«Warum ich für die Eheöffnung gestimmt habe»
2017 hat der Deutsche Bundestag die Öffnung der Ehe beschlossen. Nur jede vierte Abgeordnete von CDU/CSU stimmte dafür – u.a. Peter Tauber.
Die MANNSCHAFT veröffentlicht in loser Folge Debattenbeiträge zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Die Kommentare spiegeln ausschliesslich die Meinung der jeweiligen Autor*innen wieder, nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion. Dieser Gastbeitrag zum Jahrestag der Eheöffnung am 30. Juni stammt von Peter Tauber, Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung; von Dezember 2013 bis Februar 2018 war er Generalsekretär der CDU Deutschlands.
Vor einem Jahr hat der Deutsche Bundestag die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften beschlossen. Ein Tag, auf den viele schwule und lesbische Paare, aber auch ihre Angehörigen und Freunde, lange gewartet haben. Ich gehörte damals zu den 75 Unionsabgeordneten, die bei dieser Gewissensentscheidung mit «Ja» gestimmt haben. Dass der Generalsekretär der grössten Regierungspartei gegen die offizielle Beschlusslage seiner Partei abstimmt, wurde medial durchaus thematisiert. Wer meine politische Arbeit bis dahin verfolgt hatte, der wusste jedoch, dass ich in dieser Frage schon immer eine andere Haltung als die Mehrheit meiner Fraktion und auch die Parteivorsitzende vertreten habe. Und ich hatte über die Jahre auch immer wieder Rückmeldungen bekommen, dass viele unserer Mitglieder und Wähler mit der offiziellen Beschlusslage der Partei nicht glücklich waren.
Niemand hat sich seine Entscheidung leicht gemacht
Ich habe grossen Respekt für andere Meinungen. Darum fand ich es teilweise unerträglich, mit welchen Vorwürfen diejenigen bedacht wurden, die bei ihrer Gewissensentscheidung zu einem anderen Ergebnis als ich gekommen sind. Auch sie haben Argumente vorgebracht, die man nicht teilen muss, die aber Gehör verdienen. Dies gilt ganz besonders für Menschen katholischen Glaubens, für die die Ehe zwischen Mann und Frau ein heiliges Sakrament ist, aber allgemein für jeden, der eine Öffnung der Zivilehe mit seinem christlichen Eheverständnis nicht überein bringen konnte. Denn am Ende ist eine Gewissensentscheidung immer mit den Werte- und Moralvorstellungen eines jeden Einzelnen verbunden. Und das kann eben auch eine Generationenfrage sein. Niemand hat sich seine Entscheidung leicht gemacht. Ich bin jedenfalls sehr stolz darauf, dass es in der Volkspartei CDU möglich war und ist, sich in so einer grundsätzlichen Frage trotz unterschiedlicher Meinung mit Respekt zu begegnen. Diesen Respekt hätte ich mir in sozialen Netzwerken und von den politischen Mitbewerbern in der damaligen Diskussion ebenfalls gewünscht.
Staat muss verbindlichen Rechtsrahmen definieren Was war für mich der entscheidende Punkt? Die obligatorische staatliche Zivilehe – und nur um die ging es – wurde 1874 im Rahmen des Kulturkampfes unter Otto von Bismarck eingeführt. Sie war und ist die Grundlage für das verbindliche Zusammenleben von Mann und Frau aus Sicht des Staates. Und es ist gut, dass der Staat hier einen verbindlichen Rechtsrahmen definiert. Doch es geht ja um mehr als nur das Verhältnis von Bürger und Staat. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der nicht jeder sofort nach dem Staat ruft, sondern in der Menschen – auch in schwierigen Zeiten – füreinander Verantwortung übernehmen, und zwar verbindlich. Und für mich war es deswegen nur folgerichtig, wenn dies auch gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht wird.
Der Artikel 1 unseres Grundgesetzes stellt die Würde des Menschen an die erste Stelle. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Glaubens oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wird. Wahr ist: Gerade Homosexuelle haben trotz dieses Gebots immer wieder gesellschaftliche Ablehnung und auch eine Benachteiligung durch die Politik erleiden müssen. Es ist wichtig, dass die Politik durch die Entscheidung vor einem Jahr das Signal ausgesendet hat, dass wir Diskriminierung und Homophobie, die in unserer Gesellschaft existiert, nicht hinnehmen.
Wunsch nach dauerhafter Beziehung hat zugenommen Für mich war der Wunsch nach der Öffnung der Ehe auch Ausdruck eines gewonnenen Kulturkampfes. Ich erinnere mich noch gut daran, dass gerade linke Parteien in meiner Jugend immer wieder gegen die Ehe zu Felde zugezogen sind. «Altmodisch» und «überholt“» sei die Ehe. Ein „Unterdrückungsinstrument“ gegenüber der Frau und eine staatliche Bevormundung, weil sie durch die Privilegierung, die sie Dank des Grundgesetzes geniesst, Menschen zur Heirat zwinge. Schon damals hat die politische Linke die Tatsache ignoriert, dass sich die meisten jungen Menschen eine auf Dauer angelegte Partnerschaft in Form der Ehe als ideale Beziehungsform wünschen.
Dass Krisen und Brüche im Leben oft dazu führen, dass Ehen scheitern, hat nichts damit zu tun, dass dieser Wunsch und diese Sehnsucht nach einer solchen dauerhaften Beziehung eher noch zugenommen haben. Und das galt eben zunehmend auch für Schwule und Lesben, die nicht nur eine rechtliche Gleichstellung wollten. Sie wollten ihre verbindliche Partnerschaft als «Ehe» bezeichnen können. Und ich freue mich noch immer, dass dies vor einem Jahr gelungen ist.
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