Warum war der Mord an Christopher W. keine rechte Gewalt?
Bei dem Hassverbrechen vor zwei Jahren wurde der schwule 27-Jährige brutal misshandelt und getötet
Am 17. April vor zwei Jahren starb Christopher W. auf einem ehemaligen Bahngelände in Aue (Sachsen): Bei dem schwulenfeindlichen Hassverbrechen wurde der 27-Jährige von drei Männern brutal misshandelt und getötet. War es rechte Gewalt? Das wurde damals unterschiedlich bewertet.
Terence H., der 27-jährige Haupttäter, sowie Stephan H. (22) und Jens H. (22) brachten im April 2018 auf einem ehemaligen Bahngelände in Aue im sächsischen Erzgebirgskreis einen schwulen Mann um: Christopher wurde zuvor brutal misshandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Anführer Mord vorgeworfen und lebenslange Haft gefordert. Doch verurteilt wurde das Trio im vergangenen Juni wegen Totschlags (MANNSCHAFT berichtete).
LGBTIQ-Ansprechstelle in Sachsen «noch ganz am Anfang»
Im Prozess sah man von Seiten der Staatsanwaltschaft kein rechtes Motiv, doch die Opferberatung Support des RAA Sachsen stufte die Tat sehr wohl als rechte Gewalt ein. «Sowohl vor Gericht als auch in der Presse entstand […] der Eindruck, dass ein rechtes, vorurteilsbasiertes Tatmotiv verneint wird, mit der Begründung, dass die Angeklagten keine «Rechtsextremisten» oder «Neonazis» seien», hiess es in einer Stellungnahme des RAA Sachsen und der LAG Queeres Netzwerk Sachsen.
«Unabhängig davon, dass Hakenkreuztätowierungen, Äusserungen oder Musikauswahl (Blitzkrieg und Sleipnir) sehr wohl bei den Angeklagten dafürsprechen, ist weder ein geschlossenes neonazistisches Weltbild noch eine entsprechende Organisierung nötig, um aufgrund von Vorurteilen und Ungleichwertigkeitsvorstellungen ein rechtsmotiviertes Verbrechen zu begehen.»
Vier Polizisten nach Mord an LGBTIQ-Aktivist angeklagt
Wir wollten von der RAA wissen, was die Unstimmigkeiten in der Bewertung des Motivs für den Kampf gegen Hassgewalt im Freistaat Sachsen bedeutet. «Ich befürchte leider, dass sich für Betroffene von homophober Gewalt kurzfristig nicht sehr viel verändert hat», liess uns Geschäftsführer Robert Kusche wissen. Die RAA-Perspektive und die anderer Organisationen habe bisher noch keine oder zu wenig politische Änderung herbeigeführt.
«Die neue Landesregierung hat in Bezug auf Rechtsextremismus einiges vor und wir werden uns an der Debatte beteiligen. Was später umgesetzt wird muss man abwarten. Für Menschen jedoch die jetzt direkt von homophober Gewalt Betroffen sind befürchte ich, dass es strukturell gesehen wenig Besserung gab. Wir und andere Organisationen sind natürlich vor Ort und unterstützen. Dennoch ist es sicherlich nach wie vor schwierig und die Dunkelziffer von Betroffenen wird hoch sein.»
Man stehe natürlich weiterhin an der Seite der Betroffenen und unterstützen diese. Das bedeutet u.a. auch öffentlich auf die Motive hinzuweisen. «Hinzu kommt, dass wir die Problematiken – der unzureichenden Einordnung der Motive – gewöhnt und uns daher auch als Korrektiv bzw. Debattenbeitrag sehen, daher schreiben wir ja auch unsere Einschätzungen zu Fällen.»
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