Familie, tiefe Liebe und Bipolarität in einer schwulen Beziehung

Interview mit Paul Zacher und Axel Ranisch zur queeren NDR-Hörspielserie «Anton und Pepe»

Regisseur und Autor Axel Ranisch (l.) mit Ehemann Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch)
Regisseur und Autor Axel Ranisch (l.) mit Ehemann Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch)

Der Film- und Opernregisseur Axel Ranisch hat zusammen mit seinem Ehemann Paul Zacher eine fünfteilige Hörspielserie geschrieben, die in der ARD-Mediathek als Download bereitsteht. Darin geht es um die Höhen und Tiefen ihres Lebens zusammen in Berlin-Lichtenberg.

Ihr habt zusammen die NDR-Hörspielserie «Anton und Pepe» geschrieben, über eine queere Patchworkfamilie. Es ist eine fiktionalisierte Version eurer eigenen Beziehungsgeschichte. Wer hatte die Idee, eure private Story derart öffentlich zu machen? Axel Ranisch: Wir haben schon lange darüber gesponnen, lange bevor es die Möglichkeit gab, daraus ein Hörspiel zu machen. Ich bin ein Familienkind und sehr nah mit meinen Eltern und meiner Oma. Paul und ich hatten Spass an dem Gedankenspiel, wie es wäre, wenn wir mit Mama und Oma zusammenziehen würden, um sie voreinander zu beschützen. (lacht) Die beiden können ganz schön aneinander rasseln.

Deine Mutter und Oma? Axel Ranisch: Genau. Wobei in dieser Überlegung auch Pauls Mutter ganz nah war. Allerdings auch nicht deeskalierend.

Paul Zacher: Selbstverständlich! (lacht) Wenn wir bei Axels oder meinen Eltern auf der Couch sassen, haben wir uns häufig über diese Art des Zusammenlebens lustig gemacht und sie immer wieder neu ausgestaltet.

Axel Ranisch: Manchmal haben wir uns sogar Gute-Nacht-Geschichten erzählt, in denen es darum ging, wie es wäre, wenn Oma nebenan schlafen würde. (lacht)

Oma Ruth (Mitte) zusammen mit ihrem Enkel Axel Ranisch und dessen Ehemann Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch und Paul Zacher)
Oma Ruth (Mitte) zusammen mit ihrem Enkel Axel Ranisch und dessen Ehemann Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch und Paul Zacher)

Und daraus ist die Idee zu «Anton und Pepe» entstanden? Axel Ranisch: Michael Becker, unser Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk, meldete sich irgendwann und wünschte sich ein Hörspiel von mir: «Egal was!» Da habe ich Paul gefragt, ob wir nicht unsere Familiengeschichte ausprobieren wollen. Wir hatten zuvor überlegt, ob man daraus nicht eine Sitcom machen könnte, ein Format fürs Fernsehen. Das waren Überlegungen im Spass … und plötzlich fanden wir, wir könnten das Ganze ja mal als Hörspiel ausprobieren. (MANNSCHAFT berichtete über Diversität in Serien als Coming-out-Hilfe)

Habt ihr diskutiert, wie viel Privates oder wie viele Intimitäten reindürfen? Paul Zacher: Da die Grundidee so stark auf Privatem fusste, stand von Anfang an fest, dass wir viel von uns selbst einbringen würden. Allerdings haben sich bei der Arbeit die Figuren von Anton, Pepe und den anderen Familienmitgliedern von ihren Vorbildern emanzipiert. Viele Ideen sind zwar in unserer Biographie verankert, die Geschichten entwickelten aber schnell ein Eigenleben. Und das ist auch gut so.

Axel Ranisch: So wie im Hörspiel, ist nichts in Wirklichkeit passiert. Und trotzdem ist alles wahr. Allerdings standen schon ein paar Dinge zur Debatte: zum Beispiel wie offen wir mit Pauls Bipolarität umgehen wollten.

Paul Zacher: Oder mit der Leukämieerkrankung meiner Mutter.

Axel Ranisch: Schaffen wir es, darüber zu schreiben – oder ist das zu nah? Wir haben hier und da schon eine Träne vergossen, weil es dann doch näher dran war, als wir gedacht hatten.

