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Homophobe Angriffe: Nicht nur Hooligans haben Recht auf Sicherheit

Es kann nicht sein, dass im Jahr 2020 Schwule in Zürich Angst vor Gewalt haben müssen.

Angriffe Zürich
Symbolbild: Stadt Zürich

Nach den homophoben Angriffen in Zürich muss die Polizei die Gefahr anerkennen und am Tatort Präsenz markieren. Ausserdem müssen die Hassdelikte als solche deklariert und nicht vertuscht werden. Das fordert unser Samstagskommentar*.

«Am Abend lasse ich die Hand meines Freundes lieber mal los, weil ich nicht angegriffen werden will.» Dieser Mann lebt wohl in einem rückständigen Land, wo Homosexualität tabuisiert und kriminalisiert wird. In einem Land, wo sich Schwule und Lesben nicht sicher fühlen und ihre Sexualität geheimhalten. Könnte man meinen.

Diese Aussage stammt in Wahrheit von Roman Heggli, der in der Schweiz lebt. Der Geschäftsführer des Schwulenverbandes Pink Cross machte sie gegenüber dem Schweizer Radio SRF. Im Interview ging es um die brutalen Angriffe auf schwule Paare in der Zürcher Altstadt. Gewalt an Schwulen passiert nicht immer in irgendeinem entfernten Land – sondern in diesem Fall quasi vor meiner Haustüre.

Zwei Vorfälle am selben Ort
Ein schwules Paar feierte auf dem Zähringerplatz in der Nähe des Gay-Clubs «Heaven» den Jahreswechsel, als plötzlich vier Männer auftauchten (MANNSCHAFT berichtete). Diese fragten, ob sie schwul seien, was das junge Paar bejahte. Daraufhin schütteten ihnen die vier Täter Getränke ins Gesicht und schlugen und traten auf sie ein. Die beiden konnten irgendwann flüchten und die Polizei alarmieren. Das neue Jahr startete für das Paar schliesslich mit einer Fahrt ins Unispital.


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Vor wenigen Monaten geschah am nahegelegenen Hirschenplatz ein ähnlicher Angriff (MANNSCHAFT berichtete). Ein junges Paar küsste sich dort auf einer Parkbank, als es von einer Gruppe von Männern angepöbelt wurde. «Sie sagten uns, wir seien Schwuchteln, Arschlöcher und Missgeburten. Dann warf einer ein Feuerzeug nach uns», sagte eines der Opfer damals gegenüber 20 Minuten. «Warum tut ihr das», fragte Davide und stand auf. Die Antwort: «Weil ihr schwul seid.» Dann schlugen sie zu. Die Täter liessen auch nicht von ihnen ab, als sie schon am Boden lagen und traten weiter auf die beiden ein. Die Türsteher kamen herbeigerannt und alarmierten die Polizei. Die Schläger konnten jedoch unerkannt fliehen.

Zusätzliche Patrouillen
Es kann nicht sein, dass im Jahr 2020 Schwule in der Schweiz Angst haben müssen, wenn sie einen Gay-Club verlassen oder in der Öffentlichkeit Händchen halten. Die Verantwortlichen müssen die Bedrohung anerkennen und handeln. Die Polizei muss vermehrt Präsenz zeigen. Dies wünschten sich nicht nur Roman Heggli von Pink Cross, sondern auch die Verantwortlichen des Clubs «Heaven» – und mit Sicherheit die Opfer und die potenziellen Opfer homophober Gewalttaten.

Eine Erhebung aus dem Jahr 2014 ergab, dass eine Fussballsaison in der Schweiz bei der Polizei Einsatzkosten von 15 Millionen Franken (ca. 13.8 Millionen Euro) verursacht, wobei sich die Klubs an den Kosten beteiligen. So viel Aufwand, um ein paar Testosteronbomben, die nichts Gescheiteres zu tun haben, als sich Woche für Woche zu verprügeln, vor sich selbst zu schützen. Dann sollte auch die eine oder andere zusätzliche Patrouille in der Altstadt möglich sein. Wenn gewalttätige Hooligans bei ihrem bekloppten «Hobby» ein Recht auf Sicherheit haben, dann wohl auch schwule Partygänger.


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Homophobe Motivation vertuscht
In beiden Fällen unterliess es die Polizei, in ihrem offiziellen Bericht das Hassverbrechen als solches zu erwähnen. Den ersten Angriff bezeichnete sie in ihrer Medienmitteilung als «verbalen Streit» mit einer «anschliessenden tätlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen».

Was nicht statistisch erfasst wird, existiert für Politiker*innen nicht. Es kann nur schwer für mehr Sicherheit argumentiert werden, wenn es in der Schweiz offiziell gar keine homophobe Gewalt gibt. Deshalb müssen Hassdelikte als solche erfasst werden – der Nationalrat hat sich mittlerweile für dieses Anliegen ausgesprochen (MANNSCHAFT berichtete).

«Ja» an der Urne ist dringend nötig
Diese Vorfälle zeigen, dass LGBTIQ-Menschen in der Schweiz dringend auf den Schutz durch die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm angewiesen sind. Die nationale Abstimmung dazu findet am 9. Februar statt (MANNSCHAFT berichtete).

Die Organisation «Milchjugend» veranstaltet am 11. Januar um 15:30 Uhr auf der Rathausbrücke in Zürich – etwa hundert Meter von den beiden Tatorten entfernt – ein «Kiss-in» für ein «Ja» an der Urne.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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