Queere Paare hatten «Erfahrung von Angenommensein und Heilung»
Auf dem Ökumenischen Kirchentag zog man auch eine Bilanz von #Liebegewinnt
«Aha, es bewegt sich etwas»: Obwohl der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt fast nur digital stattfand, haben sich Katholik*innen und Protestant*innen ein Stück weit angenähert. Das gefällt in Rom nicht jedem. Von Eva Krafczyk und Christoph Driessen, dpa
Mit wechselseitigen Einladungen zum Abendmahl haben katholische und evangelische Christ*innen bei dem am Sonntag beendeten Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt «Zeichen der Einheit» gesetzt. So formulierte es der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing. In vier Präsenz-Gottesdiensten waren Katholiken eingeladen, am evangelischen Abendmahl teilzunehmen, während Protestanten umgekehrt die katholische Eucharistie mitfeiern konnten.
Der Kirchentag habe gezeigt, «wie viel mehr uns als Christen verbindet als uns trennt», sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag zum Abschluss des viertägigen Christentreffens, das coronabedingt überwiegend digital stattfand. Steinmeier ist selbst evangelischer Christ, während seine Frau Elke Büdenbender katholisch ist: Damit bilden sie die Realität in zahllosen interkonfessionellen Familien in Deutschland ab.
Obwohl die Frankfurter Gottesdienste nur als erster Schritt zu einem wirklichen gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten gewertet werden, wird auch diese Annäherung vom Vatikan schon kritisch gesehen. Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der fünf Jahre lang als Präfekt der Glaubenskongregation über die Reinheit der katholischen Lehre gewacht hat, sprach von einer Provokation. «Niemand kann eigenmächtig und nach eigenem Gusto die Gegensätze zwischen evangelisch-protestantischem und katholischem Glaubensbekenntnis für nebensächlich erklären oder ignorieren», teilte der frühere Bischof von Regensburg der Deutschen Presse-Agentur mit.
Die Äusserungen unterstreichen einmal mehr den Balanceakt, den der DBK-Vorsitzende Bätzing vollführen muss: Die grosse Mehrheit der Katholiken in Deutschland drängt auf schnelle Reformen, doch die römische Zentralverwaltung blockt ab. Sie legt grossen Wert darauf, das eigene Profil zu erhalten – auch im bewussten Gegensatz zur Kirche Martin Luthers.
Was Segnungen homosexueller Paare betrifft, hofft Bätzing, den Vatikan aber von der Notwendigkeit einer Liberalisierung überzeugen zu können (MANNSCHAFT berichtete). «Ich möchte, dass wir ihnen den Segen Gottes schenken», stellte der Limburger Bischof in Frankfurt klar. «Dann würden Menschen von aussen merken: Aha, es bewegt sich etwas in der Kirche.»
Wie brisant das Thema für die katholische Amtskirche ist, musste auch die evangelische Diakonin Eva Burgdorf feststellen, die beim Kirchentag das Podium «Schau hin, die trauen sich!» moderierte. «Wir haben ursprünglich geplant, auch Bischöfe einzuladen», antwortete sie auf eine Publikumsfrage. «Ich weiss jetzt nicht, wie viele wir angefragt haben – es hat sich keiner bereiterklärt, aufs Podium zu gehen.»
An der Basis ist man da schon weiter: Jens Ehebrecht-Zumsande, der zu den Initiator*innen der Aktion #Liebegewinnt mit Segnungen für homosexuelle Paare gehörte (MANNSCHAFT berichtete), berichtete auf dem Podium, dass es mehrheitlich die örtlichen Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte, vereinzelt auch Geistliche waren, die die Aktion unterstützt hätten. Viele heterosexuelle Gläubige seien «wirklich berührt» von den Segnungsfeiern gewesen, sagte er über die bisherige Resonanz. «Bei den queeren Paaren war viel die Rede von einer Erfahrung von Angenommensein und von Heilung.»
Doch auch die evangelische Kirche übt sich derzeit in Krisenbewältigung. Defizite bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs rücken auch hier verstärkt in den Vordergrund. Aktueller Anlass ist die Aussetzung des Betroffenbeirats für sexualisierte Gewalt nach innerkirchlichen Querelen. «Ich finde das wirklich ganz furchtbar schrecklich, dass das jetzt so erstmal gescheitert ist im ersten Anlauf», beteuerte der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns. Die Moderatorin Claudia Keller hielt ihm daraufhin vor: «Sie sind der Mächtige, Sie sind der Repräsentant der Kirche, Sie haben das Gremium aufgelöst!»
Corona war schuld daran, dass in Frankfurt vieles fehlte, was einen Kirchentag normalerweise ausmacht. Es war in den Worten von Kirchentagspräsident Thomas Sternberg ein Treffen «ohne gemeinsames Singen, ohne die vollen Busse, ohne gemeinsames Beten, Feiern, Diskutieren, Streiten, Sich Befreunden, Menschen kennenlernen – das macht doch eigentlich einen Kirchentag aus». Beim Katholikentag nächstes Jahr in Stuttgart soll das alles wieder so sein.
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