Candy Licious: «Meine Arbeit als Aktivist*in ist noch lange nicht vorbei»

Die Dragqueen ist Queeros-Gewinnerin für Österreich

Candy Licious (Foto: Alexander Schwarz)
Candy Licious (Foto: Alexander Schwarz)

Candy Licious hat das Queeros-Voting in Österreich für sich entschieden. Die Dragqueen wird für ihr ehrenamtliches Engagement geehrt.

Von Christian Höller

Eine solche Hetzaktion hatte es in Österreich zuvor nicht gegeben. Fast die gesamte rechtsextreme Szene Österreichs rief im Vorjahr zu Protesten gegen eine Kinderbuchlesung der Dragqueen Candy Licious im Rahmen des Vienna Pride auf.

Über Nacht wurde sogar der Eingang des Veranstaltungsorts, der Bücherei Mariahilf in Wien, zugemauert (MANNSCHAFT berichtete). In sozialen Medien wurde Candy Licious wüst beschimpft und angegriffen. Doch sie liess sich nicht unterkriegen. «Ich bleibe standhaft», erklärte sie. Rückendeckung erhielt die Dragqueen von der queeren Community. Aktivist*innen und Szenepersönlichkeiten kamen zum Veranstaltungsort, um sie zu unterstützen.

Ohne Unterstützung durch Freund*innen und dem zahlreichen Zuspruch hätte ich diesen emotionalen Tag nicht so gut geschafft

Politiker*innen von SPÖ, Grüne und Neos solidarisierten sich mit ihr. Die Kinder waren von Candy Licious begeistert. «Ohne Unterstützung durch Freund*innen und dem zahlreichen Zuspruch hätte ich diesen emotionalen Tag nicht so gut geschafft», sagt die Dragqueen heute. Für diese und weitere Auftritte sowie ihr ehrenamtliches Engagement wählten die Leser*innen von MANNSCHAFT die Dragqueen zu den Queeros 2022.

Candy Licious ist in Österreich eine bekannte Aktivist*in und setzt sich in vielen Vereinen und Organisationen ehrenamtlich für die queere Community ein. Dazu gehören beispielsweise die Homosexuelle Initiative (Hosi) Wien, Rechtskomitee Lambda, Queeramnesty, Aids Hilfe Wien, Red Edition und Mistelbach Pride.

So gut wie alle Personen, die Candy Licious gut kennen, heben ihre Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft hervor. Die Dragqueen wirkt weder abgehoben noch unnahbar. Menschen können sich immer an sie wenden, egal um welche Angelegenheiten es geht. Candy Licious ist dafür bekannt, ein offenes Ohr zu haben. Sie ist in der queeren Community Österreichs bestens vernetzt. Falls sie einmal nichts tun kann, kennt sie sicher Menschen, die weiterhelfen können.

Ein eigenes Kinderbuch schreiben Für Candy Licious ist die Wahl zum Queero 2022 «ein Zeichen und Ansporn, dass meine Arbeit als Aktivist*in noch lange nicht vorbei sein wird», sagt sie im Gespräch mit MANNSCHAFT.

Sie ist voller Ideen, wenn sie über ihre Pläne für 2023 spricht. Als Sexualpädagog*in möchte sie für die Aids Hilfe Wien und auch unabhängig davon mehr Workshops machen. Ausserdem will sie künftig Sexualbegleitung bzw. Sexualassistenz für Menschen mit Behinderungen anbieten. Dazu hat Candy Licious eine Ausbildung absolviert.

Ich möchte meine Geschichte erzählen

Hinzu kommen zwei Herzensanliegen: In ihrer Heimat – der Marktgemeinde Stainz in der Steiermark – will sie etwas zu Diversity bzw. Drag machen. Ein weiterer Wunsch ist es, ein eigenes Kinderbuch zu schreiben. «Ich möchte darin meine Geschichte erzählen», sagt Candy Licious. In dem Buch soll es um einen kleinen Jungen gehen, der schon immer eine Prinzessin sein wollte. Doch der Junge durfte nicht. Denn seine Eltern wollten ihn beschützen. Sie hatten Angst, dass er in der Öffentlichkeit angegriffen wird – dass mit dem Finger auf ihn gezeigt wird, wenn er sich als Prinzessin zeigt. Der Junge hielt es nicht aus. Er wollte sich nicht verstecken. Daher flüchtete er von der Provinz in die Grossstadt.

