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«Damit niemand mehr für privates Tinder-Profil belangt werden kann»

Die Richtlinien für die «ausserdienstliche Wohlverhaltenspflicht» wurden geändert

Anastasia Biefang
Anastasia Biefang im Bundesverwaltungsgericht (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Bundeswehr-Kommandeurin Anastasia Biefang hatte wegen ihres Tinder-Profils einen Verweis erhalten und war deswegen vor Gericht gezogen. Nun wurden die Richtlinien geändert.

Biefang, die den Rang eines Oberstleutnant hat, ist inzwischen Referatsleiterin im Kommando Cyber- und Informationsraum in Bonn, müsse ihren privaten Auftritt beim Online-Dating zurückhaltend gestalten. Sie dürfe ihre Worte nicht so wählen, dass ihr Ansehen als Soldatin beschädigt werde, entschied im Mai 2022 der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts.


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Biefang, die auch als MANNSCHAFT-Kolumnistin tätig ist, hatte 2019 in ihrem Tinder-Profil den Text «Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome» geschrieben. Das ging der Bundeswehr zu weit, ihr Disziplinarvorgesetzter erteilte ihr einen Verweis.


Nun hat sich die Bundeswehr bewegt: Wie es in einem Brief des Verteidigungsministeriums an die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der MANNSCHAFT vorliegt, heisst, trat am 1. September trat die durch Staatssekretär Hilmer erlassene Allgemeine Regelung A-2610/2 «Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten» im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung in Kraft. Diese führe alle bisher bestehenden Einzelregelungen und Vorgaben zu diesem Themenfeld zusammen. Die Inhalte seien auch an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst worden.

Unter Punkt 104 heiss es dort u.a.: «Sexualität ist natürlich und Ausdruck der Persönlichkeit. Sie ist dem Privatleben zuzuordnen und als Bestandteil der Privat- und Intimsphäre vor staatlichem Zugriff besonders geschützt. Die Intimsphäre und mit ihr die Sexualität der Angehörigen des GB BMVg sind daher einer Einflussnahme durch den Dienstherrn grundsätzlich entzogen.»

Anastasia Biefang erklärte gegenüber MANNSCHAFT: «Ich hoffe, dass die längst überfällige Anpassung der Regelung zum Verständnis von Wohlverhaltenspflicht tatsächlich dazu führt, das die gesellschaftlichen Realitäten einer offenen und vielfältigen Gesellschaft in unseren Gesetzen und Vorschriften Einzug erhalten. Rückwärtsgewandte und aus der Realität gefallene moralische Sichtweisen dürfen nicht der Massstab bei der Betrachtung von Verhalten sein. Hier muss eine Normierung geschaffen werden, die Soldat*innen vor individueller Willkür und Diskriminierung durch Vorgesetzte aufgrund ihrer persönlichen Lebensentwürfe schützt.»


Sie wünsche sich, «dass hier jetzt schnell und transparent gehandelt wird und in der Umsetzung Handlungssicherheit für Vorgesetzte und Soldat*innen geschaffen wird und damit der eigene Anspruch der Bundeswehr, eine offene und vielfältige Bundeswehr für alle zu sein, konsequent und sichtbar gelebt wird.»

Falko Droßmann, queerpolitischer Sprecher der SPD, hatte bereits Mitte September in einer Pressemitteilung erklärt, dass die «ausserdienstliche Wohlverhaltenspflicht» angepasst worden sei.

«Recht und Dienstvorschriften, beispielsweise der Bundeswehr, auf den Stand der gesellschaftlichen Realität zu heben war und ist unser Ziel als Fortschrittskoalition. Dass unser Verteidigungsminister so schnell handelt, setzt Massstäbe. Fälle, wie der disziplinarrechtliche Verweis gegen Anastasia Biefang sorgten für Aufsehen. Dabei sind doch schlicht die zugrundeliegenden Vorschriften veraltet, ihre Anwendung erscheint dann wie aus der Zeit gefallen. In einem solchen Fall müssen die Vorschriften einfach auf die Höhe der Zeit gebracht werden, damit niemand mehr für ein privates Tinderprofil belangt werden kann.»

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