Wir haben hier und da schon eine Träne vergossen, weil es dann doch näher dran war, als wir gedacht hatten

Paul Zacher: Bezüglich meiner Bipolarität haben sich beim Schreiben einige Wut-Türen geöffnet – vor allem mir selbst gegenüber. Mir wurde klar, wieviel Leid diese psychische Störung mit sich brachte, über so viele Jahre. Das hochzuholen war nicht einfach. Es hat auch zu Zwist zwischen uns geführt.

Axel Ranisch: Oder sagen wir Reibungen. Leider haben wir keine Streitkultur miteinander.

Paul Zacher: Vielleicht haben wir viel zu Humor, um uns zu streiten.

Die Kernfamilie Ranisch-Zacher: Axel und Paul zusammen mit ihrem Hund (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)
Die Kernfamilie Ranisch-Zacher: Axel und Paul zusammen mit ihrem Hund (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)

Wie hat sich die Bipolarität auf eure Beziehung ausgewirkt? Paul Zacher: Eine undiagnostizierte, unbehandelte Bipolarität innerhalb einer Beziehung ist eine knifflige Angelegenheit. Wenn Gefühle und Stimmungen, die zwar jeder von uns erlebt, aber beim Betroffenen in beide Richtungen weitaus stärker und unkontrollierter ausfallen, ist es für den Lebenspartner, der damit umgehen muss, eine wahre emotionale Herausforderung. Zu Axels und meinem Glück bin ich «nur» ein Bipolar-Typ 2. Da zeigen sich die Manien in abgeschwächter Form, als sogenannte Hypomanien («hypo» steht für «unterhalb»).

Was heisst das? Paul Zacher: Viele haben beim Stichwort Manie vor allem Bipolare vor Augen, die denken, sie wären unverwundbar und allwissend. Sie erleben unglaublich krasse Energieschübe, bei denen sie teils extrem skurrile Dinge anstellen. Eine Bipolar-Typ-2-Störung ist abgemilderter, glücklicherweise. Aber das macht sie gleichzeitig so tückisch. Sie bettet sich schleichend ins Leben und gibt sprichwörtlich den Takt an, zu dem man fühlt und erlebt. Zu erkennen und zu akzeptieren, dass die überbordenden Glücksgefühle in hypomanischen Phasen nicht «normal» sein sollen, gar pathologisch, obwohl man sich dabei wahnsinnig gut fühlt, das zu erkennen, ist ein langer schwerer Prozess. Da ja irgendwie das eigene Selbst in Frage gestellt wird. Bei den meisten Bipolaren dauert es im Schnitt 12 bis 14 Jahre, bis eine bipolare Störung diagnostiziert wird. Dafür muss man bei Fachleuten gewesen sein. Und man ist als Bipolarer lange nicht bei Fachleuten! Das ist ein grosses Thema in meiner Biografie.

Axel Ranisch: Die Diagnose wurde bei Paul 2016 gestellt – und ich bin seit 2009 mit ihm zusammen.

Paul Zacher: Axel hat also mal sieben Jahre mit meiner unentdeckten Bipolarität zusammengelebt.

Axel Ranisch: Das ist Wahnsinn, wegen des gigantischen Rucksacks, den Paul auf seinem Rücken trug, der ihn krumm und klein und verletzlich gemacht hat. Zwischendurch dachte ich immer, ich sei daran schuld, dass er mit Depressionen Tage und Wochen unter der Bettdecke verbrachte. Und dann gab es wieder Phasen, in denen er tausend Dinge gleichzeitig angefangen und sich völlig übernommen hat. Ich wusste nicht, wie ich ihm sagen sollte, dass das zu viel ist. Weil Paul nicht kritikfähig war. All diese Phasen haben wir durchgemacht, diese Zickzack-Kurve in seinem Lebenslauf, von der in «Anton und Pepe» die Rede ist. Diese Zickzack-Kurve hat dazu geführt, dass Paul so vieles abgebrochen hat, was er angefangen hatte. Und ich habe mich immer gefragt: «Macht er das mit Absicht? Warum sagt er mir nicht, dass er gelbe Briefe bekommt? Warum reden wir nicht darüber? Warum zieht er sich zurück? Bin ich so schlimm?» Man bezieht so etwas auf sich selbst. Entsprechend war die Diagnose, als sie schliesslich kam, eine riesige Sache für mich, auch eine Erleichterung. Weil ich endlich begriffen habe – so doof das auch klingt –, dass Paul nichts dafür kann, dass es keine Absicht von ihm ist, sondern eine Störung, bei der man ihm helfen kann.

