Auswärtiges Amt outet queere Asylsuchende im Herkunftsland
LSVD kritisiert verfassungswidriges Verfahren und fordert Stopp der Überprüfungspraxis
Im Rahmen der Überprüfung von Fluchtgründen, die das Auswärtige Amt (AA) auf Bitten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Asylsuchenden durchführt, kam es in mehreren Fällen zur Offenlegung der sexuellen Identität der antragsstellenden Person in ihrer Heimat.
Die Überprüfungen wurden durch Vertrauensanwält*innen deutscher Botschaften und Konsulate in den jeweiligen Herkunftsländern der Asylsuchenden durchgeführt. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat diese Praxis bereits im März in einem Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) deutlich kritisiert.
Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des LSVD erklärt dazu: «Das BAMF und das AA müssen diese Menschenrechtsverletzungen sofort beenden. Dass Anwält*innen (die ja Staatsbürger*innen von Verfolgerstaaten sind) in den Herkunftsländern gegenüber Familienangehörigen und offiziellen Stellen die sexuelle Identität in Deutschland Schutz Suchender mehr oder weniger direkt offenlegen und sie somit outen, ist ein Skandal. Diese Praxis ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch eine Gefahr für ihre Angehörigen und ehemaligen Partner*innen im Herkunftsland. Dass das BAMF und das AA mit seinen Botschaften das Leben der LGBTIQ-Asylsuchenden gefährden, ist nicht hinnehmbar und muss umgehend gestoppt werden.»
Dabei handelten BAMF und AA gegen die ihnen bekannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte bereits in seinem Beschluss 2 BvR 1899/04 vom 26.01.2005 deutlich gemacht, dass das Outen Geflüchteter im Rahmen solcher Nachforschungen verfassungswidrig ist.
Deutsche Behörden dürfen sich weder direkt noch indirekt über Rechtsanwält*innen an dieser den Datenschutz der Betroffenen mit Füssen tretenden Praxis beteiligen. Dem LSVD sind konkrete Fälle aus Kamerun, Tansania, Nigeria und Pakistan, zumeist schwuler oder bisexueller Männer, bekannt. In all diesen Ländern werden Lesben, Schwule und Bisexuelle verfolgt. In allen genannten Ländern sind mehrjährige Haftstrafen im Strafgesetz vorgesehen, in Pakistan und Teilen Nigerias ist sogar die Todesstrafe möglich.
Der LSVD hat nach Bekanntwerden dieser Fälle das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) informiert und die Einstellung dieser Praxis gefordert.
Das BAMF hat daraufhin im Fall des durch das AA in seinem Heimatland geouteten Nigerianers diesem bereits in einem Abhilfebescheid den Flüchtlingsstatus zuerkannt. Auf eine Anfrage von Ulla Jelpke (MdB, die Linke) hat es überdies zugesichert, in Zukunft zu überprüfen, welche Inhalte noch an das AA übermittelt werden können.
Anstatt das eigene Handeln zu überprüfen und die eigene Schuld einzugestehen hat das AA hingegen gegenüber dem Evangelischen Pressdienstes (epd) lediglich beteuert, dass es mit derartigen Fällen nur Anwält*innen beauftragt, «mit denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bestehe» und die «für die besonderen Umstände in solchen Konstellationen sensibilisiert» würden. Es scheint somit grundsätzlich an der verfassungswidrigen Praxis festhalten zu wollen.
Bereits seit Bekanntwerden des ersten Falles im Herbst 2020 wartet der LSVD auf eine Zusage vom AA, die Outings einzustellen. Jeder Tag, an dem diese Praxis fortgesetzt wird, gefährdet das Leben von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen oder die mit Antragsteller*innen in den jeweiligen Herkunftsländern Kontakt hatten. Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden; sie darf diese Menschen nicht zusätzlich gefährden, sondern sie muss sie schützen.
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