Das sind unsere queeren Serien-Geheimtipps
So viele Serien, so wenig Zeit? Ein Überblick, was aus LGBTIQ-Perspektive besonders sehenswert ist
Im immer unübersichtlicher werdenden Dickicht der Streaming-Plattformen, die immer mehr Content anbieten, lässt sich kaum noch der Überblick behalten. Deswegen haben wir hier eine kleine Liste mit Serien zusammengestellt, die längst nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekommen haben, aber gerade aus LGBTIQ-Sicht besonders lohnen.
«Station Eleven» Corona ist es nicht, auch wenn die Anfänge ähnlich sind. Ein Grossteil der Menschheit fällt einem mutierten Grippevirus zum Opfer, und auf mehreren Zeitebenen erzählt nun die zehnteilige Verfilmung des gleichnamigen Romans von Emily St. John Mandel von Menschen, die diese Pandemie er- und überleben.
Im Mittelpunkt der erstaunlich farb- und hoffnungsfrohen Dystopie steht Schauspielerin und Shakespeare-Fan Kristen (als Erwachsene gespielt von der immer wunderbar burschikosen Mackenzie Davis), doch eine ganze Episode widmet sich z.B. auch dem schwulen Clark (David Wilmot), der mit anderen an einem Provinzflughafen hängen bleibt. Spannend, clever und zutiefst menschlich. Zu sehen bei: Starzplay (D) und Sky (CH)
«Special – Ein besonderes Leben» Eine von vielen, oft queeren semi-autobiografischen Tragikomödien der letzten Jahre (siehe auch: «Feel Good», «Work in Progress», «Please Like Me»). Ryan O’Connell, demnächst auch im «Queer as Folk»-Reboot zu sehen, erzählt von einem jungen Mann wie sich selbst: schwul und durch seine Infantile Zerebralparese körperlich eingeschränkt. (MANNSCHAFT berichtete im Rahmen dieser Serie darüber, wie Menschen mit Behinderungen auf Grindr und anderen Dating-Apps komplett ignoriert werden.)
Seine Suche nach Selbstständigkeit und Sex, Liebe und Freundschaft ist herrlich komisch und wunderbar ehrlich. Zu schade, dass Netflix – wie so oft – schon nach zwei Staffeln den Stecker gezogen hat. Zu sehen bei: Netflix
«Giri/Haji – Pflicht und Schande» Krimiserien beherrschen die Briten wie wenige andere, das ist keine Frage (siehe etwa «Vigil», mit zwei lesbischen Ermittlerinnen, noch bis 18. Februar in der Arte-Mediathek).
Doch selbst an hohen Standards gemessen, ist dieser, bei uns viel zu wenig beachtete Achtteiler besonders gelungen.
Ein japanischer Kommissar kommt nach London, wo sein verschwundener Bruder in einen Mafia-Mord verwickelt sein könnte, und kreuzt dort den Weg einer britischen Kollegin. Ein wunderschöner und aufregender Clash der Kulturen, mit einem exzellenten Ensemble, in dem nicht zuletzt Will Sharpe (sonst Regisseur, siehe demnächst «Landscapers» mit Olivia Colman) als schwuler Sexarbeiter brilliert. (MANNSCHAFT berichtete über das Problem schwuler Sichtbarkeit in Japan.) Zu sehen bei: Netflix
«Dopesick» Den rasanten Aufstieg des Schmerzmittels OxyContin, das Grassieren der Opioiden-Epidemie in den USA und die erschütternden Pharma-Machenschaften dahinter zeichnet diese Serie von Danny Strong («Empire») nach.
Das ist erschütternd anzusehen und mitunter schwer erträglich, nicht zuletzt im Handlungsstrang der jungen lesbischen Minenarbeiterin Betsy, deren religiösen Eltern sie eher leiden sehen wollen als ihre Homosexualität anzuerkennen.
Kaitlyn Dever («Booksmart») ist in der Rolle einmal mehr fantastisch, wie auch der Rest der Besetzung – u.a. Michael Keaton, Peter Sarsgaard oder Rosario Dawson – exzellent ist. Zu sehen bei: Disney+
«Harlem» Nicht zufrieden mit der Neuauflage von «Sex and the City»? (MANNSCHAFT berichtete über die Kritik an der Serie.) Dann wäre vielleicht diese Comedy-Serie eine schöne Alternative. Auch hier geht es um Freundinnen in New York, die sich mit Liebe, Sex, Karriere und allem anderen beschäftigen, was einen in seinen Dreissigern so umtreibt.
Krampfhaft auf Diversität geschielt wie in «And Just Like That» wird dabei nicht, weil alle vier sowieso Schwarz sind. Und die coole Tye (Jerrie Johnson) ist auch noch lesbisch, was eine grosse Selbstverständlichkeit, aber doch wichtiger Plotpunkt der Serie ist. Nicht nur bei diversen Bettgeschichten.
