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Höher, weiter, queerer! Wozu heteronormative Disziplinen?

Beim Synchronschwimmen gibt es bald auch Männer – aber nur als Ergänzung einer Frauendisziplin

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Foto: Instagram/Heath Thorpe

Unser Autor und sein Mann sind begeisterte Sportfans, vor dem Fernseher jedenfalls. In seinem Kommentar* schreibt er über queere Fortschritte im Profisport – und wo sie noch fehlen.

Manchmal sitzen mein Liebster und ich vor dem Fernseher – ein grosser, natürlich – und fragen uns: Gibt es sonst noch ein schwules Paar, dass sich sowohl kundig über die Karriere der Streisand (incredible!) und den letzten Auftritt von Cher (erstaunlich!) unterhalten können wie auch absolut glühend Sport gucken können. Und zwar als Sportnerds, nicht als Männerkörperbewunderer.

Uns geht es etwa beim Eiskunstlaufen so: Das Schaulaufen ist öde, weil beim Doppelaxel nicht zu straucheln ist, wenn keine Punktrichter zu werten haben, easy. Auf den Wettbewerb kommt es an, auf das Momentum, auf die Kunst der sportlichen Höchstleistung, wenn die Wahrscheinlichkeit zu scheitern viel grösser ist. Kurzum: Ein Samstag im Winter ist so meditativ wie anregend – von morgens bis abends nix als Sport.

Jetzt im Februar kommt es zu einem Höhepunkt: In Oberhof, früher, vor dem Klimawandel ein Wintersportort in Thüringen, jetzt ein Ort Bob- und Rodelbahn, vor allem aber etlichen Kunstschneedepots. Die sind auch nötig, denn dortselbst findet die WM im Biathlon statt. Das ist eine Disziplin, in der die Schweiz richtig stark geworden ist und Deutschland nicht mehr ganz so Weltklasse wie einst, aber immer noch sehr gut. Frauen machen mit, Männer auch.


Das mit der Geschlechterparität ist nicht so selbstverständlich gewesen: Bis 1992 war das kombinierte Skilanglaufen mit Schiessübungen zwischendurch vollständig männlich, Frauen kamen erst mit den Winterspielen von 1992 zum Zuge. Das galt als exotisch, wenigstens ein bisschen. Und ist es nicht mehr. So geht genderdemokratischer Fortschritt: Gerade die olympischen Institutionen, wie bekannt eine Sache des grossen Geldes und der grossen korruptiven Versuchungen (der sehr viele Funktionär*innen erlagen im Laufe der Jahrzehnte), haben sich stets als Motor der Gleichberechtigung der Geschlechter erwiesen.


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In schwul-lesbischer Hinsicht – aber das ist uns ehrlich gesagt nicht so wichtig, widmen wir uns zu zweit auf dem Sofa vor dem Wintersportscreen, zwischendurch übrigens auch noch ab sofort wieder Fussballbundesliga-Konferenzschaltungen – muss man sagen, dass es im Weltsport sogar lesbische Sportlerinnen und schwule Sportler gibt, die sich geoutet haben und zweitens damit das Gebot des Don’t ask, don’t tell durchbrachen.


Aber sei’s drum: Hier an dieser Stelle meines Bekenntnistextes zu einer Leidenschaft, die sich nicht mit den Klischees zur Figur des Schwulen deckt und nie deckte, verdient anderes Erwähnung. Dass nämlich Männer, ob hetero, homo oder sonstwie begehrlich orientiert, im Sport diskriminiert werden. Frauen gibt es seit kurzem buchstäblich in allen olympischen Disziplinen, sogar, was für ein Horror für viele alte Kameraden der Traditionen, im Boxen, beim Ringen, beim Gewichtheben. Bei den Olympischen Winterspielen ist nur noch die Disziplin der Nordischen Kombination (Skispringen + Laufen) offen: Frauen könnten bei den Winterspielen 2030 erstmals dabei sein, bei Weltmeisterschaften, wie demnächst in Planica, Slowenien, sind sie es aber garantiert.

 

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Es gibt noch andere Fortschritte zu notieren. Dass etwa im Turnen nun auch ein Athlet wie der Australier Heath Thorpe kaum noch diskriminiert (also in den Keller gepunktet wird) ob seiner flamboyanten Bodenküren. Oder dass es beim Synchronschwimmen bald auch Männer gibt. Aber dort nur als Ergänzung einer Frauendisziplin. Nicht als Solisten oder in der Gruppe. Zu schwul!, heisst es. Diskriminierend, nicht männer-, sondern faktisch schwulenfeindlich ist die bislang gültige Weigerung des Weltgymnastikbundes, die Wettbewerbe um Männerkonkurrenzen zu ergänzen. Frauen, ganz heteronormativ lesbare Anmut, konkurrieren seit Jahrzehnten in Disziplinen wie Keulen, Bänder, Reifen und Seil – angeblich sei das nix für Männer. Irrtum!, ein grosser wie vor 50 Jahren die Idee, Frauen seien für Marathon, Langlaufstrecken oder eben Biathlon zu schwach und schwächlich.


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Beim Biathlon, das darf man bilanzieren, ist die Frauenkonkurrenz nicht weniger zuschauerstark wie die der Männer. Frauen werden ebenso angefeuert wie ihre biologischen Gegenüber. Das ist für geschlechterdemokratische (und die von Lesben und Schwulen) ein gutes Zeichen – und ermutigt, die Bastionen, in die Männer noch nicht reindürfen, zu schleifen.

Womit ich bei meinem letzten Punkt wäre: Die WM im Eiskunstlaufen findet im März in Saitama, Japan, statt. Es wird spannend, denn Russland und Belarus, sind aus kriegstreiberischen Gründen nicht dabei – und damit, vor allem im Hinblick auf die sportliche Dominanz der Russ*innen, ist alles kompetitiv offen. Frauen und Männer – und das Paarlaufen, das sportliche wie das im Tanzen. Warum aber gibt es kein Paarlaufen von Frauen- und Männerpaaren? Ich weiss warum. Wir, mein Mann und ich auf dem Sofa, sind ja nicht naiv, aber: Warum sollten diese heteronormativste Disziplin überhaupt so fraglos bleiben?

P.S.: Das nächste Mal sprechen wir über das Fernsehen. Und Sport. Und warum gerade ARD und ZDF unglaublich stark dazu beitragen, dass wir als TV-Zuschauende immer über Heterofamilienstände informiert werden, nie aber über queere Love- und Lifeaffairs. Ein schmutziges Kapitel …

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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