Wie hat die Bipolarität in den Jahren vor der Diagnose euren Alltag beeinträchtigt? Axel Ranisch: Die Bipolarität verschiebt das gleichberechtigte Verhältnis einer Beziehung unangenehmerweise in eine Art Vater-Sohn-Beziehung. (MANNSCHAFT berichtete über komplizierte Vater-Sohn-Konstellationen.)

Paul Zacher: Ich war 2016 nach der Diagnose drei Wochen in der Klinik. Bei einem Besuch standen wir im Treppenhaus, kurz vor der Verabschiedung. Wir lagen uns in den Armen. Und da sagte Axel genau diesen Satz: «Ich will nicht dein Vater sein.» Er hatte damals das Gefühl, dass unsere Beziehung genau diese Form angenommen hatte. Axel musste mir immer in den Arsch treten oder enorme Energie aufwenden, damit ich irgendwie funktioniere. Oder, wenn ich hypomanisch war, musste Axel mich bremsen.

Axel Ranisch: Das fühlt sich total scheisse an!

Axel musste mir immer in den Arsch treten oder enorme Energie aufwenden, damit ich irgendwie funktioniere

Paul Zacher: Zwei meiner Schwestern hatten in ihrem Beruf mit Patienten wie mir zu tun. Die wissen, dass die Partner eine unglaubliche Last zu tragen haben. Deswegen haben sie solch einen Respekt vor Axel, weil er diese Jahre mit mir durchgehalten hat. Der Satz «Ich will nicht dein Vater sein», hat mich in der Klinik noch tagelang auf meinem Zimmer beschäftigt.

Axel Ranisch: Das war auch der Grund, warum ich, nachdem Paul aus der Klinik kam, nicht mehr nachgepiekst habe, ob er wirklich zu einer Psychologin geht oder nicht. Ich wollte nicht derjenige sein, der ihn schon wieder irgendwo hintreibt. Ich war sehr froh, dass er eine Therapeutin hatte, mit der er sprechen konnte. Dadurch lastete das nicht mehr auf mir.

Bei den Aufnahmen zu «Anton und Pepe» im NDR-Studio (Foto: Michael Becker)
Bei den Aufnahmen zu «Anton und Pepe» im NDR-Studio (Foto: Michael Becker)

Ihr habt euch entschieden, dass in eurem Hörspiel zentral zum Thema zu machen. Wie wichtig war es euch, das anzusprechen? Paul Zacher: Sehr wichtig. Es bestimmt natürlich nicht das ganze Hörspiel, aber da die Figuren von uns ausgehen, war es nur ehrlich und unausweichlich, dass dies bei Pepe ein zentrales Thema sein wird. In den Szenen als Kinder kündigt es sich schon an. Wenn Pepe als kleiner Junge mit Anton am Projekt Radio Rattenschwanz arbeitet, ist er unglaublich agil. Aber dann liegt er plötzlich unter der Bettdecke. Ich wollte zeigen, dass Pepe das schon immer mit sich trägt. (MANNSCHAFT berichtete über Jannik Schümann, der eine offene Gesellschaft in allen Berufsgruppen fordert.)

Axel Ranisch: Dass wir das später in Folge 4 nochmal richtig thematisieren, war ein Prozess. Aber die Bipolarität anzusprechen war wichtig, um Pepe zu verstehen.

