Yair Cherki: Orthodoxer israelischer TV-Journalist outet sich als schwul
Der 30-Jährige ist Korrespondent für Religionsangelegenheiten beim Fernsehkanal 12
Einer der profiliertesten orthodoxen Journalisten Israels hat sich auf Facebook geoutet. Yair Cherki, der in einer nationalreligiösen Gemeinde im Jerusalemer Stadtteil Kiryat Moshe aufwuchs, wo sein Vater Ori als Rabbiner und Dozent an der bekannten Machon Meir Thoraschule tätig ist, schreibt: «Ja, ich liebe Männer und ich liebe den Heiligen Gott.»
Cherki diente beim Militär als Reporter für religiöse Angelegenheiten beim Armeeradio und wurde kurz nach seiner Entlassung 2014 in derselben Funktion bei Fernsehkanal 12 eingestellt, auch bekannt als «Keshet 12». Das schreibt Israel heute in einem Bericht in der Rubrik «Religion».
In Israel ist Cherki demnach ein bekannter Reporter, den viele Menschen an seinen langen Schläfenlocken erkennen. Er stamme aus einer prominenten religiösen Familie, heisst es. Wegen der Bedeutung seines Coming-out hat sich Israel heute entschieden, den vollständigen Facebook-Post ins Deutsche zu übersetzen, während verschiedene LGBTIQ-Nachrichtenportale nur Ausschnitte zitiert hatten.
So erklärt Cherki öffentlich: «Ich schreibe diese Worte mit Zittern. Verschiebe diese Worte immer auf Morgen. Auf die nächste Woche. Nach den Ferien. Nach dem nächsten Geburtstag. In diesem Jahr oder nächstes Jahr. Vielleicht seit zehn Jahren schreibe ich das schon und lösche, was ich geschrieben habe.»
«Leid, das ich meiner Gemeinschaft antue» Erklärend heisst es weiter: «Wegen dem Leid, das ich meinem sehr geliebten Vater und meiner sehr geliebten Mutter antue und wegen des Leids der Gemeinschaft, wo ich aufgewachsen bin und die ich immer noch liebe. Aber jetzt bin ich 30 Jahre alt. Und ich schreibe nicht, weil ich die Kraft zum Schreiben habe, sondern weil ich keine Kraft zum Sterben habe. Und für meinen Sohn, der noch nicht auf die Welt gekommen ist.»
Dann verkündet Cherki: «Ich liebe Männer. Ja, ich liebe Männer und ich liebe den Heiligen Gott. Das widerspricht sich nicht und das ist auch nicht neu. Ich bin genau derselbe, der ich war, nur weiss ich es jetzt nicht nur alleine, sondern auch ihr. Es war mir wichtig, dies hier an diesem öffentlichen Ort zu sagen, obwohl es sich um eine private Angelegenheit handelt. Ich möchte weder im Schatten noch im Versteck leben. Ich möchte wirklich in einer Familie und einem Zuhause leben – wirklich leben.»
Er lebe die ganze Zeit einen Konflikt zwischen «dieser sexuellen Präferenz und dem Glauben an meinen Gott»: «Manche haben den Konflikt für sich gelöst, indem sie sagen, dass es keinen Gott gibt, andere erklären, dass es keine Homosexualität gibt. Ich weiss von mir selbst, von meinem Fleisch, dass beide existieren.» Diesen Widerspruch in sich habe er versucht auf alle möglichen Arten zu versöhnen. «Dies sind Dinge zwischen Mensch und Gott», so Cherki.
«Das, was zwischen einem Mann und seinem Freund und der Gesellschaft, in der er lebt, ist: Das ist weder eine Mode noch ein Trend noch ein politisches Statement, das bin einfach ich.»
«In der Thoraschule, in der Familie, bei der Arbeit» Cherki wisse nicht, ob er das eine «Identität» nennen würde. Es sei «nur eine andere Sache, die Teil dessen ist, wer ich bin» und wer er seit dem Tag sei, an dem er sich dazu «entschieden» habe – «in der Thoraschule, in der Familie, bei der Arbeit».
Seine Gemeinschaft sei immer noch dieselbe religiöse Gemeinschaft, schreibt Cherki: «Das ist mein Stamm, das sind meine Familie und Freunde. Das sind meine Überzeugungen. Sie haben sich nicht verändert, aber sie haben im Laufe der Jahre als Zweifel Gestalt angenommen.»
