«Die Schweiz des Südens» – Tasmanien entdecken
Auf der Insel kann man gut und queer leben – und Urlaub machen
«Tassie» – so nennen die Einheimischen ihre Insel liebevoll. Sie ist der südlichste und damit auch kälteste Bundesstaat Australiens. Seine Vielfalt ist unschlagbar.
Vermutlich ist Tasmanien ein ziemlich guter Vorgeschmack auf Neuseeland, auch wenn man dazu noch mal gut 2’000 Kilometer von Australien Richtung Osten durch die Tasmanische See zurücklegen muss. Obwohl es kaum vorstellbar ist, dass es irgendwo noch grüner werden kann. Beim Durchqueren der Insel fällt der Blick auf endlose Wiesen, auf denen Schafe weiden, für den europäischen Gast nicht die spannendsten Tiere hier. Das sind neben dem Känguru zweifellos der Tasmanische Teufel und der Wombat, die anderswo auf der Welt ein Leben im Zoo fristen müssen.
Auch sonst ist die Insel ausgesprochen vielseitig: schneebedeckte Berge, weisse Sandstrände, nicht enden wollende Moor- und Heidelandschaften und üppige Regenwälder. Das alles ist nicht nur wunderschön: Es riecht auch noch gut, was den hiesigen Eukalyptusbäumen zu verdanken ist; rund 700 Eukalyptusarten zählt allein die Insel.
Auch die Luft ist unverschämt sauber, jedenfalls in Cape Grim. Der Nordwestzipfel der Insel gilt als der Ort mit der saubersten Luft der Welt. Je nachdem wie der Wind steht – idealerweise aus dem Süden kommend, das nächste Festland ist die Antarktis –, tendiert das Aufkommen an Schmutzpartikeln pro Kubikmeter teils gegen Null.
Wer Fisch mag: Seafood ist hier unbedingt zu empfehlen. Barsch, Forelle, Makrele, Roter Schnapper – dank der grossen Bandbreite an Klimazonen und Ökosystemen gibt es hier nichts, was es nicht gibt. Allerdings müssen Australien-Reisende wissen: Günstig isst und lebt man hier nicht.
Viele Orte, die man aus Europa kennt, finden sich in dem klassischen Einwanderungsland Australien wieder: Liverpool, Heidelberg und sogar Grindelwald. Der Touristenort im Norden Tasmaniens beherbergt rund 1000 Seelen und einen Golfplatz.
Die Siedlung besteht seit gut 40 Jahren und ist stilistisch einem typischen Schweizer Dorf nachempfunden. Die Häuser haben ausladende, teils spitzwinklige Dächer, unter den Fenstern hängen Blumenkästen.
Der Ruf Tasmaniens als «Schweiz des Südens» ist aber älter. Auf einem historischen Werbeplakat ist Mount Ida mit dem St. Clair See zu sehen. Zum Skifahren fährt man aber besser in den Ben Lomond National Park, rund 80 Kilometer weiter im Osten gelegen.
In einer Bucht im südöstlichen Teil der Insel liegt Port Arthur. Auf den ersten Blick wirkt der Ort friedlich und idyllisch. Doch er ist eng verbunden mit der Gründungsgeschichte des heutigen Australiens – zu der das Verdrängen der Ur-Bevölkerung ebenso gehört wie die Gründung unerbittlicher Strafkolonien durch die Briten.
Damals wurden vor allem Männer nach Australien geschickt, zwischen 1788 und 1868 waren es wohl über 162’000. Einige kamen schon im Kindesalter, damals war man bereits mit 7 Jahren strafmündig. In Tasmanien behauptet man gerne im Scherz, die dortige Bevölkerung stamme nicht von den damaligen Strafgefangen ab, die seien nämlich alle in den Bundesstaat Victoria gezogen. Reines Wunschdenken.
Auf Tasmanien gab es einst zahlreiche Strafkolonien, darunter Port Arthur, das erste Gefangenenlager Australiens, eins der ausbruchsichersten, grausamsten und grössten im Land und heute UNESCO Weltkulturerbe. Hierhin wurden auch aufsässige Häftlinge anderer Gefängnisse entsandt. Port Arthur war benannt nach George Arthur, dem einstigen Vize-Gouverneur von Van Diemen’s Land, wie die Briten Tasmanien zunächst nannten, nachdem sie die Aboriginal-Bevölkerung abgeschlachtet und das Land geraubt hatten.
Wer versuchte zu entkommen, wurde mit bis zu 100 Peitschenhieben bestraft. An Grausamkeit übertroffen wurde Port Arthur vielleicht nur noch von Norfolk Island, südlich von Neukaledonien gelegen und näher an New Zealand als an Australien. Dort wurde der erste überlieferte schwule Liebesbrief geschrieben, von Denis Prendergast, der in Quellen auch mit dem Namen Pendergast auftaucht. 1838 kam er in Australien als Strafgefangener an und wurde später erhängt, weil er an einem Aufstand beteiligt war. Sein Brief an den Geliebten Jack, aus dem queere Medien gerne zitieren, endet mit den Worten: «Ich hoffe, Du verliebst dich in keinen anderen Mann, wenn ich tot bin, und dass ich dein wahrer Liebhaber bleibe.»