Paul Zacher: Ich hatte lange die Befürchtung bei Folge 1 – die wir 2018 schon geschrieben hatten, als ich eine lange depressive Phase hatte –, dass jeder Zuhörer das Gefühl haben würde, dieser Pepe sei ein Arschloch. Ich musste mir immer wieder von Axel spiegeln lassen, dass das gar nicht der Fall ist. Aber man beurteilt seine Welt und sieht die Farben darin immer nur so, wie man sich selbst fühlt. Und ich fühlte mich damals wie vorm Tor zur Hölle. Darauf folgte Phase 2. Als ich aus der Tagesklinik kam, bekam ich das erste Mal in meinem Leben Lithium und Quetiapin, sehr wirksame Medikamente zur Behandlung der Bipolarität. Mir ging es daraufhin lange Zeit gut. Weswegen ich dachte: ‹Wieso sollte ich mir einen Therapeuten suchen, wenn’s mir gut geht? Warum nehme ich überhaupt Medikamente, wo’s mir doch so super geht?›

Was passierte dann? Paul Zacher: Ich habe die Medikamente abgesetzt. Und ich habe Axel vier Jahre lang erzählt, ich wäre in Therapie bei einer Frau Dr. S. in Spandau, was ich aber nicht war.

Axel Ranisch: Es war weit genug weg, damit ich da nicht schnell mal hinfahren könnte, um nachzuhaken. Aber diese Frau Dr. S. gibt es wirklich. Und Paul wusste, wenn man dort anruft, wird einem keine Auskunft gegeben. Sie stand auch alle zwei Wochen im Fahrtenbuch. (beide lachen)

Gemeinsam unterwegs: Axel Ranisch (l.) und Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)
Gemeinsam unterwegs: Axel Ranisch (l.) und Paul Zacher (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)

Paul Zacher: Ich bin an den Tagen so weit gefahren, wie es fürs Fahrtenbuch «richtig» ist und habe dann Spaziergänge gemacht. Bis letztes Jahr im Oktober noch mal so eine ganz krasse Krise kam. Erst danach habe ich das alles offen ausgesprochen …

Axel Ranisch: Da hatten wir die Manuskripte für «Anton und Pepe» aber schon geschrieben. Auch die Szene in Folge 4, wo Pepe sich im Keller einschliesst. Paul war beim Schreiben so melancholisch. Da fehlte auf einmal die Leichtigkeit, die wir sonst beim Schreiben hatten. Ich dachte damals: ‹Schade, ich hatte gehofft, wir hätten schon mehr Abstand dazu!› Stattdessen war Paul mittendrin. Er versteckte ein Geheimnis vor mir. Genauso wie Pepe.

Vielleicht sind einige Ideen erst durch diese Krise entstanden

Paul Zacher: Vielleicht sind einige Ideen erst durch diese Krise entstanden. Wäre ich damals schon auf dem Stand von heute gewesen, wo ich meine Medikamente nehme, stabil bin und meine Therapeutin habe, hätte ich vielleicht einiges anders geschrieben.

Axel Ranisch: Ich war übrigens beim ersten Treffen mit der Therapeutin dabei. Daher weiss ich, dass es sie wirklich gibt. (lacht)

Wenn ihr mit anderen über eure Beziehung und die Bipolarität sprecht, merkt ihr einen Unterschied bei den Reaktionen, je nachdem ob euer Gegenüber heterosexuell oder LGBTIQ ist? Paul Zacher: Ich gehe eigentlich erst seit November 2020 absolut offen und direkt mit meiner Störung um. Das war vorher nie so. Und deswegen war auch die Beziehungsfrage und die Bipolarität nie ein grosses Thema nach aussen hin.

Axel Ranisch: Es ist erstaunlich, wie viele Leute in ihren Beziehungen mit Depressionen zu kämpfen haben. Das ist bei Homosexuellen wie Heterosexuellen völlig gleich. Seit Paul offen damit umgeht und seitdem wir beide offen damit umgehen (ich wollte das vorher nicht ohne sein Einverständnis tun), kommt von allen Seiten so was wie ein Aufatmen. Leute erzählen uns: «Ja, bei mir ist es genauso.»

