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«Blaue Frau» – Antje Rávik Strubel erhält Deutschen Buchpreis

Gastland ist in diesem Jahr Kanada

Buchmesse
Antje Rávik Strubel (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Frankfurter Buchmesse hat mit einer Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit begonnen. Zuvor war die «Blaue Frau» der lesbischen Autorin Antje Rávik Strubel als bestes deutschsprachiges Buch geehrt worden.

«Wir bedauern, dass einzelne Autor*innen ihre Auftritte auf der Frankfurter Buchmesse 2021 abgesagt haben», hiess es am ersten Fachbesucher*innentag in einer gemeinsamen Erklärung der Buchmesse und des Börsenverein des Deutschen Buchhandels. «Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen.»

Jasmina Kuhnke («Schwarzes Herz») hatte ihren Auftritt auf der Messe wegen der Anwesenheit des Jungeuropa-Verlags abgesagt. Die Buchmesse rechtfertigte am Mittwoch die Entscheidung, rechte Verlage nicht auszuschliessen: «Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle.» Alle Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, dürften in Frankfurt ausstellen – «auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen». Verlage oder ihre Produkte zu verbieten, sei in einem Rechtsstaat Aufgabe von Gerichten.

Kuhnkes Verlag Rowohlt erklärte dagegen: Das Recht auf Meinungsfreiheit stosse «an seine Grenzen, wenn die Sicherheit und die Grundrechte anderer bedroht werden».


An den ersten beiden Tagen ist die Buchmesse zunächst nur für Fachbesucher*innen geöffnet – ihre Zahl ist auf 25 000 pro Tag gedeckelt. Gastland ist in diesem Jahr Kanada. Insgesamt 2000 Verlage und Unternehmen aus 80 Ländern werden erwartet. Mehr als 300 Autor*innen stellen ihre Bücher vor, 1400 Veranstaltungen sind geplant. Die Buchmesse dauert bis Sonntag. Einige Autor*innen haben wegen der aktuellen Debatte ihr Kommen allerdings wieder abgesagt. Dazu zählen etwa Riccardo Simonetti, Nikeata Thompson und Annabelle Mandeng, wie sie auf ihren Instagram-Profilen mitteilten.

 

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Am Mittwochmorgen bildeten sich lange Schlangen am Eingang: Besucher*innen mussten ihr elektronisches Ticket vorzeigen, ihren Impf-, Test- oder Genesenen-Nachweis vorlegen und sich mit dem Personalausweis ausweisen. In den Hallen war mehr Platz, die Gänge sind breiter als früher. Zudem finden viele Veranstaltungen – genau wie im letzten Jahr – im Internet statt. Auf dem «Blauen Sofa» oder der ARD-Bühne in der Festhalle konnte man dennoch die ersten Prominenten erleben.

Buchpreis-Gewinnerin Antje Rávik Strubel («Blaue Frau») kritisierte schon zuvor die deutsche Rechtsprechung im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Es sei «erschreckend», wie wenige Fälle überhaupt zur Anzeige kämen, sagte sie. Noch viel seltener würden die Täter verurteilt. Ein Grund dafür sei, «dass den Frauen nicht geglaubt wird.» Anders als etwa in skandinavischen Ländern seien die Frauen zudem gezwungen, den Tätern vor Gericht wiederzubegegnen.


Die lesbische Autorin hatte für ihren Roman «Blaue Frau», an dem sie acht Jahre geschrieben hat, den Deutschen Buchpreis erhalten. Es ist eine der angesehensten Ehrungen des Landes für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres.

Der bei S. Fischer erschienene Roman schildert die Flucht einer jungen Tschechin vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung. Das Buch spielt in Berlin, der Uckermark, Helsinki – und im inneren Exil der weiblichen Hauptfigur, die vier verschiedene Namen trägt. Der «aufwühlende Roman» überzeugte die Jury: Die Autorin behandle das Thema «mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision».

«In einer tastenden Erzählbewegung gelingt es Antje Rávik Strubel, das eigentlich Unaussprechliche einer traumatischen Erfahrung zur Sprache zu bringen», urteilte die Jury. «Die Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung weitet sich zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa und Machtgefälle zwischen den Geschlechtern.»

Die Dankesrede nutzt Strubel für ein Plädoyer für geschlechtergerechte Sprache.

Die Dankesrede nutzte Strubel für ein Plädoyer für geschlechtergerechte Sprache. Sie sei überwältigt und sprachlos, gesteht sie zu Beginn, aber sie könne nicht sprachlos hier stehen «in diesen zänkischen Zeiten». Es herrsche «ein Gezerre und Gezeter und ein furchbarer Krieg – ein Krieg, der über Benennungen und Bezeichnungen geführt wird». Es sei doch eigentlich selbstverständlich, «dass man mit dem Namen angesprochen werden möchte, mit dem man sich angesprochen fühlt»: Sie sei «Schriftstellerin – und als solche manchmal ausgezeichnet mit einem Sternchen».

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