Jean Genet darf für 24 Stunden aus dem Giftschrank
«Reise in ein verborgenes Leben» ist nun erstmals zu sehen
Ziegler Film zeigt derzeit zum 47. Firmenjubiläum täglich einen Film – 47 Ziegler-Produktionen kostenfrei auf der eigenen Homepage. An diesem Montag läuft dort eine echte Rarität: «Reise in ein verborgenes Leben» (Regie Hans Neuenfels) über Jean Genet.
Der Film ist eine «imaginäre Biographie über Jean Genet, den Dichter und Theologen des Bösen. Geboren 1910 in Paris, in Erziehungsheimen aufgewachsen und gedemütigt, ein Päderast und Dieb, 14 Mal zu Gefängnisstrafen verurteilt und aus fünf europäischen Ländern ausgewiesen. Seine Romane sind Balladen von giftgetränkter Schönheit, seine Theaterstücke sind düstere Zeremonien der Unterdrückung – jeder Mensch spielt die Rolle, die andere ihm auferlegen», so die Kurzankündigung der Produktionsfirma.
Endlich 10 Jahre alt! Hier ist die MANNSCHAFT, Nr. 100
Wer die Biografie von Regina Ziegler, der grossen deutschen Produzentin, «Geht nicht, gibt’s nicht» gelesen hat, der weiss: Einmal ging es wirklich nicht, bei eben jenem Film über Jean Genet.
1983 wurde die imaginäre Biografie realisiert, schreibt Ziegler. Aber: «Der Film war in der damaligen Zeit dann doch zu viel des Guten. Verschiedene ARD Sender warfen uns eine unerträgliche Fäkalsprache vor und verweigerten die Ausstrahlung. Der Stoff, in dem Genets Homosexualität eine Hauptrolle spielt, war seiner Zeit voraus und ist bis heute nicht gesendet worden», so die Filmproduzentin weiter.
10 queere Serien von Amazon über Disney+ bis ZDF
Nun ist der Film tatsächlich zu sehen, seit 7 Uhr früh, für insgesamt 24 Stunden auf der Ziegler-Homepage.
Umstritten waren damals wohl vor allem Sätze wie «Denk an mich, wenn dir mein Saft aus dem Arsch läuft!», dem Liebhaber nach gemeinsam verbrachter Nacht im Schweinestall hintergerufen.
Aber das war Genets Werk, immer eine Zumutung: Schweiss, Sperma und Exkremente gehörten zu seinen Zutaten, dazu erzählte er von Zuhältern und Asozialen – immer eingebettet in wunderschöne Sätze. Dass Jean Genet «das Intimste und das Öffentlichste aus, die Verwandlungen der Grausamkeit in Entzücken und des Entzückens in Grausamkeit, die Riten der Mörder, Opfer und Henker» aussprach, wie es der Rowohlt-Verlag formulierte, das brachte dem Schriftsteller, der immer wieder auch wegen Diebstahl, unerlaubtem Waffenbesitz oder Betrug im Gefängnis sass, zudem noch Pornographievorwürfe ein. Neben Publikationsverboten in den USA gab es einen Zensurprozess in Deutschland.
Die literarische Qualität seiner Werke ist jedoch immer unbestritten. Genets Entdecker, der Schriftsteller Jean Cocteau, sagt über ihn: «Schrecklich, obszön, unpublizierbar, unvermeidlich. Es bringt mich auf, stösst mich ab und verzaubert mich.»
MANNSCHAFT-Talk: Denn es gibt einiges zu feiern!
Im Jahr 2010, zum 100. Geburtstag des Schriftstellers, zeigte das Schwule Museum (SMU) in Berlin eine Ausstellung über Jean Genet. Da durfte natürlich sein Roman «Querelle» nicht fehlen. 1955 zunächst im Rowohlt-Verlag erschienen, doch bald verboten, da ihn die Staatsanwaltschaft als Pornografie einstufte. Erst 1962 wurde der Roman in Deutschland zugelassen. Der war einst vor allem bei Schwulen beliebt. Lange diente das Buch, trotz seiner literarischen Qualitäten, als Onaniervorlage – «es gab ja kaum anderes», schrieb SMU-Mitgründer Wolfgang Theis im Ankündigungstext.
Der Roman wurde 1982 von Rainer Werner Fassbinder verfilmt; der deutsche Regisseur und Produzent starb am 10. Juni desselben Jahres während der Postproduction des Films.
Das könnte dich auch interessieren
Deutschland
Nach queerfeindlichem Angriff in Berlin – Polizei bittet um Mithilfe
Mit der Veröffentlichung von Fotos sucht die Polizei Berlin nach einem Mann, der zusammen mit drei weiteren Männern am 6. Juli 2023 in Kreuzberg zwei Frauen queer- und frauenfeindlich beleidigt und verletzt haben soll.
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
News
Lesbisch
USA
«LGBTIQ geben mir Krebs» – Fluggast erzwingt Notlandung
Eine Maschine von Sun Country Airlines musste in Chicago zwischenlanden, nachdem ein Mann an Bord lautstark gegen queere Menschen hetzte. Der Passagier trug 15 Masken!
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
News
Kurznews
International
Religion
«Sodomie!» – Bischöfe bitten um Verzeihung für LGBTIQ-Wallfahrt
Über 1.000 Gläubige aus rund 30 Ländern waren am Wochenende zu einer Wallfahrt in Rom, darunter erstmals ganz offiziell katholische Queers.
Von Newsdesk Staff
Queerfeindlichkeit
News
Berlin
Homofeindliches Mobbing am Campus Rütli? Staatsanwaltschaft ermittelt
Der Ehemann eines schwulen Lehrers am Campus Rütli in Neukölln bekommt nachts anonyme Anrufe und wird beleidigt. Stecken Schüler dahinter? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Von Newsdesk/©DPA
Bildung
Deutschland
Queerfeindlichkeit
News