Paul Zacher: Man merkt plötzlich, die Bipolaren sind überall. (lacht)

Paul Zacher (l.) und Axel Ranisch in einem öffiziellen Porträt (Foto: Dennis Pauls)
Paul Zacher (l.) und Axel Ranisch in einem öffiziellen Porträt (Foto: Dennis Pauls)

Was verändert sich dadurch für dich? Paul Zacher: Es ist eine Enttabuisierung für mich. Die Bipolarität ist so ein grosser Teil von mir. Darüber nicht zu sprechen ist so, als würde man seine Homosexualität verstecken. Sie bestimmt mein Leben, im Positiven wie im Negativen. Und jetzt darüber sprechen zu können, sich auch Feedback zu holen, das ist wunderschön.

Axel Ranisch: Paul hat seine jahrelange Blockade überwunden. Früher, wenn Gäste da waren, wollte er sich immer zurückziehen, sich nicht an Gesprächen beteiligen.

Zu den depressiven Phasen gehört leider eine Sozialphobie. Es ist Teil der Bipolarität, dass man sich zurückzieht, sozial Abstand nimmt

Paul Zacher: Zu den depressiven Phasen gehört leider eine Sozialphobie. Es ist Teil der Bipolarität, dass man sich zurückzieht, sozial Abstand nimmt. Axel lädt gern Leute ein. Und ich glaube, ich habe ihm so viele Treffen zerstört, weil er als Partner sagte: «Okay, dann lade ich mal niemanden ein oder ich lass Paul in Ruhe oder ich geh‘ woanders hin.» D.h. an meinem Verhalten sind so viele Möglichkeiten des Zusammenseins zerbrochen. Aber ich konnte nicht anders. Man hat in bestimmten Phasen einfach nicht den Kopf dafür. Der Kindlig-Effekt, wenn das Gehirn beschliesst, alles Serotonin zu verbrauchen, führt dazu, dass die Neuronen nicht in der Lage sind, ein Gespräch zu führen. Man kommt auf keinen Gedanken. Man kann nicht anknüpfen, nicht assoziieren. Und dann zieht man sich zurück. Das macht einen aber zusätzlich fertig, weil man weiss: ‹Scheisse, da sind Leute, die ich eigentlich mag. Aber ich kann jetzt einfach nicht.›

Was hat euch beide zusammengehalten in den schwierigen Phasen? Paul Zacher: Wir haben schon eine wahnsinnig grosse Liebe zueinander.

Axel Ranisch: Oh ja.

Paul Zacher: Wir kuscheln unglaublich viel und gerne. Da ist das Körperliche. Und wir können über die gleichen Dinge lachen. Vor allem über uns. Ich tauche gerne in Axels Welt ein, und er taucht gern in meine Welt ein. Natürlich habe ich durch meine Bipolarität gewisse Dinge an mir versteckt, aber nicht meine Interessen. Die sind immer da, mit Krankheit und ohne Krankheit. Dadurch haben wir einen gemeinsamen Zugang zu allem.

Axel Ranisch: Selbst als Paul zurückgezogen war, waren wir beide manchmal wie eine Insel. Und so was schweisst extrem zusammen. Da ist so viel, was wir beide zusammen durchgestanden und durchlebt haben, dass man gar nicht auf die Idee käme, das in irgendeiner Weise leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Paul Zacher: Wir haben zusammen ein Haus gebaut. Ein riesiges Haus, mit unserer ganz eigenen Architektur.

Mit «Anton und Pepe» macht ihr dieses Haus sichtbar für viele Menschen und stellt es auch zur Diskussion. Seht ihr euch als Repräsentanten eines queeren Lebensstils? Paul Zacher: Natürlich sind wir Teil eines queeren Lebens. Wir sind ein Teil von Millionen Teilen. Aber wir sind unser Teil.

Axel Ranisch: Ich finde es schon beachtlich, dass viele Leute gesagt haben, dass es eine queere Hörspielserie in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch nie gegeben hat. Es gab zwar diverse Hörbücher, aber keine Hörspiele in dieser Form und schon gar nicht mit so einer Familie: mit zwei Männern, die mit ihren Müttern und der Oma zusammen leben. Das scheint eine überraschende und unkonventionelle Konstellation zu sein. Aber sie erzählt ganz viel über uns. Wir beide haben eine extrem starke Bindung zu unseren Müttern, zu unseren Familien allgemein. In der Vergangenheit war schwules Zusammensein oft davon geprägt, dass es einen Schnitt mit den Eltern gab, dass es nach dem Coming-out einen Bruch gab. Aber der hat bei uns nicht stattgefunden.

