Homosexualität als Risikofaktor – wir verlosen 3 DVDs «Mario»
Der Schweizer Film erzählt eine fiktive Liebesgeschichte über zwei aufstrebende Fussballer
In der Schweiz ist «Mario» längst auf DVD erschienen, jetzt folgt endlich auch Deutschland. Teilnehmen können bei der Verlosung aber alle.
Als Regisseur Marcel Gisler im Jahr 2013 seine Idee bei deutschen Produktionsfirmen vorstellte, blitzte er ab. Mehrere Filme zum Thema seien bereits in Entwicklung. Gisler verlagerte seine Geschichte in die Schweiz und fand mit dem Berner Fussballclub YB schnell einen Verein, der für den Film nicht nur das Stade de Suisse zur Verfügung stellte, sondern auch seinen Namen, sein Logo und seine Trikots für die Geschichte hergab. Finanziert und umgesetzt wurde der Kinofilm «Mario» schliesslich dank der Unterstützung einer Vielzahl von Partnern und Sponsoren.
Wie in allen Bereichen, in denen es um viel Geld geht, wird Homosexualität als Risikofaktor verstanden. Das gilt in der Filmindustrie, besonders aber im Profifussball. In einer Branche, in der Topspieler für mehrere Millionen Euro den Club wechseln, wird der Mensch zum Produkt. Der Leistungsausweis eines Spielers, sein Erfahrungswert und seine körperliche und psychische Verfassung bestimmen seinen Marktwert, aber auch potenzielle Risikofaktoren. Diese sind vielseitig. «Wie oft ist er verletzt? Hat er eine feste Freundin? Ist ein Alkoholproblem oder eine Spielsucht vorhanden?», sagt Gisler.
«Als Risikofaktor gilt eben auch Homosexualität. Mannschaften im Profifussball sind mehrsprachige Gebilde mit Spielern aus allen möglichen Kulturen. Spieler aus dem Balkan oder Afrika haben vielleicht eher Mühe mit einem offen schwulen Spieler. Ein Grund also, den schwulen Spieler nicht zu kaufen. So einfach ist es.»
Für Ernst Graf, Mitgied im YB-Verwaltungsrat und ehemaliger Nachwuchschef, sind Geld, Image und Karriere eng miteinander verknüpft. In den Augen eines Jungprofis umso mehr. «Wer es in die erste Mannschaft schafft, kann viel Geld verdienen», sagt er im Gespräch mit der Mannschaft. Graf betont, dass Profifussballer fast ihr ganzes Leben in den Fussball investieren und oft keine andere Ausbildung absolviert haben. Alles Gründe, die gegen ein Coming-out sprechen, das eine hart erarbeitete Fussballerkarriere gefährden könnte.
Ungeoutete Profifussballer in Scheinpartnerschaften Für «Mario» hat Marcel Gisler viel recherchiert. «Ich musste, denn ich verstehe nicht viel vom Fussball», sagt er schmunzelnd. Von Funktionären erfuhr er, dass in Deutschland 2014 vier ungeoutete Profifussballer aktiv bei verschiedenen Clubs spielten und psychologisch betreut wurden. «Für zwei von ihnen wurden Scheinpartnerschaften mit einer Frau organisiert, ein anderer ist offiziell Single, also nicht mit einer Frau zusammen. Namen wurden natürlich keine genannt.»
Eine Branche, die so stark in der Öffentlichkeit steht, kann es sich nicht leisten, homophob zu sein
Es war auch im Zuge seiner Recherchen, dass Gisler und die Drehbuchautoren Thomas Hess und Frédéric Moriette mehrere Änderungen am Skript vornahmen. Die Homophobie war in den frühen Fassungen zu offensiv dargestellt, zu plakativ, um für die heutige Zeit realistisch zu sein. «Eine Branche, die so stark in der Öffentlichkeit steht, kann es sich nicht leisten, homophob zu sein», sagt er. Die heute im aktiven Profifussball herrschende Berührungsangst mit Homosexualität sei eher versteckt. Man setze sich für Diversität und gegen Diskriminierung ein; wenn die Medien einen Kommentar wünschten, zeige man sich offen und tolerant. «Das sind oft nur Lippenbekenntnisse, in der Tat sieht es dann anders aus.»
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Wenn ein Trainer etwa sagt, «wir haben kein Problem mit Schwulen, denn bei uns gibt es gar keine», ist das für Gisler ein Zeichen von unterschwelliger Homophobie. «Falls dieser tatsächlich einen schwulen Spieler in der Mannschaft hat, kennt er dessen Gefühlslage nicht, da dieser sich durch so ein Statement bestimmt noch mehr vor einem Coming-out fürchtet.»
Umso mehr war Gisler über die Offenheit bei YB überrascht. Der Berner Club lud den Regisseur ein, die U21 während zehn Tagen zu begleiten, und gewährte ihm uneingeschränkten Zugang zum Alltagsleben der jungen Fussballer. Starke YB-Befürworter waren der ehemalige CEO Alain Kappeler und Fredy Bickel, der ehemalige Sportchef.
«Besonders Fredy Bickel war von der Thematik begeistert. Das tue der U21 gut, wenn sie sich mal mit etwas anderem befassen könne als mit Fussball», erinnert sich Gisler. «Er schlug sogar vor, die echte U21 im Film mitwirken zu lassen, allerdings wären die intensiven Drehtage mit dem Training nicht vereinbar gewesen.»
Mit der U21 führte Gisler eine Umfrage über Homosexualität und Fussball durch und stellte fest, dass trotz aller Offenheit zum Thema doch ein gewisses Unwohlsein vorhanden war: «Zwischen den Zeilen habe ich gespürt, dass es doch nicht ganz so unproblematisch wäre, wenn einer in der Mannschaft schwul wäre. Ein Klassiker ist zum Beispiel die Unsicherheit, ob man noch zusammen duschen kann.»
Gegen Rassismus: ja, gegen Homophobie: vielleicht
Es wäre allerdings falsch, dies der U21 zu verübeln. «Man darf nicht vergessen: Das sind junge Männer, die mit Homosexualität vielleicht nie in Berührung gekommen sind», sagt Gisler. «Seit sie klein sind, waren sie immer mit anderen Jungs zusammen. Man hat nichts anderes im Kopf als Fussball. Es ist ein Milieu, in dem man Schwulen kaum bis gar nicht begegnet und auch nicht über das Thema spricht.» Er vermutet, dass jüngere Männer eher Berührungsängste haben.
Empfehlung: Alibi-Freundin! In einer Schlüsselszene des Films werden Mario und Leon von ihren Agenten und vom Berner Sportchef mit möglichen Konsequenzen ihrer Liebschaft konfrontiert. Es wird ihnen nahegelegt, ihre Beziehung wenn nicht aufzugeben, dann geheim zu halten, und sich Freundinnen zuzulegen, um kursierende Gerüchte zu entkräften – ein Moment im Film, in dem die Schweizer Mannschaft nicht so gut wegkommt.
Der vollständige Artikel ist in der deutschen Oktober-Ausgabe der Mannschaft erschienen hier abonnieren (Deutschland) – und hier auch (Schweiz)!
Die Verlosung wurde beendet.
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