«Die Bisexualität meiner Hauptfigur wird nicht gross thematisiert»
Marco Kreuzpaintner («Sommersturm») legt mit «Beat» seine erste Serie vor
15 Jahre ist es her, dass Marco Kreuzpaintner (41) mit «Ganz und gar» seinen ersten Spielfilm ins Kino brachte. Wenig später gelang ihm mit dem autobiografisch inspirierten Coming-out-Drama «Sommersturm» eine der schönsten schwulen Geschichten des deutschen Kinos. Nun legt der offen schwule Regisseur mit «Beat» (Amazon Prime) seine erste Serie vor.
Herr Kreuzpaintner, hat in Zeiten von Amazon Prime, Netflix & Co. eigentlich jeder deutsche Filmemacher mindestens drei Serienideen in der Schublade? Ich hatte keine einzige auf Halde, als mich der Produzent Willi Geike, der auch für «You Are Wanted» verantwortlich war, nach einer fragte. Einfach weil ich gar keine Zeit hatte, mir über so etwas Gedanken zu machen, schliesslich bin ich einer der wenigen Regisseure, die durchgängig arbeiten und nicht zwei Jahre Zeit zwischen ihren Filmen haben.
Am Willen fehlte es also nicht? Im Gegenteil. Ich habe ja auch selbst in den letzten Jahren fast nur noch Serien geguckt, und im Kino war wenig Interessantes zu holen. Das ändert sich erst gerade, nicht zuletzt durch die Serien, und endlich darf man auch im Kino wieder spannende Stoffe angehen. Überhaupt ist es, um mal diesen Vergleich heranzuziehen, natürlich oft interessanter, einen langen Roman zu erzählen als eine kurze Erzählung. Zumal wenn man, wie im Fall von «Beat», relativ frei ist in der Umsetzung.
Wie sah die Freiheit denn in diesem Fall aus, verglichen zum Beispiel mit der Arbeit bei den Öffentlich-Rechtlichen? Amazon hat nicht mit einer Silbe reingeredet. Erst bei der Schnittabnahme sass dann eine nette Frau aus Grossbritannien mit dabei, und selbst die sagte immer: «Ich mache mal einen Vorschlag, von dem ich glaube, dass er die Serie besser machen könnte, aber wenn du das anders siehst, vergiss einfach, dass ich überhaupt etwas gesagt habe.» Sehr angelsächsisch! Aber tatsächlich kamen dann auch gute dramaturgische Anmerkungen, nicht Banalitäten wie: X ist mir zu krass oder Y mag ich nicht.
Sie waren immer schon ein Regisseur, der durch-aus international gedacht hat, und haben auch schon in den USA gearbeitet. Wie sehr haben Sie bei «Beat» das weltweite Publikum mitgedacht? Ach, da bin ich von meinem eigenen Geschmack ausgegangen, in der Hoffnung, dass der international genug ist (lacht). Nein, im Ernst: Ich denke nie darüber nach, ob irgendetwas in den USA oder in England gut ankommt, sondern stelle mir höchstens die Frage, ob eine Szene universell verständlich ist – nicht nur im eigenen Kulturkreis. Aber so habe ich immer schon gearbeitet. Ich wollte nie eine Geschichte nur für meine Nachbarn erzählen, sondern immer auch für die in der nächsten Stadt.
Aber noch einmal kurz zurück zum Anfang: Obwohl Sie noch keine Ideen in petto hatten, haben Sie dann eine ausgearbeitet. Warum ausgerechnet ein Thriller in der Welt des Berliner Nachtlebens? Mir war es ganz wichtig, wieder ein persönliches Projekt umzusetzen, denn von reinen Auftragsarbeiten wie «Stadtlandliebe» hatte ich genug. Eine Geschichte, bei der ich selbst auch wirklich etwas zu erzählen habe, darum ging es mir. Ausserdem hatte ich die Schnauze voll von Komödie, denn ich ertrage es einfach nicht mehr, wie deutsche Komödien zu funktionieren haben.
«In diesen Zeiten der krassen Gentrifizierung wollte ich gerne dem Berlin, wie ich es erlebt habe, noch eine Art Poesiealbum in Form einer Serie widmen.»
