Wohin mit unserem Rosa Geld? Regenbögen reichen nicht
Wer mit uns wirbt, sollte auch aktiv ein LGBTIQ-freundliche*r Arbeitgeber*in sein
Schon schön, wenn für lesbische oder schwule Sichtbarkeit gesorgt wird – auch wenn es auf dem Plakat eines grossen anonymen Konzerns geschieht. Andererseits heisst das nicht, dass man sofort kaufen, buchen etc. sollte. Denn unser Rosa Geld soll nicht einfach dort landen, wo’s den Regenbogen gibt. Sondern dort, wo Queers sämtliche Rechte zugestanden werden, meint Anna Rosenwasser im Samstagskommentar*.
Yay, immer mehr Unternehmen sind queerfreundlich!, jubeln die einen. Geldmacherei!, schimpfen die anderen. Was, wenn beides stimmt?
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In Zürich, wo ich lebe, hing letztes Jahr ein gigantisches Textil-Transparent an einer Hauswand. Zu sehen waren zwei Frauen. Die eine lehnte sich auf eine recht klar romantische Art an die andere an, sie sahen glücklich aus. «Mut heisst, leben wie man will», stand da. Darunter das Logo einer Versicherung. Ich stand da, vor diesem Riesen-Plakat, und fand einerseits: Hell no, jetzt gratuliert Ihr uns queeren Frauen also zu unserem Mut, damit wir bei euch eine Versicherung abschliessen?! Und überhaupt: Kann man mutig sein mit etwas, für das man sich nie entschieden hat? Wenn ich mutig bin, weil ich auf Frauen stehe, bin ich dann auch mutig, weil ich blaue Augen hab?
Andererseits fand ich aber auch: So schön. In meiner eigenen Stadt hängt ein riesiges glückliches Frauenpaar direkt vor den Augen Tausender Menschen. Endlich. Ich fotografierte das Bild und stellte es auf Insta (das Logo der Versicherung verpixelte ich), und die Lesben-Community flippte aus vor Freude. Derart präsente Lesben, mitten im Mainstream: Das ist mehr Sichtbarkeit, als unsere Vorkämpferinnen sich hätten erträumen können. Aber: Haben sie wirklich davon geträumt, Werbung für eine Versicherung zu machen?
Es ist ein anstrengendes Dilemma. Plötzlich gibt es Produkte, die an uns Queers appellieren, und wir müssen uns entscheiden, ob wir das cool oder uncool finden. Auf mich wirkt das Ganze einfach nicht ganz koscher. Wenn eine Stadt mit ihrer Queerfreundlichkeit wirbt: Ist sie dann wirklich queerfreundlich, oder hat sie unsere Community einfach als rentable Zielgruppe für ihren Tourismus eingeteilt? Wenn eine Bank ihre Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse mit Regenbogenfahnen schmückt im Juni – setzt sie sich an den anderen elf Monaten im Jahr denn auch wirklich gegen Diskriminierung ein? Werden wir unterstützt oder einfach dazu motiviert, unser Rosa Geld auszugeben?
Der schwule Aktivist Dylan Marron hat es mal so ausgedrückt: «Zu sehen, wie Unternehmen sich mit Regenbogen schmücken, ist cool. Aber es hat den selben bittersüssen Beigeschmack, wie wenn die beliebten Leute aus deiner High-School-Zeit heute nett sind zu dir am Klassentreffen. Sie haben einfach kalkuliert, dass es kein Risiko mehr ist, nett zu dir zu sein.»
Und ich glaube, das ist es. Dieses Kalkulieren des Zeitpunkts. Die Strategie der Unterstützung. Unsere Community hat nicht für Gleichberechtigung gekämpft, indem sie abgewartet hat. Sie war laut und kritisch und unbequem, als es eben noch unbequem war. Und sie ist es heute noch. Viele Unternehmen springen erst jetzt auf den Pride-Wagen auf, weil gewisse Formen von Queersein akzeptabler geworden sind. Herzig lächelnde feminine cis Frauen, das macht sich recht gut auf einem Plakat. Vor zwanzig Jahren ging das noch nicht; darum gab’s damals diese Werbung auch noch nicht, während echte Frauenpaare verzweifelt auf die Strasse gingen.
Und was machen wir jetzt damit? Dürfen wir jetzt keine Regenbogenshirts mehr kaufen? Keine Werbegeschenke mehr annehmen, sobald es wieder Prides gibt?
Ein Frauenpaar auf einer Plakatwand ist ein Frauenpaar mehr, das wir zu Gesicht kriegen
Glaubt mir, ich bin ein kommerzkritischer Mensch. Aber ich bin auch einfach queer. Einen Regenbogen zu sehen, erfüllt mein bisexuelles Herz. Letztens hab ich mir die Pride-Edition einer Boxershorts-Kollektion gekauft; ich glaube nicht, dass die entsprechende Kleidermarke ausserhalb des Pride-Sommers queere Lobbygespräche mit Politiker*innen führt. Aber: Kommerz ist eben Teil von Sichtbarkeit. Ein Frauenpaar auf einer Plakatwand ist ein Frauenpaar mehr, das wir zu Gesicht kriegen. Das darf uns freuen. Es darf uns freuen, während wir gleichzeitig mehr fordern von Firmen: Dass sie aktiv zu LGBTIQ-freundlichen Arbeitgeber*innen werden. Dass sie nicht mehr Geld in Länder investieren, die Queers umbringen (wow, the bar is fucking low). Dass ein riesiger Anteil des Gewinns von Regenbogenprodukten an queere Organisationen geht.
Nicht nur gelb, sondern bunt wie ein Regenbogen – die Post
Ich wünschte mir, Unternehmen wären wie derjenige Mensch am Klassentreffen, der zu dir kommt und sagt: Fuck, ich bin viel zu spät dran damit, dich zu respektieren. Aber ich bin hier, und ich stehe hinter dir.
Nur blöd, dass Unternehmen keine Menschen sind. Dass sie vorwiegend wachsen und verdienen wollen. Darum sollten wir hohe Ansprüche an sie haben: Weil unser Rosa Geld nicht einfach dort landen soll, wo’s Regenbogen gibt. Sondern dort, wo Queers sämtliche Rechte zugestanden werden.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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