Ataman: Gesetzgeber bei Selbstbestimmungsgesetz «quasi eingeknickt»
Es sei ungewöhnlich ausschweifend auf rechtspopulistische Argumente eingegangen worden
Die Bundesregierung arbeitet weiter am Selbstbestimmungsgesetz. Die Antidiskriminierungsbeauftragte ist mit dem Entwurf noch nicht zufrieden.
Von Stella Venohr, dpa
Künftig soll jeder Mensch in Deutschland seinen eigenen Geschlechtseintrag und Vornamen selbst festlegen und ändern können. Das ist der Kern des Entwurfs zum Selbstbestimmungsgesetz von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP), der zeitnah ins Kabinett gehen soll (MANNSCHAFT berichtete). Doch manche Formulierungen sorgen für Kritik.
Die Ampel-Parteien hatten das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Möchte jemand seinen Geschlechtseintrag ändern, müssen demnach künftig eine Erklärung und eine Eigenversicherung beim Standesamt abgegeben werden. Drei Monate nach der Erklärung soll die Änderung des Geschlechtseintrags wirksam werden. Ist der Geschlechtseintrag einmal geändert, soll eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Danach könne der Geschlechtseintrag erneut geändert werden.
Kinder und Jugendliche können ihren Geschlechtseintrag nicht selbstständig ändern. Bis 14 Jahre müssen die Sorgeberechtigten die Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben, danach müssen die Sorgeberechtigten nur noch zustimmen.
In der EU haben einige Länder wie Irland, Dänemark oder Portugal bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt. Unter anderem haben auch die Schweiz, Argentinien und Uruguay solche Gesetze. Für die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, ist das Selbstbestimmungsgesetz daher längst überfällig. «Denn das bisher seit den 80er Jahren gültige ‚Transsexuellengesetz‘ ist wirklich schlimm, in weiten Teilen verfassungswidrig und hat Menschen geschadet», sagte Ataman.
Viele trans Menschen empfinden das «Transsexuellengesetz» als demütigend (MANNSCHAFT berichtete). Es sieht etwa vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefallen lassen. Das Verfahren ist zudem langwierig und kostspielig. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Beim Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Ataman jedoch Bedenken mit Blick auf den Begründungstext: Bei der Regelung zum Hausrecht werde «ungewöhnlich ausschweifend auf rechtspopulistische Argumente eingegangen». Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kommt vor allem immer wieder von der Union und der AfD. Auch Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte kürzlich erst vor Gefahren für Frauen gewarnt, beispielsweise in Frauensaunen (MANNSCHAFT berichtete).
Für die Antidiskriminierungsbeauftragte ist dies eine irrationale Debatte. «Es wurde erzählt, man müsse sich jetzt Sorgen machen, ob Männer und Frauen überhaupt noch klar definiert seien und ob jetzt Männer ihren Geschlechtseintrag ändern würden, um dann in der Sauna Frauen zu begaffen», sagte Ataman. «Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.»
In der Begründung heisst es unter anderem, dass ein eingetragenes Geschlecht einem nicht automatisch Zugang zu geschützten Räumen gibt. Es soll weiterhin das private Hausrecht gelten, also das Recht des Inhabers, darüber zu bestimmen, wer beispielsweise seine Wohnung oder Geschäftsräume betritt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt jedoch transgeschlechtliche Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, was bedeutet, dass sie nicht aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt werden dürfen.
Trotzdem sei auf dieses irrationale Argument in der Gesetzesbegründung eingegangen worden. «Hier stehen Ausführungen zu Saunen und dazu, dass das Hausrecht gelte», sagte Ataman. «Man kann es nicht anders sagen, in dem Fall hat der Gesetzgeber da nachgegeben und ist quasi eingeknickt. Ich hoffe noch, dass das im Regelungstext und im Begründungstext angepasst wird.»
Auch der Deutsche Frauenrat weist solche «vermeintlichen Schreckensszenarien», in denen Männer ihren Geschlechtseintrag ändern, um in Frauenräume einzudringen, als nicht realistisch zurück. Dies würde gezielt missbraucht, um gefährliche Vorurteile gegenüber trans Menschen zu schüren, sagte die Vorsitzende Beate von Miguel. «Dem stellen wir uns entschieden entgegen.»
Zeit, den Begründungstext zu ändern, gebe es noch – wann der Entwurf es ins Kabinett schafft, ist noch unklar. Danach muss das Gesetz auch noch den Bundestag passieren.
Das könnte dich auch interessieren
Post würdigt Keith Haring und «Golden Girls»-Star
Dies wurde jetzt in den USA für 2025 angekündigt
Von Newsdesk Staff
Kurznews
++ Katholische Forderung nach LGBTIQ-Schutz ++ Festnahme nach Beleidigung ++
Kurz, knapp, queer – die LGBTIQ-Kurznews aus Deutschland. Unser Nachrichtenüberblick für die Woche ab dem 18. November 2024.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Gendern
Queerfeindlichkeit
Religion
News
News
Bekommt Polen einen queerfreundlichen Präsidenten?
Polen wählt im kommenden Jahr seinen neuen Präsidenten. Regierungschef Tusk schickt einen queerfreundlichen Politiker ins Rennen. Bei der letzten Wahl gab es für den 52-Jährigen ein vielversprechendes Ergebnis.
Von Newsdesk/©DPA
International
Österreich
Nach Eurogames: Wien fördert auch 2025 verstärkt LGBTIQ-Projekte
Die Eurogames in Wien hatten eine internationale Ausstrahlung. Vizebürgermeister Wiederkehr will auch deshalb künftig LGBTIQ-Projekte weiter fördern.
Von Newsdesk Staff
Kultur