Kein Gruppen-Coming-out im Fussball: Aktionstag geplant
Ex-Volleyballer Benjamin Patch: «Kein Sportler ist jemandem ein Coming-out schuldig»
Das angekündigte Gruppen-Coming-out am 17. Mai im Profifussball blieb aus. Stattdessen gab es von diversen Seiten zahlreiche Zusicherungen der Unterstützung und ermutigende Worte.
Der 17. Mai verstrich ohne Erdbeben in der Welt des Profifussballs. Für diesen Tag, den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT), hatte Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban ein Gruppen-Coming-out angekündigt (MANNSCHAFT berichtete). In Deutschland, Österreich und in der Schweiz hat noch kein aktiver männlicher Fussballprofi seine Homosexualität öffentlich gemacht.
Die Erwartungen waren gross und Urban selbst äusserte in den letzten Tagen Zweifel (MANNSCHAFT berichtete). «Aktive Profifussballer halten sich noch zurück», sagte er dem Magazin Stern. Kontakt zu schwulen Spielern habe er nicht direkt. «Keiner traut sich aus der Deckung.» Auch das Netzwerk Queer Football Fanclubs war nicht überzeugt: «Ein Coming-out ist immer eine sehr persönliche Angelegenheit, die man wohl kaum konzentriert veranstalten kann», teilte es der Deutschen Presse-Agentur mit. Den Termin vor dem letzten Bundesliga-Spieltag hält das Netzwerk europäischer schwul-lesbischer Fanclubs für «eher ungünstig».
Marcus Urban und seine Kollegen wollen die Flinte jedoch noch nicht ins Korn werfen. Wie das Team auf Diversero schreibt, soll der 17. eines jeden Monats weiterhin die Möglichkeit eines Coming-outs bieten und neu «Sports Free Day» heissen: «An diesem Tag können weltweit Aktionen stattfinden, um auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen, die queere Athlet*innen im Profisport zu bewältigen haben, und um ihnen unsere uneingeschränkte Unterstützung zu bieten.»
Trotz Ausbleiben des Coming-outs gab es zahlreiche Zusicherungen der Unterstützung und ermutigende Worte von diversen Seiten. Union Berlins Präsident Dirk Zingler hält ein Gruppen-Coming-out für den richtigen Weg im Profifussball. «Wenn es der Mut eines Einzelnen nicht schafft, dann braucht es vielleicht den Mut einer Gruppe. Ich kann dieser Gruppe nur sagen: Seid mutig. Wer wen liebt, spielt zu 99 Prozent eigentlich gar keine Rolle auf der Arbeit», sagte Zingler in einem am Freitag veröffentlichen Instagram-Video von Diversero.
Neben dem Initiator und Zingler kam auch Vorstandsboss Alexander Wehrle vom VfB Stuttgart in dem Beitrag zu Wort. «Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ist es wahrscheinlich auch so, dass wir nur ein Leben haben. Und das müssen wir doch geniessen», befand der 49-Jährige, der offen schwul lebt.
Auch die Fans wollen homosexuellen Spielern mit einem offenen Brief Mut machen (MANNSCHAFT berichtete) und sichern ihre Unterstützung zu. Ihnen sei es egal, «wen ihr liebt, mit wem ihr eine Familie gründen wollt oder mit wem ihr die Nächte verbringt», steht in dem Schreiben. Den Fans sei dagegen nicht egal, «mit welchen Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten ihr leben müsst», heisst es weiter.
Jeder entscheide selbst über das Wann und Wo seines Coming-outs, schreiben die Fans. «Aber wenn es so weit ist, sind wir da. Wir werden euren Mut anerkennen und euch unterstützen. Wir können euch leider nicht versprechen, dass alle homofeindlichen und diskriminierenden Äusserungen schlagartig aus den Stadien verschwinden. Aber wir versprechen euch: Wir werden weder jetzt noch dann schweigen. Denn uns alle eint ein starkes Band: die Liebe zum Fussball.»
Positive Worte kamen auch aus anderen Sportarten, etwa von Ex-Volleyballer Benjamin Patch, der 2020 sein Coming-out hatte (MANNSCHAFT berichtete). Es sei wichtig, «dass jemand in einer privilegierten Position, wie ein Profisportler, das Leben von jemandem oder den Verlauf der Geschichte beeinflussen kann, indem er sich einfach dafür entscheidet, so zu leben, wie er leben möchte», sagte der 29-Jährige der Deutschen Presse-Agentur am IDAHOBIT. «Das ist eine sehr einfache Geste der Hoffnung für viele Menschen.»
Trotzdem sei kein Sportler jemandem ein Coming-out schuldig. Der frühere Diagonalangreifer vom Volleyball-Rekordmeister Berlin Volleys verwies aber auf seine eigenen positiven Erfahrungen. «Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es für jeden Menschen, ob Sportler oder nicht, ist, sich nicht so viele Gedanken zu machen und den Menschen nicht so viel Macht über seine Chancen zu geben, sein Leben zu leben», sagte der US-Amerikaner.
Mehr: Der Landtag in Liechtenstein beschliesst die Ehe für alle (MANNSCHAFT berichtete)
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