Douglas Dare: «Rave-Kultur und die queere Szene gehören zusammen»

Der Sänger und Songwriter über «Omni», Feiern und Drag

Douglas Dare (Bild: Fran Gomez de Villaboa)
Douglas Dare (Bild: Fran Gomez de Villaboa)

Das lateinische Wort omni bedeutet «ganz», «jeder» oder «alles». So hat der britische Musiker Douglas Dare sein neues Album betitelt. Und tatsächlich hat die Platte etwas Allgegenwärtiges, Weltenumspannendes.

Douglas, mit «Omni» hast du dich entschieden, stärker in Richtung elektronische Musik zu gehen als auf deinen vorherigen Alben. Warum war dies der richtige Zeitpunkt? «Omni» ist eine Antwort auf mein letztes Album «Milkteeth». Das hatte einen eher akustischen Sound, deshalb wollte ich etwas anderes machen. Nach der Pandemie hatte ich Lust, das Klavier stehen zu lassen, auszubrechen und zu tanzen. Im Grunde ging es darum, Spass zu haben.

Was sind die zentralen Motive und Themen auf der Platte? Ich wollte nicht nach innen schauen, auf mich selbst, sondern nach aussen auf die Menschen um mich herum. Ich wollte ihre Geschichten erzählen und untersuchen, wo wir in dieser Welt stehen. Dabei habe ich gleichzeitig aber auch all die verschiedenen Facetten in mir entdeckt.

Es ist ein bisschen wie beim Drag: Wenn man eine andere Figur spielt, merkt man, dass all die Eigenschaften dieser Figur bereits in einem stecken. Man braucht nur ein Vehikel, um sie herauszuholen!

Welche Herausforderungen gab es beim Schreiben und Aufnehmen des Albums? Nur meine eigenen Grenzen, wenn es um die Produktion geht. Ich interessiere mich wenig für die Mechanik hinter elektronischer Musik, sondern allein für den Sound. Deshalb habe ich lange gebraucht, um das zu erreichen, was ich wollte. Ich brauchte oft Hilfe. Es war toll, mit dem talentierten Daniel Brandt zu arbeiten, der das Beste aus meinen Demos herausgeholt hat.

Die Rave-Kultur der 90er-Jahre war eine der Inspirationsquellen. Was fasziniert dich daran? Die späten 80er- und frühen 90er-Jahre waren der Beginn dessen, was wir als Rave-Kultur bezeichnen. Als jemand, der heute auf Raves geht, romantisiere ich die Anfänge sicher. Da war eine Härte und Ehrlichkeit, aber auch eine gewisse Naivität. Ich glaube, mein Experimentieren mit elektronischer Musik hat auch etwas Naives. Für mich gehören Raven und die queere Szene zusammen. Mein Storytelling ist von Natur aus queer.

Inwiefern kommt deine queere Identität in deiner Musik und deinen Texten zum Ausdruck? Es gibt einige Momente auf dem Album, in denen ich buchstäblich über queere Erfahrungen singe. Zum Beispiel bei «Mouth to Mouth» oder im Song «Sailor». Klanglich erinnern die gewählten Beats und Produktionen daran. «Painter» ist zudem vom Sound von George Michael inspiriert und «8w9zeros» klingt nach typischer Clubmusik. Ich hoffe, dass alle – vor allem aber queere Menschen – ihre Freude daran haben werden.

Wie wichtig ist dir dein Queersein als Aspekt deiner Identität? Ich erinnere mich, wie ich 11 Jahre alt war und darüber nachdachte, ob ich eine Pille nehmen würde, um heterosexuell zu werden, wenn das möglich wäre. Oft denke ich daran zurück und bin dankbar, dass ich mich jetzt wohlfühle und mich von solchen Gedanken distanzieren kann. Mich mehr zu lieben und zu akzeptieren, macht mich stolz. Ich bin gerne queer.

Mich mehr zu lieben und zu akzeptieren, macht mich stolz. Ich bin gerne queer.

Immer mehr LGBTIQ-Künstler*innen spielen bewusst mit Sexualität als Element innerhalb ihrer Kunst. Wie stehst du dazu? Das ist fantastisch und ich will mehr davon! Der einzige Nachteil ist, dass viele Leute sich aufregen, wenn eine Gruppe, die sie nicht mögen, sichtbarer wird und ein grösseres Publikum erreicht. Heterosexuelle Künstler*innen haben Sex jedoch schon immer benutzt, um zu provozieren. Queere Menschen sollten das auch tun dürfen. So einfach ist das!

Viele erfolgreiche Kolleg*innen sind auf dich aufmerksam geworden, haben dich durch ihre Empfehlungen unterstützt und mit dir zusammengearbeitet. Was war das schönste Kompliment, das du bekommen hast? Cilian Murphy ist zwar kein Musiker, aber ich muss sagen, dass ich mich sehr geehrt fühlte, als ich hörte, dass er meine Musik benutzt, um sich auf seinen Charakter in «Peaky Blinders» einzustimmen.

 Mit wem würdest du in Zukunft gerne noch zusammenarbeiten? Anohni steht für mich ganz oben auf der Liste. Ich liebe ihre Stimme einfach so sehr und es wäre mehr als magisch, unsere Gesänge zusammen zu hören.

Du hast ein Drag-Alter-Ego namens Visa. Was verbindet Visa mit Douglas? Ich bin damit aufgewachsen, dass meine Mutter für eine Dragqueen Klavier gespielt hat. Mit Anfang zwanzig habe ich angefangen, mich mit Make-up und Perücken zu beschäftigen. Bald wurde ich für Shows gebucht. Drag hat mir geholfen, kreativ zu bleiben und zu arbeiten, als meine Musik das nicht konnte.

Visa ist genau wie ich, nur durch einen Verstärker gejagt, mit ein bisschen Verzerrung! Ich liebe es, diese zwei verschiedenen Versionen von mir zu haben, und ich empfehle jedem, ein Ventil für seine Alter Egos zu haben. Während Douglas sich entspannt und historische Podcasts hört, tanzt Visa Hula-Hoop in einem Club und schlürft Bläschen aus einer Flasche.

Die Pet Shop Boys waren lange nicht mehr so gefragt. Ihre Songs laufen in angesagten Filmen, sie touren erfolgreich und haben Ende April ihr Album «nonetheless» veröffentlicht. Wir trafen Neil Tennant (69) und Chris Lowe (64) im Londoner Büro ihrer Plattenfirma und unterhielten uns über alte Autos, Küchentänze und Schlager (MANNSCHAFT+).

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