Dazu komme dieser Druck, der einen anderen Blick auf Glauben und Wahrheit und Komplexität erzwinge, so Cherki.
Er wisse, dass diese Wahrheit, die ich jetzt mit der Öffentlichkeit teilt, Menschen, die ihm lieb seien und die er sehr liebe, traurig machen werde. Er wisse aber auch, sie lieben ihn lieben würden. «Ich hoffe, diese Menschen finden den Platz in ihrer Seele für mich», so Cherki.
Und weiter hoffe er, dass sich auch verstehen mögen, dass dieser Schritt «nach gründlichem Nachdenken und Abwägen gemacht wurde».
«Genau wie das Geheimnis zwischen Mann und Frau» «Ihre Trauer rührt vielleicht auch daher, dass sie nicht wirklich verstehen, wovon ich hier eigentlich spreche», meinte Cherki. «Ein falscher Gedanke der Versuchung oder Krieg mit meiner Neigung, die gebändigt werden muss und nicht die Neigung der Seele, ist genau wie das Geheimnis zwischen Mann und Frau. Es hat mich anfänglich traurig gemacht. Ich habe jahrelang versucht, es zu ignorieren, zu verdrängen oder mich behandeln zu lassen.»
Er bereue keinen Versuch und keine Mühe, die er in diese Richtung unternommen habe, schreibt Cherki. «Vielleicht wäre ich ohne diese Versuche nicht zu diesem Ergebnis gekommen. Schade nur um die vergangene Zeit, die ich verschwendet habe. Und jetzt muss ich mich um meine Familie kümmern.»
Auf Facebook hat sein Post – den er mit einem Kindheitsfoto bebildert hat – inzwischen über 91‘000 Likes, er wurde über 2‘000 Mal geteilt, ausserdem gibt es bereits über 16‘000 Kommentare (Stand: 20.2.2023).
Die israelische Zeitung Haaretz berichtete darüber, besonders darüber, dass Cherki nach seinem Coming-out Unterstützung vom gesamten politischen Spektrum des Landes bekommen habe. Der ehemalige Premierminister Naftali Bennett habe demnach auf Twitter gratuliert mit den Worten: «Ich liebe dich, geschätzter Bruder. Und ich bin sehr stolz auch dich.»
Herz-Emoji führt zu Kritik wegen Unterstüzung von «Unmoral» Oppositionsleiter Jair Lapid schrieb, er sende Cherki eine «Umarmung für deinen Mut». Kultur- und Sportminister Miki Zohar schrieb, er sei sicher, dass «der Allmächtige – gepriesen sei sein Name – dich auch liebt».
Knesset-Sprecher Amir Ohana, der der erste offen schwule Politiker ist, der in dieses Amt gewählt wurde (MANNSCHAFT berichtete), reagierte mit einem roten Herzen auf Cherkis Coming-out-Post.
Die Organisation Havruta, für strenggläubige Mitglieder der LGBTIQ-Community, verkündete, sie sei «aufgeregt» Cherkis Post zu lesen, denn das Leben von religiösen LGBTIQ-Personen sei «nicht einfach». Havruta fordert andere religiöse LGBTIQ in Israel auf, sich auch zu outen.
Sogar Yitzhak Wasserlauf von der rechten Otzma-Yehudit-Partei regierte mit einem Herz-Emoji, woraufhin er umgehend von Parteimitgliedern kritisiert wurde, er würde «Unmoral» unterstützen. Andere erinnerten ihn daran, dass er Teil jener politischen Koalition in der aktuellen Regierung sei, die mit der konservativen Anti-LGBTIQ-Partei Noam zusammenarbeite, die sich explizit gegen jede Form von Gleichberechtigung von LGBTIQ ausspricht (MANNSCHAFT berichtete).
Das Nachrichtenportal Pink News weist darauf hin, dass laut einer Umfrage von 2019, durchgeführt von Pew Research Center, 45 Prozent der Bevölkerung in Israel der Meinung sei, dass man Homosexualität nicht akzeptieren sollte, während 47 fanden, dass man das sehr wohl tun sollte.
Im Februar 2022 hatte die letzte israelische Regierung sogenannte Konversionstherapieren gesetzlich verboten (MANNSCHAFT berichtete).
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