Wann kommt vollständiger Diskriminierungsschutz für LGBTIQ?
Nach dem Skandal um das «Anti-Homo-Haus» erfährt die Diskussion neuen Aufwind
Seit vielen Jahren fordern die politischen Vertreter*innen von den Parteien SPÖ, Grünen und NEOS das Levelling-Up: den vollständigen Diskriminierungsschutz für LGBTIQ. Der Skandal um das «Anti-Homo-Haus» (MANNSCHAFT berichtete) könnte die Chancen verbessert haben.
Mit dem Levelling up wäre Diskriminierung aus Gründen der Religion, des Alters, der sexuellen Orientierung verboten – auch abseits der Arbeitswelt, wo der gesetzliche Schutz bereits gilt.
Das Sora-Institut in Wien wies kürzlich darauf hin, dass österreichische LGBTIQ bereits in der Schule Diskriminierung erfahren, die sich später im Alltag fortsetze – ob beim Vorstellungsgespräch oder der Wohnungsbesichtigung. Auch Beleidigungen durch Vermieter*innen oder Makler*innen seien nicht selten.
Mindestens genauso lang wie der politische Kampf für das Levelling-up dauert, genauso existiert auch der Widerstand seitens der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – sie blockiert einen Mehrheitsbeschluss im Österreichischen Nationalrat. Doch dann wurde kürzlich ein Skandal über einen homophoben Privatzimmervermieter in der Wachau aufgedeckt (MANNSCHAFT berichtete). Dass homosexuelle Gäste in öffentlichen Übernachtungsquartieren unerwünscht seien, weil der Vermieter Angst vor einer Ansteckung von AIDS oder Syphilis hat, sorgte für einen Aufschrei, nicht nur in der Community. Schliesslich zeigte auch die Statistik der AIDS-Hilfe Wien auf: Die Mehrheit an HIV-Infizierten und an AIDS-Erkrankten sind heterosexuelle Männer.
Aber auch die ÖVP könnte sich noch bewegen. Schliesslich gebe es bei der ÖVP «unterschiedliche Lobby-Gruppen, wie beispielsweise auf der wirtschaftlichen Ebene oder im religiösen Bereich, die das Ganze noch blockieren“, sagte Ewa Ernst-Dziedzic, die LGBTIQ-Sprecherin der Grünen gegenüber dem ORF.
Allerdings wird bei Teilen der ÖVP inzwischen laut über einen besseren Diskriminierungsschutz nachgedacht. So sagt auch der einzige offen schwule Nationalratsabgeordneter, Nico Marchetti, im Interview mit dem Standard: «Ich wünsche mir, dass meine Partei ihre Position hinterfragt», denn die Diskriminierungsfreiheit sei ein wichtiges Anliegen, was im türkis-grünen Regierungsprogramm festgeschrieben ist. So setze sich Marchetti auch für den Ausbau des Diskriminierungsschutzes für die Homosexuelle ein.
Der 31-jährige Nationalratsabgeordnete ist davon überzeugt, endlich Mehrheiten im Hohen Haus zu bekommen, um einen ausgeweiteten und umfassenden Diskriminierungsschutz zu beschliessen. Er glaube auch nicht daran, dass die Vertreter*nnen aus dem Wirtschaftsbereich dagegen seien, weil es auch gegen den Volldiskriminierungsschutz am Arbeitsplatz keine Klagewellen gebe, sagt Marchetti.
Auch die Chefin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, ist für einen erweiterten Diskriminierungsschutz, für Ältere: «Eine Reform ist überfällig», sagte sie laut Presse.
In der ÖVP formiert sich aber längst Widerstand gegen eine Gesetzesänderung: um die Abgeordnete Gudrun Kugler, die sich in der Vergangenheit etwa deutlich gegen die Eheöffnung positioniert hatte. So hatte sie 2015 erklärt, die Ehe für alle werde «unweigerlich zu schrittweisen Erweiterungen» führen, etwa der «Ehe unter Geschwistern», wie im Standard nachzulesen ist.
Auch Mario Pulker, Obmann der Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich, erklärte, der jüngste Skandal rund um das sogenannte «Anti-Homo-Haus» in der Wachau sei für ihn eine unterirdische Diskriminierung, die der gesamten Tourismusbranche schade. So sei es einfach nicht in Ordnung, jemanden mit einer anderen sexuellen Orientierung den Zutritt zu Privatzimmern oder einem Lokal abzulehnen.
Allerdings ob sich tatsächlich ein Umdenken bei der ÖVP ergibt, bleibt abzuwarten. Generalsekretärin Laura Sachslehner äusserte sich gegenüber dem ORF kryptisch: Die sexuelle Orientierung eines Menschen sei Privatsache – und dürfe niemandem als Nachteil ausgelegt werden.
Offene Homophobie sieht SPÖ–LGBTIQ-Sprecher Mario Lindner in Auszügen aus neuen ÖVP-Chats: Darin werden interne Chats aus dem ÖVP-Innenministerium zitiert (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
Kurznews
++ Katholische Forderung nach LGBTIQ-Schutz ++ Festnahme nach Beleidigung ++
Kurz, knapp, queer – die LGBTIQ-Kurznews aus Deutschland. Unser Nachrichtenüberblick für die Woche ab dem 18. November 2024.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Gendern
Queerfeindlichkeit
Religion
News
News
Bekommt Polen einen queerfreundlichen Präsidenten?
Polen wählt im kommenden Jahr seinen neuen Präsidenten. Regierungschef Tusk schickt einen queerfreundlichen Politiker ins Rennen. Bei der letzten Wahl gab es für den 52-Jährigen ein vielversprechendes Ergebnis.
Von Newsdesk/©DPA
International
Österreich
Nach Eurogames: Wien fördert auch 2025 verstärkt LGBTIQ-Projekte
Die Eurogames in Wien hatten eine internationale Ausstrahlung. Vizebürgermeister Wiederkehr will auch deshalb künftig LGBTIQ-Projekte weiter fördern.
Von Newsdesk Staff
Kultur
Coming-out
«Schäme micht nicht»: Sänger Khalid outet sich
Der Grammy-Gewinner war zuvor von einem Kollegen als schwul beschimpft worden
Von Newsdesk Staff
Musik
News