Fassbinder auf Französisch: Ozons Film über die Liebe zweier Männer
Der schwule Filmemacher spielt in «Peter von Kant» mit Gender-Rollen
Im Interview mit Patrick Heidmann spricht der schwule Filmemacher François Ozon aus Paris über seinen neuen Film «Peter von Kant», die Liebe zu Fassbinder und das Spiel mit Gender-Rollen.
Dass Rainer Werner Fassbinder für François Ozon ein grosses Vorbild ist, war nie ein Geheimnis. Nicht umsonst inszenierte der Franzose schon früh in seiner Karriere dessen Stück «Tropfen auf heisse Steine», und die Arbeit mit Schauspielerinnen liebt der schwule Filmemacher aus Paris genauso wie sein 1982 verstorbener bisexueller Kollege aus München. Mit «Peter von Kant», in dem sich 1972 ein deutscher Filmemacher (Denis Ménochet) in einen jungen Schauspieler (Khalil Gharbia) verliebt, setzt sich Ozon nun so explizit wie nie mit Fassbinder auseinander. Wir trafen den 54-jährigen anlässlich der Weltpremiere auf der Berlinale zum Interview.
Monsieur Ozon, Ihr neuer Film «Peter von Kant« ist eine freie Adaption von Fassbinders «Die bitteren Tränen der Petra von Kant». Glauben Sie, dass ihm der Film gefallen würde? Darüber habe ich während der Arbeit nicht wirklich nachgedacht. Seine Witwe Juliane Lorenz hat mir immerhin die Rechte zur Verfügung gestellt, also gehe ich zumindest mal davon aus, dass meine Ideen nicht völlig im Widerspruch zu seinem Werk stehen. Worum es mir ja auf keinen Fall ging, war ein Remake von «Die bitteren Tränen der Petra von Kant». Was ich im Sinn hatte war eher etwas, was ja auch Theaterregisseure machen. Die nehmen ein altes Shakespeare- oder Molière-Stück und interpretieren es auf ihre Weise, unabhängig davon, was andere daraus schon gemacht haben. Ich wollte Fassbinders Kult-Stück aus meiner französischen Perspektive erzählen und mit den Gender-Rollen spielen.
Wie verändert sich für Sie die Geschichte dadurch, dass es hier nun um die Liebe zwischen zwei Männern und nicht zwischen zwei Frauen geht? Eigentlich gar nicht. Die Dynamik was das Machtverhältnis, die Abhängigkeiten und die Erotik angeht, bleibt praktisch gleich, egal ob im Zentrum ein Mann oder eine Frau steht. Aber eine Neuverfilmung mit Frauen hätte ich einfach witzlos gefunden. Schon allein, weil keine Schauspielerin Margit Carstensen würde toppen können. In Frankreich wird das Stück oft neu auf die Bühne gebracht, aber keine Inszenierung kann je mit Fassbinders Film mithalten, weil keine Hauptdarstellerin so gut in der Rolle ist wie Carstensen.
Trotz der Veränderungen spürt man doch sicherlich einen gewissen Druck, wenn man sich eines solchen Klassikers annimmt, oder? Klar, zumal mir Fassbinders Werk allgemein sehr viel bedeutet und «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» einer meiner Lieblingsfilme ist. Als ich damals sein Stück «Tropfen auf heisse Steine»verfilmt habe, war das einfacher, weil kaum jemand die Vorlage kannte. Ich habe daraus gemacht, was ich wollte, und hatte nie Angst, dass mir jemand vorwirft, ich hätte Fassbinders Vision verraten oder so. Das war bei «Peter von Kant» nun natürlich ganz anders, deswegen war ich durchaus nervös. Aber ich habe mich zum Beispiel mit meinem guten Freund Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne darüber unterhalten, der mich in meiner Idee, mir nochmal Fassbinder vorzuknöpfen, sehr bestärkt hat. Ausserdem war der Stoff perfekt für einen Film, den wir im Corona-Lockdown gedreht haben. Schliesslich spielt «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» nur in einem einzigen Raum. Bei mir ist jetzt eine Wohnung das Setting.
Woher kommt eigentlich Ihr enger Bezug zu Fassbinder und seinem Werk? Ich habe seine Filme als Student für mich entdeckt, auf der Suche nach meinem eigenen Stil als Regisseur. Die Freiheit, die er in seiner Arbeit an den Tag legte, faszinierte mich sofort. Man hatte nie das Gefühl, dass er sich festlegt auf ein bestimmtes Genre oder eine Bildsprache; man musste bei ihm immer mit etwas Neuem rechnen. Ausserdem merkt man seinen Filmen das Vergnügen an, das ihm das Drehen bereitete. Er hat mir wirklich die Augen geöffnet und dabei geholfen, der Filmemacher zu werden, der ich nun bin. Irgendwie ist er mein grosser Bruder im Geiste, auch wenn wir uns natürlich nie begegnet sind.
