«Cyril Avery» – eine Geschichte des Schwulseins
Von Geburt an steht das Leben von Cyril Avery unter einem ungünstigen Stern. Aber seine Geschichte ist kein Jammertal.
Seit seiner Geburt steht Cyril Averys Leben unter einem ungünstigen Stern. Als uneheliches Kind hat er nämlich keinen Platz in der konservativen irischen Gesellschaft der 1940er Jahre. Ein exzentrisches Dubliner Ehepaar nimmt ihn in die Familie auf, doch auch dort findet er nicht das Zuhause, nach dem er sich sehnt. In dem katholischen Jungeninternat, auf das sie ihn schicken, lernt er schließlich Julian Woodbead kennen und verliebt sich …
Thomas Ott vom Stuttgarter Buchladen Erlkönig hat John Boynes «Cyril Avery» für uns gelesen.
Der erste Satz Lange bevor wir herausfanden, dass er zwei Kinder mit zwei verschiedenen Frauen gezeugt hatte, einer in Drimoleague und einer in Clonakilty, stand Father James Monroe vor dem Altar der Kirche Unserer Lieben Frau, Stern des Meeres, der Gemeinde Goleen in West Cork und brandmarkte meine Mutter als Hure.
Das Genre «Grosser Gesellschaftsroman»: Siebzig Jahre lang – von 1945 bis 2015 – begleiten wir Cyril Avery. Es ist seine Geschichte. Aber auch die Irlands. Und es ist – weit mehr, als der Klappentext das andeutet – eine Geschichte des Schwulseins!
Die Handlung Wer bin ich? Diese Frage ist es, auf die Cyril Avery seit jeher eine Antwort sucht. Denn er ist kein «echter» Avery, wie seine verschrobenen Adoptiveltern Maude und Charles immer wieder betonen. Und auch sonst fällt es ihm schwer, seinen Platz in der konservativen Gesellschaft Irlands der 1940er Jahre zu finden. Doch dann lernt er Julian Woodbead kennen. Die innige Freundschaft, die zwischen ihm und dem glamourösen Lebemann entsteht, wird Ausgangspunkt einer abenteuerlichen Reise, die ihn schließlich zu den Dingen führt, nach denen er sich immer gesehnt hat.
Auf mitreißende Weise erzählt John Boyne von der rastlosen Suche eines Mannes nach Identität, Heimat und Glück und beleuchtet gleichzeitig die Entwicklung eines ganzen Landes.
Das Urteil „The Heart´s Invisible Furies“: Der Originaltitel zeigt, dass John Boyne hier keine „Nettigkeiten“ im Sinn hat: Der Roman ist eine wütende Abrechnung mit der katholischen Bigotterie und Engstirnigkeit, die Irland lange beherrschte. Auch der Held und Ich-Erzähler wird jahrzehntelang beherrscht von Scham und Selbsthass, und wir leiden mit ihm, immer in der Hoffnung auf ein „Happy-End“. Zumindest ein bisschen, soviel kann man verraten, tut uns John Boyne den Gefallen.
John Boyne tut uns aber ganz besonders den Gefallen, 733 Seiten zu schreiben und mit keiner einzigen Zeile zu langweilen! Was diesen Roman wirklich weit über der Durchschnitt hebt, ist der bizarre und staubtrockene Humor, der immer wieder durchbricht. Ja: die Geschichte des Cyril Avery ist wahrlich keine vergnügliche: sie ist gespickt mit traurigen, bösen oder schlicht tragischen Ereignissen – und eben doch kein Jammertal.
Gewidmet hat John Boyne das Buch übrigens John Irving. Wer da an „Garp“ oder „Hotel New Hampshire“ denkt, liegt richtig.
John Boynes „Cyril Avery“ (Roman, 733 Seiten, Piper) kann man hier bestellen.
Zum Schluss noch eine Frage:
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