersensiblen Sprachgebrauch in Cornelsen-Werken erstellt hat. «Im Bildungsbereich sind wir bei der Verwendung von Formulierungen an die amtliche Rechtschreibung gebunden und können neue Schreibformen zur Bezeichnung von mehr als zwei Geschlechtern nicht nutzen», erklärt Sprecher Sven Haedecke. In aktuellen Werken würden genderneutrale binäre Formulierungen genutzt: beispielsweise bei Arbeitsaufträgen, wenn die Lernenden direkt adressiert werden.

Bei Deutsch als Fremdsprache gehe es aber auch um das Vermitteln von Landeskunde. Daher werde in Texten gelegentlich die Formulierung für diverse Geschlechter – wie «m, w, d» in abgedruckten Stellenanzeigen – genutzt, um die derzeitige sprachliche Vielfalt zu verdeutlichen.

Ob Genderstern, Binnen-I oder Schrägstrich: Ein grosses Thema sei das bei den Deutschschülern und -schülerinnen eher selten, berichten die Befragten allesamt. Probleme scheint es also deswegen keine zu geben.

Es könne aber in Kursen durchaus ein Anlass sein, tiefer über damit verbundene Aspekte wie Gleichstellung zu sprechen, sagt Krüger. Gesprächswert habe zum Beispiel immer wieder, wenn im Buch ein Hausmann oder eine Müllfrau auftauche. Perc geht zudem davon aus, dass das Thema künftig eine grössere Rolle spielen wird: «Das scheint eine Generationenfrage zu sein.» Vielen jüngeren Menschen mit Migrationsgeschichte sei es wichtiger, mitgenannt zu werden, sagt er. «Es hat für sie einen hohen Stellenwert, dass Sprache diverser wird.»

Seit einem Jahr begrüsst Japan Airlines Passagier*innen mit genderneutralen Anreden. Es ist die neuste in einer Reihe von Änderungen bei der Airline (MANNSCHAFT berichtete). Zuvor hatte United bekannt gegeben, bei Ticketbuchungen eine dritte Option anzubieten (MANNSCHAFT berichtete).


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