Sie haben in «Peter von Kant» nun den Protagonisten zu einem Regisseur gemacht, in dem man auch Fassbinder wiedererkennen kann. Aber ist er auch Ihre eigenes Alter Ego? Selbstverständlich. Jeder Regisseur wird sich in ihm wiedererkennen, denn in jedem Regisseur steckt auch ein kleiner Diktator. Wer einen Film macht, ist ein Schöpfer und kreiert eine Welt, also fühlt man sich natürlich bis zu einem gewissen Grad wie ein Gott. Und es lag auf der Hand, dass Peter von Kant nun ein Regisseur ist, schliesslich ist es kein Geheimnis, dass «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» für Fassbinder auch ein Selbstporträt war, in dem er seine Liebe zu seinem Schauspieler Günter Kaufmann verarbeitet hat. Das kenne ich so nicht; meine Beziehungen zu den Menschen, mit denen ich arbeite, sind andere als die, die wir nun in meinem Film sehen. Aber identifizieren kann ich mich mit ihm trotzdem. Wie ich das überhaupt immer mit meinen Figuren tue. Anderenfalls könnte ich sie wohl auch nicht als wahrhaftig und menschlich darstellen.
Wollen Sie auch geliebt werden? Von der Kritik? Klar, irgendwie… Wobei, so wirklich schere ich mich darum nicht. Ich wünsche mir, dass meine Filme geliebt werden. Ich als Person brauche das nicht. Da bin ich anders als Fassbinder oder Peter von Kant. Dieses Leiden daran, dass man sich ungeliebt fühlt, kenne ich nicht. Liebe habe ich zuhause genug, keine Sorge.
Und wie steht es mit Ihrer Beziehung zu Ihren Schauspielerinnen? Kennen Sie viele, die undankbare Idiotinnen sind, wie es in «Peter von Kant einmal heisst? Sehr viele sogar, selbstverständlich! Ich könnte Ihnen eine ganze Liste schreiben. Das Wort «undankbar» stammt in diesem Kontext tatsächlich von mir, aber Fassbinder hat mal gesagt, alle Schauspielerinnen seien Idiotinnen.
Sie zollen Fassbinder im Film auf verschiedene Weise Tribut, unter anderem hört man in «Peter von Kant» Isabelle Adjanis Version des Songs «Each Man Kills the Thing He Loves», den einst Jeanne Moreau in seinem letzten Film «Querelle» gesungen hat… Früher war ich kein allzu grosser Fan der späten Fassbinder-Filme, doch irgendwann entdeckte ich auch seine letzte Schaffensphase für mich. Inzwischen liebe ich «Veronika Voss» oder eben «Querelle», die Filme, bei denen er endlich mal ein bisschen Geld zu seiner Verfügung hatte. Ich fand es spannend, einen seiner Stoffe aus der ersten Karrierehälfte, wo er immer mit den gleichen Leuten und minimalen Budgets gearbeitet hat, in einem Stil umzusetzen, der eher seinem von Hollywood inspirierten Spätwerk entspricht.
Ausserdem spielt Hanna Schygulla nun in Ihrem Film mit, seine vielleicht wichtigste Kollaborateurin überhaupt, die in «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» auch mit von der Partie war. Mussten Sie sie lange überreden? Wir hatten kurz zuvor schon bei «Alles ist gut gegangen» zusammengearbeitet, und zum Glück war sie sofort angetan von dem Gedanken, auch in «Peter von Kant» mitzuspielen. Dass sie nun die Mutter des Protagonisten spielt, ist natürlich besonders bedeutsam, schliesslich kannte Hanna Fassbinders echte Mutter sehr gut. Entsprechend hatte sie viele Ideen für diese Rolle.
Schwelgte Sie mit Ihnen in Erinnerungen an damals? Ich habe natürlich wahnsinnig viele Fragen gestellt und habe mich sehr gefreut, dass sie mir viel von damals erzählt hat. Aber es kam auch der Punkt, wo sie fand, dass es genug war. Alles wollte sie mir dann doch nicht verraten, und ich glaube, es gibt ein paar Geheimnisse von damals, die sie mit ins Grab nehmen wird.
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