Im Schonwaschgang – «Straightwashing» in Film und Fernsehen
Werden LGBTIQ-Charaktere in Film und Fernsehen als cis-heterosexuell dargestellt, so spricht man von «Straightwashing». Von «Gossip Girl» bis hin zu «Call Me By Your Name»: Unser Serienjunkie Robin Schmerer beleuchtet einige Beispiele.
Zweifelsohne hat die Sichtbarkeit von LGBTIQ im Serien- und Filmbereich in den vergangenen Jahren zugenommen und ein regelrechtes Hoch erreicht. Und auch als Serienjunkie picke ich für euch besonders die Serien heraus, in denen queere Inhalte eine wesentliche Rolle spielen.
Man sollte allerdings nicht die Augen davor verschliessen, dass es noch immer Serien und Filme gibt, in denen queere Figuren ganz bewusst ausgeklammert werden. Für diese Praxis hat sich mittlerweile der Begriff «Straightwashing» etabliert. In Anlehnung an das so genannte «Whitewashing», das die ebenfalls fragwürdige Praxis bestimmter Film- und Fernsehstudios beschreibt, Rollen verschiedenster Ethnien ausschliesslich mit weissen Schauspieler*innen zu besetzen, bedeutet Straightwashing aus queeren Figuren – quasi im Schonwaschgang – Heteros zu machen.
Drei Fälle jüngeren Datums haben unlängst die Debatte rund um das Thema neu angeheizt. So geriet etwa die Musicalserie «Rise», die im März dieses Jahres auf NBC ihre Premiere feierte, schnell unter Beschuss. Sie basiert vage auf den in Buchform erschienenen Erinnerungen des schwulen Highschool-Lehrers Lou Volpe, der über vier Dekaden die Theatergruppe seiner Schule leitete. Die Rolle wird in der Serie von «How I Met Your Mother»-Star Josh Radnor gespielt und ist heterosexuell, was die Macher der Serie durchaus in Bedrängnis brachte. Man habe das Buch lediglich als Inspiration genutzt und erzähle ja immerhin mehrere andere LGBTIQ-Storylines, liessen die Verantwortlichen bei einer Pressekonferenz verlauten. Auch wenn Letzteres stimmt und es sich in diesem Fall tatsächlich eher um eine Frage künstlerischer Freiheit handelte, blieb ein fader Beigeschmack, und das Thema Straightwashing geriet wieder verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit.
Weniger leicht zu glätten waren die Wogen im Zusammenhang mit einer Werbekampagne zum Film «Call me by Your Name». Sony Pictures UK bewarb die Produktion mit einem Pressezitat, das den Film als wunderbare Romanze bezeichnet. Das zugehörige Bild zeigte allerdings nicht das homosexuelle Liebespaar, das im Zentrum der Literaturverfilmung steht, sondern Hauptfigur Elio mit seiner guten Freundin Marzia. Ein Fall, der verdeutlicht, dass Straightwashing nicht zwingend auf inhaltlicher Ebene stattfindet. Auf die Frage, warum sie eine zentrale homosexuelle Figur aus der Buchvorlage für die Serie «The Durrells in Corfu» zum Hetero machten, hatten die Macher der britischen ITV-Produktion ebenfalls keine zufriedenstellende Antwort. Einmal mehr hiess es, man habe die Buchvorlage über eine Familie, die in den Dreissigerjahren nach Korfu auswandert, lediglich als Grundgerüst genutzt. Nicht alle Aspekte der Bücher seien auf den Bildschirm übertragbar.
Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle von Straightwashing, die mehr oder weniger öffentlich diskutiert wurden. Einer der Produzenten der Serie «Gossip Girl» räumte in einem Interview ein, er bereue es, nicht mehr homosexuelle Charaktere in die Serie eingebaut zu haben. So hatte auch die Hauptfigur Chuck Bass, der in der Buchvorlage offen bisexuell ist, in der Serie ausschliesslich heterosexuelle Beziehungen. Lediglich in einer einzigen Szene der 121 Episoden umfassenden Serie spricht er davon, dass er sich auch von Männern angezogen fühlt. Das gleiche Schicksal erlitt auch der bisexuelle Dämonenjäger John Constantine, der im Fernsehen nur mit Frauen anbandeln darf. Selbst DVD-Hüllen geraten mitunter in die Waschmaschine. Auf der Hülle der US-Version des Films «Pride», der von einer Gruppe homosexueller Aktivisten erzählt, wurden alle Hinweise auf Homosexualität, wie etwa Protestbanner, entfernt, und im Text ist nur noch von einer «Gruppe Londoner von Aktivisten» die Rede. Straightwashing ist also kein neues Phänomen, sondern eines, das es schon immer gegeben hat und wohl auch immer geben wird. Umso wichtiger sind aufgeklärte Zuschauer*innen, die diese Fälle nicht einfach hinnehmen, sondern auf sie aufmerksam machen und sie zur Diskussion stellen.
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