Okay, das erklärt das Genre. Aber das Setting? Berliner Technoclubs, Drogen- und Menschenhandel, ein europäischer Geheimdienst – wie persönlich ist das? Bis ich vor drei Jahren zurück nach Bayern aufs Land gezogen bin, habe ich ja über zehn Jahre in Berlin gelebt. Zumindest was das Nachtleben angeht, konnte ich also auf Erfahrungen zurückgreifen. Dieser Lebensstil von Party machen, Drogen nehmen, herumvögeln – das habe ich, wie der eine oder andere in Berlin, jahrelang so gemacht. Und in diesen Zeiten der krassen Gentrifizierung, die wir gerade erleben, wollte ich gerne dem Berlin, wie ich es erlebt habe, noch eine Art Poesiealbum in Form einer Serie widmen. Rechtzeitig bevor auch diese Gattung freier Clubkultur irgendwann komplett verschwindet.
In welchen Clubs konnte man Sie denn antreffen? Natürlich im Berghain, wo sich als einem der ganz wenigen Orte in Berlin das Flair von vor zehn oder fünfzehn Jahren noch gehalten hat. Ich war auch immer mal wieder im Schwuz, damals noch in der alten Location. Aber ich bin auch – und das ist jetzt etwas ganz anderes – bekennender Fan vom Havanna in Schöneberg. Das ist eigentlich ein echt übler Latin-Club, aber mein Freund Hanno Koffler ist in dem Laden gross geworden, weil der seinem Cousin gehört. Wir haben da nächtelang backstage abgehangen. Und dadurch ist mir überhaupt erst die Idee gekommen, Hanno in «Beat» einen Clubbesitzer spielen zu lassen.
Nichts misslingt am Fernsehen so oft wie… … Clubszenen! Ich weiss. Aber ich weiss auch wieso: die Leute tun einfach immer nur so als würden sie feiern. Wir dagegen haben eine Party organisiert und gefilmt. Wir haben die Musik nie heruntergedreht und die Schauspieler immer einfach drübersprechen lassen. Für die paar Sätze, die in diesen Szenen gesprochen werden, wollte ich nicht die Echtheit dieser Momente opfern und am Ende mit Aufnahmen dastehen, wo ganz erkennbar wieder alle nur so tun als ob. Dann lieber später noch etwas synchronisieren. Wurde da auch gesoffen und mehr? Nicht auf Produktionskosten, aber das ist alles, was ich garantieren kann (lacht). Als wir die Kameras ausmachten, ging es auf jeden Fall noch weiter.
Allerdings sollte man vielleicht dazu sagen, dass das Feiern, der Sex und die Drogen nur einen kleinen Teil von «Beat» ausmachen, oder? Auf jeden Fall. Das ist nicht das Thema, sondern der Alltag unseres Protagonisten. Eine Selbstverständlichkeit also. «Beat» ist auch keine Techno-Serie, wie ich immer wieder lesen musste. Das ist nur eine Serie, in der die Hauptfigur nachts in der Technoszene verankert ist. Der eigentliche Plot hat damit wenig zu tun. Auch wenn natürlich jede Menge düsterer Berghain-Techno zu hören ist.
Die Bisexualität von Beat, dem Party-Promoter, wird nicht an die grosse Glocke gehängt… Das wird ja noch nicht einmal gelabelt. Der ist alles… Ab und zu macht er so rum, ab und zu so. Beat nimmt sich heraus, immer so Spass zu haben, wie er sich gerade fühlt. Aber auch das ist in dieser Serie ganz selbstverständlich und kein grosses Thema.
Man würde sich aber auch mal wieder über eine Geschichte mit einem schwulen Protagonisten freuen! Ich mich auch! Und das mache ich auch wieder, keine Sorge.
Ist denn Beat – sexuelle Identität hin oder her – auch ein Alter Ego von Kreuzpaintner? Klar. Aber das ist natürlich eine rhetorische Frage. Man versucht doch als Regisseur immer, etwas von sich in die Hauptfiguren miteinzubringen. Und wie hübsch ich mich selber finde, sieht man daran, dass ich mich mit Jannis Niewöhner besetzt habe (lacht).
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