Documenta: Queere Künstler*innen fühlten sich diffamiert
Es gab Vorfälle mit rassistischem und transphobem Hintergrund
Die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, hat den Umgang der Weltkunstschau mit den Antisemitismus-Vorwürfen verteidigt.
In einer am Dienstagabend auf der Homepage der documenta veröffentlichten Erklärung betonte sie die Freiheit der Künstlerischen Leitung und berichtete von deren Sorge, in Deutschland nicht willkommen zu sein.
Den Vorwurf, zu lange untätig geblieben zu sein, wies Schormann zurück. Seit Bekanntwerden der ersten Vorwürfe im Januar habe es viele Gespräche gegeben: mit den Kuratoren und Künstlern, externen Experten, dem Aufsichtsrat, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und auch dem Zentralrat der Juden in Deutschland.
Schon damals hätten Kurator*innen und Künstler*innen «Zensur befürchtet und deswegen ein externes Expert*innengremium abgelehnt», schreibt Schormann. «Sie sahen sich unter Generalverdacht gestellt und aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder auch ihrer sexuellen Orientierung diffamiert und zum Teil auch bedroht. Insofern gab es bereits im Januar eine deutliche Abwehrhaltung gegenüber Eingriffen in die Kunst.»
Das Banner von Taring Padi mit den antisemitischen Bildmotiven sei nicht gleich abgebaut worden, weil man zunächst mit den Kuratoren und den Künstlern habe sprechen wollen: «Eine Entfernung des Werks aus der Ausstellung gegen den Willen der Künstlerischen Leitung und der Künstler*innen wäre als Ultima Ratio ein erheblicher Eingriff in die Künstlerische Freiheit gewesen.» Man habe das Bild inzwischen auch strafrechtlich prüfen lassen: Jurist*innen seien zu dem Schluss gekommen, «dass keine Strafbarkeit gegeben ist».
Dass nach dem Abbau erneut gefordert wurde, externe Expert*innen «mit Entscheidungsbefugnissen» sollten die Ausstellung überprüfen, habe «das Vertrauensverhältnis zu ruangrupa und den Künstler*innen enorm belastet», schreibt Schormann. Dass es dem Gremium möglich sein soll, Künstler auszuladen, verstehe man «als (Selbst-)Zensur». Neuerdings sei durch Vorfälle mit rassistischem und transphobem Hintergrund «der Eindruck entstanden, in Kassel und Deutschland nicht willkommen oder sogar gefährdet zu sein».
Zuletzt hatte der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, den Organisatoren vorgeworfen, auf den Antisemitismus-Skandal nicht ausreichend reagiert zu haben. Mendel kündigte sein Engagement als externer Experte und warf der documenta-Leitung vor, «auf Zeit zu spielen». Schormann widersprach Mendel nun öffentlich: «Diverse Darstellungen» Mendels in Interviews könnten «von uns nicht nachvollzogen werden»: Man sei immer erreichbar gewesen, die Aufgaben seien klar kommuniziert worden.
Die documenta sei «keine Nationen- oder Kunstleistungsschau», schloss Schormann, sie lege vielmehr «zukunftsweisende Konzepte» vor. «Möglich wird dies, weil seit Jahrzehnten die künstlerische Freiheit der jeweiligen Künstlerischen Leitung und der beteiligten Künstler*innen garantiert wurde. Darauf gründet sich der Ruf der documenta als bedeutendster Kunstausstellung der Welt.»
Queer-feindliche Aggressionen durch Security-Personal Nach den Antisemitismus-Vorwürfen gab es Ende letzter Woche einen weiteren Aufreger: Das indische Kollektiv Party Office gab bekannt, sein gesamtes öffentliches Live-Programm auf der documenta fifteen zu beenden. Als Grund wurden queer-phobische und rassistische Aggressionen genannt, ausgehend u.a. von documenta-Besucher*innen, aber auch Security-Personal, die die Gruppenmitglieder in den zurückliegenden Wochen immer wieder erlebt hätten, wie die Hessische/Niedersächsische Allgemeine berichtet.
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