Ach, und Whoopi Goldberg spielt auch noch mit! Zu sehen bei: Prime Video
«Mein queeres Leben» Autofiktion – siehe oben – gibt es nicht nur im englischsprachigen Raum, wie diese wundervolle und mit sechs Folgen viel zu kurze spanische Serie beweist. Der Komiker und Autor Roberto Enríquez erzählt in «Maricón Perdido» (so der Originaltitel, auf Deutsch: hoffnungslose Schwuchtel) sowohl von seiner Jugend im katholischen Spanien der späten Achtziger als auch vom Studentendasein in der Grossstadt.
Dafür hat er zwei fantastische Schauspieler gefunden, die ihn verkörpern (auf einer dritten Zeitebene spielt er sich selbst) – und einen tragikomischen Tonfall, der gleichermassen anrührt und zum Lachen anregt. Zu sehen bei: Sky (D) und UPC TV (CH)
«P-Valley» «Warum erzählt Du als an einer Elite-Uni ausgebildete Autorin nicht lieber was von Ärzt*innen oder Anwält*innen?» Diese Frage bekam Showrunnerin Katori Hall angesichts ihrer Serie «P-Valley» öfter zu hören. Doch sie setzt lieber auf schmuddelig-schwitziges Nachtleben und siedelt ihre Geschichte in einem Strip Club in Mississippi an.
Schwarze Lebenserfahrungen stehen dabei im Fokus dieses Dramas, und dazu gehört natürlich auch Queeres, wundervoll repräsentiert durch Uncle Clifford, nicht-binäre Clubbetreiber*in, dargestellt vom schwulen Schauspieler Nicco Annan. Der GLAAD Media Award war nur einer von vielen Preisen, für die die Serie nominiert war, und eine zweite Staffel ist auch schon in Arbeit. Zu sehen bei: Starzplay (D) und Swisscom (CH) sowie Sky (CH)
«Dispatches From Elsewhere» Eine mysteriös-humorvolle und immer wieder auch berührende Serie mit so prominenten Hauptdarsteller*innen wie «How I Met Your Mother»-Star Jason Segel (der sich das Ganze auch ausgedacht hat), Oscar-Gewinnerin Sally Field, Hip-Hop-Ikone Andre Benjamin und dem wundervollen Richard E. Grant – und kaum jemand spricht über sie?
Es ist nie zu spät, daran etwas zu ändern, auch wenn «Dispatches From Elsewhere» durchaus Geduld und Aufmerksamkeit vom Publikum fordern. Dafür gibt es dann als Belohnung die hinreissende trans Schauspielerin Eve Lindley in ihrer bislang grössten Rolle zu entdecken, die den berühmten Kolleg*innen fast die Schau stiehlt. Zu sehen bei: Prime Video
«The Other Two» Cary (Drew Tarver) ist schwul und erfolgloser Schauspieler, seine Schwester Brooke (Heléne Yorke) hetero und ehemalige Tänzerin. Gemeinsam taumeln sie ziellos durchs Leben, als plötzlich ihr kleiner Teenie-Bruder zur YouTube-Sensation wird, mit der Mama (die unwiderstehliche Molly Shannon) als Managerin.
Daraus wird in «The Other Two» ziemlich alberne, aber doch warmherzige Comedy, mit vielen absurden Einfällen und noch mehr Anspielungen an Pop- und Gay-Kultur. Ach, und mit spielender Leichtigkeit die mit Abstand lustigste Serie jenseits von «Schitt’s Creek».
Die erste Staffel schaffte es nur mit Ach und Krach nach Europa, die zweite – und noch bessere! – lässt bei uns weiter auf sich warten. Derweil wird in den USA schon an der dritten geschrieben. Zu sehen bei: als VOD bei Amazon, AppleTV, Google Play u.a. (D)
«High Fidelity» Nick Hornbys Roman «High Fidelity» und später die Kinoverfilmung durch Stephen Frears waren eine ziemlich heterosexuell-männliche (und natürlich weisse) Angelegenheit, die heute im Rückblick nicht mehr ganz so lässig wie in den Neunziger Jahren. Das stellt diese Serien-Neuverfilmung nun ziemlich frisch und frech auf den Kopf, auch wenn es immer noch um einen Plattenladen und das Aufarbeiten verflossener Beziehungen geht.
Im Zentrum steht mit Rob (Zoë Kravitz) nun eine schwarze bisexuelle Frau, und einen schwulen besten Freund und Mitarbeiter (David H. Holmes) hat sie auch noch. Das ist so charmant und cool, dass man am Ende richtig ärgerlich ist, dass das Hoffen auf eine Fortsetzung vergeblich war. Zu sehen bei: Disney+ sowie Starzplay (D) und Disney+ sowie Sky oder Swisscom (CH)
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