«Elitenprojekt» oder «Entwertung der christlichen Ehe»?
Ob der Reformprozess der deutschen Katholiken ein Erfolg war, wird sich noch zeigen
«Zuckungen in einer versteinerten Hülle» – so beschreibt ein renommierter Theologe das Ergebnis des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg. Trotz mancher Erfolge ist weiterhin glasklar, wer in der Kirche die Macht hat.
Von: Eva Krafczyk und Christoph Driessen, dpa
Dreieinhalb Jahre lang haben die deutschen Katholik*innen versucht, ihre Kirche zu reformieren. Am Samstag trat das zentrale Gremium dieses Prozesses, die Synodalversammlung, zum letzten Mal in Frankfurt/Main zusammen. Der Prozess ist nun abgeschlossen, der Synodale Weg zu Ende. Haben sich die Erwartungen erfüllt?
Auf diese Frage gibt es je nach kirchenpolitischem Standort unterschiedliche Antworten. Entschlossene Reformer*innen haben Grund zur Enttäuschung: Es gibt immer noch keine Frauen als Priester und immer noch keine Priester, die heiraten dürfen. Einigen konservativen Bischöfen dagegen gehen die Beschlüsse viel zu weit. So ist die offizielle Anerkennung von Segensfeiern für homosexuelle Paare für sie ein erster Schritt zur Entwertung der christlichen Ehe.
In jedem Fall, darauf weist der katholische Priester Wolfgang Rothe hin, der bereits schwule und lesbische Paare segnet: Es ist nun entscheidend, wie der Vatikan auf die Beschlüsse reagiert.
Vieles führt nicht sofort zu konkreten Veränderungen, darf aber in seiner Langzeitwirkung nicht unterschätzt werden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, brachte das mit dem Satz auf den Punkt: «Der Saft ist aus der Tube.» So hat die Synodalversammlung mit grosser Mehrheit auch der Bischöfe einen Text zum Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt angenommen. Zahlreiche Delegierte applaudierten nach diesem Ergebnis stehend, einige schwenkten Regenbogenfahnen. Damit habe die katholische Kirche in Deutschland nun sozusagen die Existenz von trans Menschen offiziell anerkannt, hiess es. Dahinter kann sie schwer wieder zurückfallen.
Deutlich geworden ist aber auch, wer in der Kirche nach wie vor die Macht hat: die Bischöfe. Alle Entscheidungen mussten von ihnen mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgesegnet werden, sonst waren sie nicht gültig. Und das wurde ausgenutzt: Mehrfach drohten die Oberhirten damit, Beschlüsse zu kippen, sofern ihre Änderungsvorschläge nicht berücksichtigt würden. Und diese Vorschläge liefen stets auf eine Verwässerung der Reformen hinaus.
Gerade vielen Frauen, die oft schon seit Jahrzehnten darauf warten, kirchliche Ämter ausüben zu dürfen, geht das alles deutlich zu langsam. Deshalb flossen bei den fünf Synodalversammlungen immer wieder Tränen – bei den Frauen, bei den Angehörigen sexueller Minderheiten, bei Missbrauchsopfern, die auf mehr Unterstützung durch die Bischofe gehofft hatten.
Dennoch kann der Synodale Weg wohl als demokratischer Aufbruch gewertet werden: Über dreieinhalb Jahre hinweg sassen Geistliche und Laien regelmässig in einem Kirchenparlament beisammen. In den Diskussionen hatte jedes Mitglied eineinhalb Minuten Redezeit – auch die Bischöfe bekamen nicht mehr. Alle drängenden Fragen kamen auf den Tisch: der Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester, die strukturelle Diskriminierung von Frauen, die Verteufelung von Homosexualität.
Die Beziehung der deutschen Kirche zum Vatikan hat sich durch den Prozess ohne Zweifel verschlechtert. Papst Franziskus selbst vertrat die Auffassung: «In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon.» Für den Argentinier war der ganze Prozess ein intellektuelles Elitenprojekt.
In diesem Zusammenhang war ein Gastauftritt des Antwerpener Bischofs Johan Bonny in der Synodalversammlung aufschlussreich. Er war eingeladen worden, weil die flämische Bischofskonferenz die Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare längst eingeführt hat. Der Unterschied zu Deutschland ist: Das Ganze wurde nicht im Rahmen eines grossen, schlagzeilenträchtigen Veränderungsprozesses realisiert, sondern ganz leise in informeller Abstimmung mit dem Vatikan und Papst Franziskus persönlich.
Aber so ticken die Deutschen eben nicht – sie wollen klare und transparente Prozesse und Regeln. Die Frage ist, ob sie damit langfristig in der Weltkirche bestehen können. Der Delegierte Emeka Ani erklärte mit frappierender Offenheit, Homosexualität werde in Afrika kritisch gesehen. Da die Zahl der Katholiken in Afrika anders als in Deutschland wachse, könnten die Deutschen besser abwarten, was die kommende Weltsynode zu diesem Thema entscheiden werde.
Der Synodale Weg ist nun zu Ende, doch die Synodalität – das gegenseitige Aufeinanderhören – soll weitergehen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – die Vertretung der Laien – will das gemeinsame Diskutieren und Entscheiden ebenso fortführen wie die Bischofskonferenz. Ein Synodaler Ausschuss soll in den nächsten drei Jahren klären, wie das aussehen könnte. Der Vatikan hat allerdings schon klargemacht, dass er ein neuartiges permanentes Leitungsgremium mit Laien-Beteiligung auf keinen Fall akzeptieren will.
Der Einstieg in den Ausstieg aus dem monarchistisch verstandenen Amt in der katholischen Kirche (…) ist gescheitert
Der Moraltheologe Daniel Bogner von der Schweizer Universität Fribourg konstatiert denn auch: «Der Einstieg in den Ausstieg aus dem monarchistisch verstandenen Amt in der katholischen Kirche, das keinerlei Teilung der Gewalten und ihre Kontrolle vorsieht, ist gescheitert.» Es habe sich gezeigt, dass Franziskus zwar oft von Synodalität spreche, doch sobald eine Ortskirche wie die deutsche damit auch nur halbwegs ernst mache, werde diese von seinen Kurienbehörden zurückgepfiffen.
Es gibt Zuckungen des Lebens in einer versteinerten Hülle der Kirche, die selbst nicht transformierbar erscheint
So hat der Synodale Weg für Bogner letztlich ein realistisches Bild der katholischen Kirche in Deutschland gezeichnet: «Es gibt Zuckungen des Lebens in einer versteinerten Hülle der Kirche, die selbst nicht transformierbar erscheint.»
Eine katholische Gruppierung im US-Bundesstaat Colorado hat persönliche Dating-App-Daten von Priestern gekauft und landesweit mit Bischöfen geteilt (MANNSCHAFT berichtete).
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