Tasmanien
Hauptstadt — Hobart Landessprache — Australisches Englisch Einwohner*innen — ca. 540 000 Beste Reisezeit — Wer milde Sommer mag, kommt von Dezember bis März, dann liegen die Temperaturen um 20 Grad. Im dortigen Winter, Juni bis September, wird es zwischen 5 und 12 Grad kalt bzw. warm. Auf dem Mount Wellington, dem Hausberg von Hobart, liegt dann stellenweise Schnee. Einreise — Tasmanien gilt, wie ganz Australien, als sicheres Reiseland. Die Insel erreicht man über einen der beiden Flughäfen, Hobart oder Launceston. Die Anreise per Fähre bietet sich nur an, wenn man viel Zeit hat – oder ein Mietauto. Bus und Zug fahren dauert irrsinnig lange.
Homosexuelle Kontakte unter Europäern waren im kolonialen Australien durchaus verbreitet, wie etwa der Historiker Robert Aldrich nachgewiesen hat. Angesichts «gleichgeschlechtlicher Verbrechen» der Inselbevölkerung sprach die Kirche damals von Vorgängen, die «einem das Blut gefrieren und vor lauter Horror die Haare zu Berg stehen» liessen.
Traurige Berühmtheit erlangte der Ort Port Arthur erneut am 28. April 1996: Bei einem Massaker erschoss der damals 28-jährige Martin Bryant insgesamt 35 Menschen und verletzte mindestens 20 weitere.
Tasmanien war 1997 der letzte Bundesstaat, der Homosexualität legalisierte. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: 2003 wurden hier die ersten Eingetragenen Lebenspartnerschaften in ganz Australien erlaubt; auch was die Geschlechtsoptionen in Geburtsurkunden angeht, ist der Bundesstaat sehr modern. In einem Vorort von Hobart trat im Jahr 2015 die ehemalige Fussballspielerin Martine Delaney an, die erste trans Bundespolitikerin Australiens zu werden. Sie kandidierte für die Grünen, landete aber nur auf Platz 3.
Die sattgrünen Landschaften und der wunderschöne, saubere, fast leere Stand – selbst am Wochenende! – haben mir am besten gefallen.
Queeres Leben findet weitgehend in der Hauptstadt Hobart statt. Dort wird jeden Februar ein eigenes Pride Festival gefeiert, die TasPride. Ansonsten gibt es eine Handvoll Bars wie The Grand Poobah, dessen Limbo-Party berüchtigt ist, oder das Twisted Lime, wo man mit Musik der australischen Lokalmatadoren AC/DC empfangen wird. Der einzige queere Club, das Flamingos, musste zu Beginn der Corona-Pandemie schliessen, nach 17 Jahren Bestehen. Mittlerweile sucht man nach einer neuen Location, bisher vergeblich.
Insidertipps
Das Polarlicht, Aurora borealis, findet auf der Südhalbkugel seine Entsprechung, und zwar in Tasmanien: das Südlicht Aurora australis. Da es auf der Insel so gut wie keine Lichtverschmutzung gibt, lässt sich das grün-blau-violett-rote Spektakel hier besonders gut geniessen, vor allem zwischen Mai und August. Dazu begibt man sich am besten nach Bruny Island, 30 Autominuten von Hobart entfernt, für die restliche Strecke gibt es eine Fähre. In Cape Bruny steht auch einer der ältesten Leuchttürme Australiens. Ausserdem kann man hier seltene Wildtiere wie Weisse Wallabys, eine Känguru-Art, beobachten oder sich mit regional hergestellten Leckereien wie Käse, Whisky und Schokolade eindecken.
Bei schlechtem Wetter oder ausserhalb der Saison empfiehlt sich ein Besuch im noch recht jungen Mona Museum, das sich vor allem den Themen Sex und Tod widmet. Sein Gründer und Besitzer, David Walsh, nannte es mal ein «subversives Disneyland für Erwachsene». Vor ein paar Jahren lief hier die erste australische Retrospektive des schwulen Künstlerpaars Gilbert & George. Diesen Februar trat Peaches beim jährlichen «Mona Foma»-Sommerfestival auf.
Es sei einer dieser Ort, wo man als Besucher*in sagen kann: «Ich bin mir bei der Kunst nicht sicher, aber die Architektur ist toll», heisst es in der ironischen Selbstbeschreibung des Museums, nachzulesen auf: mona.net.au
Island – Wo Feuer auf Eis trifft! Die Insel zählt zu den LGBTIQ-freundlichsten Ländern der Welt. Aber wer diese Vulkaninsel erleben möchte, muss nicht unbedingt die viel befahrene, 1400 km lange Ringstrasse abklappern (MANNSCHAFT+).
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