Candy Licious (Foto: Peter Schmid)
Candy Licious (Foto: Peter Schmid)

Begonnen hat alles beim Tuntathlon Candy Licious alias Bernie Ledinski (kein Pronomen) möchte mit diesem Buch Kinder ermutigen, «sich nicht zu verbiegen und für sich selbst einzustehen». Sie selbst hat zuerst in Graz und dann in Wien in der queeren Community viel Empowerment erlebt. «Ich bin ein Community Mensch. Ich habe mich in Wien gleich bei vielen queeren Vereinen engagiert.»

Und dann kam der Tuntathlon. «Ein Freund hat mich gefragt, ob ich mitmachen will. Ich wusste damals gar nicht, was der Tuntathlon ist», schmunzelt Bernie. Bei dieser Veranstaltung, die einmal im Jahr stattfindet, messen sich Teams zu je drei Tunten in folgenden Disziplinen: Weitwurf mit Handtaschen, Stafettenlauf mit Stöckelschuhen und Synchronbügeln. Bernie nahm mit einem geliehenen Kleid und kaputten Stöckelschuhen teil: «Damit hat alles begonnen.» Die Begeisterung für Drag ist immer grösser geworden.

Nach dem Tuntathlon begab sich Bernie unter die Fittiche der Drag-Mutter Shelby O´Dignity und lernte bei der Gruppe Divas das Einmaleins der Travestie. «Seit sechs Jahren mache ich jetzt mein eigenes Ding», erzählt Candy Licious. Der Name geht darauf zurück, «weil ich oft mit Lutscher und Streuselzucker herumgelaufen bin».

Mittlerweile entwickelt die Dragqueen eigene Shows, tritt bei Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen auf. Sie kann von Firmen, Organisationen und Personen gebucht werden. Was die schwule Community betrifft, sei diese in den vergangenen Jahren etwas offener gegenüber Dragqueens geworden, merkt Candy Licious an. Allerdings sei auf schwulen Datingseiten noch viel toxische Männlichkeit und eine Fixierung auf einen bestimmten Körperkult (durchtrainiert, schlank, jung, männliches Aussehen) feststellbar.

Als meine Mitschüler gemerkt haben, dass ich schwul bin, haben sie aufgehört, sich mit mir zu treffen.

Schwieriges Coming-out in der Steiermark Es gab auch eine Zeit, in der es Bernie Ledinski nicht so gut ging. Vor einigen Jahren erzählte Bernie im österreichischen Fernsehen in der bekannten Sendereihe «Am Schauplatz» über eine Depression und das Coming-out in der Steiermark: «Als meine Mitschüler gemerkt haben, dass ich schwul bin, haben sie aufgehört, sich mit mir zu treffen.» Sie hatten Angst, «sich bei mir anzustecken». Für die Mutter war das Coming-out anfangs ein Schock: «Ich habe geschluchzt und war fassungslos», erzählte die Mutter im Fernsehen.

Meine Freund*innen stehen immer hinter mir und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.

Bernie war schliesslich in Psychotherapie. «Ich musste für mich einiges aus der Vergangenheit aufarbeiten und klären.» Psychotherapie sei nichts Beschämendes, sondern habe viel geholfen, sich selbst zu akzeptieren, erzählt Bernie. Auch die Eltern entwickelten sich seit dem Coming-out weiter. Sie besuchen mittlerweile die Shows von Candy Licious und sind stolz. Nur die zwei Schwestern sind noch nie auf einer Show gewesen, obwohl sich Bernie das wünscht. «Das Engagement in der queere Community und die Auftritte auf der Bühne haben mir geholfen, Selbstbewusstsein zu entwickeln und Ängste zu überwinden», sagt Candy Licious.

Ohne die gewählte Familie – dazu zählt ihr «House of Licious» – wäre sie nicht so weit gekommen: «Meine Freund*innen stehen immer hinter mir und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.»

Auch 2023 möchte Candy Licious wieder Lesungen für Kinder anbieten. Hoffentlich findet die Dragqueen bei den vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten auch Zeit, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben, damit sie einmal daraus vorlesen kann.

Das könnte dich auch interessieren