Es gibt halt auch Mütter, die ihre schwulen Söhne akzeptieren, völlig konfliktfrei

Paul Zacher: Bei uns ist dieses Familienleben Normalität. Und das zu beschreiben, hat uns viel Freude gemacht. Es gibt halt auch Mütter, die ihre schwulen Söhne akzeptieren, völlig konfliktfrei. In der Rückschau hätte ich mir schon ein konfliktbeladenes Outing gewünscht, weil das interessanter zu erzählen ist. (lacht) Aber bei meiner Familie war das nicht so.

Nochmals Paul Zacher und Axel Ranisch im Fotostudio (Foto: Dennis Pauls)
Nochmals Paul Zacher und Axel Ranisch im Fotostudio (Foto: Dennis Pauls)

Axel Ranisch: Ich hatte immer gedacht, dass mein Coming-out wahnsinnig konfliktbeladen werden würde. Ich hatte so viel Angst davor, dass ich bis zu meinem 23. Lebensjahr gewartet habe, und dann reagierten meine Eltern überraschend cool.

Es gibt in der queeren Szene häufig den Vorwurf der sogenannten «Homonormativität» Paul Zacher: Was sollen wir denn machen? Sollen wir jeden Abend auf Partys gehen? Sollen wir nach Schwänzen und noch mehr Schwänzen suchen, um nicht «normativ» zu sein?

Axel Ranisch: In der letzten Folge von «Anton und Pepe» setzen wir uns damit auseinander. Wir fragen, wie das ist, eine Beziehung zu öffnen. Wie das ist, wenn eine dritte Person dazukommt. Die Lösung, die wir am Ende für uns gefunden haben, ist zugegebenermassen eine ziemlich biedere.

Normativität und das, was die eigenen Eltern einem vorgelebt haben, muss ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Wie seht ihr das? Axel Ranisch: Genau so. (lacht)

Paul Zacher: Im Hörspiel erkennt Pepe in einer Szene einen Song von der Loveparade 2006, worauf sich Anton wundert und Pepe den Satz sagt: «Ich hatte auch ein Leben vor dir.» Das hatte ich auch und habe es voll ausgekostet. Ich war in Clubs und auf Partys, ich habe meinen Spass gehabt. Ich hatte One-Night-Stands, Koks, Speed und GayRomeo. Aber das war ein Kapitel meines Lebens. Jetzt bin ich 38 und lebe ein Neues. Wie stellt man sich schwules «normales» Leben überhaupt vor? Gibt es darauf eine klare Antwort? Viele Schwule zieht es in Szenebezirke, wie Berlin-Schöneberg, sie setzen sich in schwule Cafés, sie haben ihre Community und sind viel unterwegs im schwulen Leben. Das ist wunderbar. Axel und ich sind aber nicht jeden Abend im schwulen Leben unterwegs.

Axel Ranisch: Da sind wir sogar relativ selten anzutreffen. Wir führen ein verhältnismässig langweiliges schwules Leben in der Lichtenberger Platte, gekennzeichnet von grosser Wärme und gegenseitigen Respekt.

Haben ihr Glück gefunden: Paul Zacher (l.) und Axel Ranisch (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)
Haben ihr Glück gefunden: Paul Zacher (l.) und Axel Ranisch (Foto: Axel Ranisch Paul Zacher)

Paul Zacher: Wir haben gute Freunde, wir haben eine tolle Familie.

Axel Ranisch: Wenn das bieder und zu normativ ist, dann bitte schön!

Was passiert als nächstes mit «Anton und Pepe»? Axel Ranisch: Vielleicht muss die Geschichte ja auf die Leinwand oder Bildschirme. Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten. Jetzt ist «Anton und Pepe» aber erstmal anderthalb Jahre in der ARD-Audiothek abrufbar.

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