Bildung statt Betteln: Pakistans Schulen für trans Personen
Ausserhalb der Schulmauern ist es bis zur Akzeptanz noch ein weiter Weg
Trans Menschen leben in Pakistan oft am Rande der Gesellschaft. Spezielle Schulen wollen sie nun unterstützen.
Von Nabila Lalee und Zia Khan, dpa
Morgens zieht Nagini ihre blau-grüne Schuluniform an, bedeckt ihr Haar mit einem losen, weissen Tuch und packt ihre Schulsachen. Beim Lachen hält sie sich ihr Kopftuch vor den Mund. Eine Schülerin wie viele andere in Pakistan, könnte man glauben, doch Naginis Schule in Lahore ist eine besondere. Sie ist Teil eines neuen Projekts, das Bildung extra für trans Menschen anbietet, die im konservativ-muslimischen Pakistan oft verstossen werden.
Das Gesetz in Pakistan verbietet eigentlich ihre Diskriminierung. Seit 2018 dürfen trans Menschen selbst bestimmen, ob sie sich offiziell als männlich, weiblich oder als drittes Geschlecht eintragen lassen.
Nagini wurde als Kind von ihrer Familie verstossen. Seitdem sie fünf Jahre alt war, bettelte sie auf den Strassen der Millionenstadt Lahore. Heute, mit 25 Jahren, holt sie nun die Bildung nach, die ihr zuvor verwehrt wurde. «Du bist willkommen. Du wirst wertgeschätzt», steht an der Tür zum Klassenraum. Worte, die für Nagini und ihre Mitschülerinnen nicht selbstverständlich sind. Eine zweite Schule speziell für trans Menschen gibt es in Pakistan in der Stadt Multan.
Viele trans Frauen und Männer erleben seit ihrer Kindheit Ausgrenzung. Häufig müssen sich die khwaja siras, wie sie in Pakistan auch genannt werden, mit Betteln oder Prostitution über Wasser halten. Sie schliessen sich in Gemeinschaften zusammen, die von einer Art Guru angeleitet werden. Dort nehmen sie oft neue Namen an. Auch Nagini hiess einmal anders.
«Ziel ist, dass trans Menschen etwas lernen, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können», sagt Projektleiterin Bilquis Rehana Saroya über die Schule. Eine Altersgrenze gibt es hier nicht. Im bunt geschmückten Klassenraum lernen die Schüler*innen nicht nur Englisch, Mathematik und Nähen. Sondern vor allem, dass sie Träume haben dürfen. «Früher hat mich nie jemand ermutigt, mein Leben in die eigene Hand zu nehmen», erzählt Nagini.
In der Schule fühlt sie sich aufgehoben, ausserhalb der Schulmauern ist es bis zur Akzeptanz noch ein weiter Weg. Gerade weil trans Personen oft in die Sexarbeit gedrängt werden, sind sie gesellschaftlich geächtet. Khwaja siras werden gerne gebucht, um Tänze auf Hochzeiten aufzuführen. Ihr Ansehen erhöht das jedoch nicht.
Nach offiziellen Angaben gab es allein in den vergangenen acht Jahren 150 Tötungsdelikte an trans Menschen, hinzu kommen Tausende Fälle von Gewalt und Belästigung (MANNSCHAFT berichtete). Vielen Fällen geht die Polizei nie nach, beklagt Aktivistin Namkeen Peschawari, was Gewalt weiter befeuere.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: In der Region hatten einst die khwaja siras ein hohes Ansehen. Unter den muslimischen Mogulen, die vor Hunderten Jahren den indischen Subkontinent beherrschten, gehörten sie zu den wenigen, die Zutritt zu den Harems am Königshof hatten, sagt der Historiker Mubarak Ali. Unter den britischen Kolonialherren verloren sie dann ihre hohe Stellung, erklärt Ali.
Heute drängen trans Menschen wieder auf mehr Teilhabe in Pakistan (MANNSCHAFT berichtete). In der Hauptstadt Islamabad gibt es seit 2021 eigens eine Koranschule für sie. Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, in denen sie in Ruhe den Koran studieren oder auch einfach zusammenkommen können, so die Gründerin und Aktivistin Nayab Ali. Zur Not bietet die Koranschule ausserdem Unterschlupf. Finanziert wird sie von Spenden.
Auch Schulen wie die in Lahore soll es in Zukunft noch mehr geben. Auf Projektleiterin Saroya warten damit allerdings einige Herausforderungen. Da trans Personen oft in ärmlichen Verhältnissen leben, müssen etwa Uniformen und der Transport zur Schule kostenlos sein. Zudem gelte es, viele khwaja siras erst einmal von einem Schulbesuch zu überzeugen. Nagini will die Schule aber auf jeden Fall beenden. Sie sagt: «Meine Zukunft sollte nicht Betteln sein.»
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