«Wünschen» – Chukwuebuka Ibeh über queeres Leben in Nigeria

Der schwule Autor gilt als Literaturstar

Chukwuebuka Ibeh signiert seinen Roman (Foto: privat)
Chukwuebuka Ibeh signiert seinen Roman (Foto: privat)

Der 24-jährige Chukwuebuka Ibeh schreibt im Roman «Wünschen» eindrucksvoll, wie schwierig das Leben für queere Menschen in Nigeria ist.

Im deutschsprachigen Raum gibt es nur wenig Bücher von queeren Autor*innen aus Afrika. Daher ist es zu begrüssen, dass nun das Buch von Chukwuebuka Ibeh in deutscher Übersetzung vorliegt. Ibeh ist erst 24 Jahre alt und gehört zu den internationalen Shootingstars der nigerianischen Literatur. Er wurde in der nigerianischen Millionenstadt Port Harcourt geboren und hat bislang für internationale Literaturmagazine geschrieben. Sein erster Roman «Wünschen» ist ein Bestseller. Schon vor dem Erscheinen wurden die Filmrechte verkauft.

In dem Buch beschreibt Ibeh eindrucksvoll, wie schwierig das Leben für queere Menschen in der zutiefst queerfeindlichen Gesellschaft Nigerias ist. In dem Roman heisst der Protagonist Obiefuna – ein Junge, der sich zu Männern hingezogen fühlt. Die Eltern merken rasch, dass der Sohn «irgendwie ungewöhnlich war», heisst es in dem Buch. Vor allem der Vater toleriert das Verhalten von Obiefuna nicht. «Bist du eine Frau im Körper eines Mannes», schreit er seinen Sohn an und öffnet die Gürtelschnalle, um ihn hart zu bestrafen. Auch die Mutter fragte sich, ob sie bei der Erziehung einen Fehler begangen habe. Trotzdem liebte sie ihren Sohn bedingungslos, auch wenn sie sich gegenüber dem Vater nicht durchsetzen konnte.

Als Obiefuna mit einem anderen Jungen erwischt wurde, rastete der Vater aus. Um den Sohn abzuhärten, schickte er ihn in ein autoritäres christliches Internat. Dort erlebte Obiefuna schreckliche Zeiten. Kleinste Vergehen wurden körperlich bestraft. Die älteren Mitschüler*innen lebten ihr sadistisches Verhalten an den jüngeren aus. Obwohl Homosexualität als Abscheulichkeit und Verbrechen galt, wurde diese im Geheimen mit unglaublich viel Gewalt ausgelebt. Obiefuna wurde von Senior Kachi sexuell missbraucht und vergewaltigt. «Kurz vor Mitternacht spürte er, dass jemand in seinem Zimmer war. Als er sich umdrehte, sah er Senior Kachi. Wieder stand er wortlos auf, ging ihm hinterher bis in die dunkle Ecke an der Treffe und kniete sich gefügig nieder. Die Szene wiederholte sich Abend für Abend», heisst es in dem Buch.

Einmal wurden zwei Mitschüler bei «widernatürlichen sexuellen Handlungen» erwischt. Einer von ihnen hiess Sparrow. Ihm wurden öffentlich zwanzig Stockhiebe verpasst. Man drohte, «ihn in einer bekannten Zeitung blosszustellen», schreibt der Autor. Sparrow sei wegen Homosexualität «zum Inbegriff, zum abschreckenden Beispiel alles Unmoralischen und Verbotenen geworden. Er bewahrte Haltung in einer Erniedrigung, gab das Vergehen zu und akzeptierte das Verdikt, dass er von tausend Dämonen besessen sei», heisst es in dem Buch.

Nigeria gehört zu jenen Ländern, in denen gleichgeschlechtlich Handlungen besonders stark bestraft werden. Homosexuellen droht eine Gefängnisstrafe von 10 bis 14 Jahren (MANNSCHAFT berichtete). «Das Gesetz wurde von der internationalen Gemeinschaft weitestgehend verurteilt. In der nigerianischen Bevölkerung hingegen fand das Gesetz breite Unterstützung, was in einem Land mit ultrakonservativen Werten wenig überrascht», schreibt der Autor.

Noch schlimmer ist die Situation in den nördlichen Bundesstaaten des Landes. Denn dort gilt mit der Scharia das islamische Recht. Eine Verurteilung durch ein Scharia-Gericht kann «Strafen wie öffentliche Auspeitschungen bis hin zum Tod durch Steinigung bedeuten», betont der Autor. Nigeria ist mit 230 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Afrikas. Die queerfeindliche Haltung hat Auswirkungen auf andere Länder. Mittlerweile hat sich die Situation von queeren Menschen in Afrika verschlimmert. Auf dem Kontinent gibt es 54 Länder. Davon werden in 31 Staaten gleichgeschlechtliche Handlungen kriminalisiert. Der Autor Ibeh hat seinen Roman erst veröffentlicht, nachdem er in die USA gezogen ist. Er sagt, dass es sich bei dem Buch um keinen autobiografischen Roman handelt. Allerdings habe er manches ähnlich wie der Protagonist erlebt.

Mehr lesen > Neuzeitliche Hexen­verfol­gung oder: Was darf der ESC? Über das Ansinnen, den Eurovision Song Contest zu verhindern (MANNSCHAFT-Kommentar)

Das könnte dich auch interessieren