Volksoper Wien will «starker Partner der LGBTIQ-Community» werden

Das Haus geht unter der neuen Intendantin Lotte de Beer Partnerschaft mit Vienna Pride ein

Viktor Gernot als Georges mit Cagelles in «La Cage aux Folles» (Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien)
Viktor Gernot als Georges mit Cagelles in «La Cage aux Folles» (Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien)

Die neue künstlerische Leitung der Volksoper Wien gab bekannt, dass sie «ein starker Partner der LGBTIQ-Community» sein will und künftig «einer vielseitigen Szene ein grosses Zuhause» geben wolle.

Das kündigte die designierte Intendantin Lotte de Beer in einer Pressemitteilung an. Sie startet im September mit ihrem neuen Team.

Zur «LGBTIQ-Partnerschaft» gehört, dass ab der Saison 2022/23 eine Kooperation mit Vienna Pride eingegangen wird. Auf der Homepage der Volksoper kann man lesen: «Gemeinsam gestalten wir ab jetzt spannende Projekte, die ein diverses Publikum in unser Haus laden.»

Die Volksoper Wien (Foto: Georg Soulek)
Die Volksoper Wien (Foto: Georg Soulek)

«Die Volksoper Wien ist ein für alle Menschen offenes Haus und so bunt, wie unser Repertoire ist, so vielfaltig ist auch unser Publikum», so de Beer. «Ich freue mich, einen Platz der Begegnung bieten zu dürfen und wir wollen mit entsprechenden Stücken und Veranstaltungen eine Brücke zwischen unserem Stammpublikum und der LGBTIQ-Community bauen.» (MANNSCHAFT berichtete über das neue Musical von Florian Klein und Thomas Zaufke über die schwule Pornoindustrie.)

Für Katharina Kacerovsky-Strobl, Organisatorin von Vienna Pride, geht es darum, «die Akzeptanz und Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen zu fördern». Sie sagt: «Die Zusammenarbeit mit der Volksoper Wien ermöglicht es uns, der LGBTIQ-Community ein noch breiteres kulturelles Programm anbieten zu können, andere Zielgruppen zu erreichen und damit Vorurteile gegenüber LGBTIQ-Menschen abzubauen.»

«Willlkommen, bienvenue, welcome!» Letzte Woche stellte der scheidende Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz am Haus sein neues Buch «Willlkommen, bienvenue, welcome!» vor, zur Geschichte des Musicals an der Volksoper Wien. Es ist eine Verherrlichung der eigenen Leistung – in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls scheidenden Intendanten (und «Publikumsliebling») Robert Meyer.

Das neue Buch «Willlkommen, bienvenue, welcome!» von Christoph Wagner-Trenkwitz (Foto: Amalthea Verlag)
Das neue Buch «Willlkommen, bienvenue, welcome!» von Christoph Wagner-Trenkwitz (Foto: Amalthea Verlag)

Bei der Buchvorstellung wurde u.a. auf die «La Cage aux Folles»-Produktionen am Haus verwiesen, die ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz in Wien seien. Und das schon 1991 – und nun wieder, mit der neuen Inszenierung von Melissa King, die im März in Premiere ging und derzeit auf dem Spielplan steht.

Die Direktorin des Theatermuseums Wien postete ein Foto von Drew Sarich als Zaza auf Facebook und schrieb darunter, so sehe Akzeptanz in Wien aus. Man sieht Sarich hierbei als eine Art Rocky-Horror-Show-Double. Doch was bei der «Rocky Horror Show» in den 1970er-Jahren eine echte Provokation (und Revolution) war, das könnte man hier als domestizierte Harmlosigkeit interpretieren. Die mit Akzeptanz nur bedingt etwas zu tun hat bzw. die Frage aufwirft, ob eine solche Domestizierung die Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz in Österreich sei? (MANNSCHAFT berichtete darüber, dass das neue Broadway-Musical «A Strange Loop» über einen «schwuler dicker schwarzen» Mann für elf Tony Awards nominiert ist.)

Drew Sarich als Zaza in «La Cage aux Folles» (Foto: Barbara Pálffy / Volksoper Wien)
Drew Sarich als Zaza in «La Cage aux Folles» (Foto: Barbara Pálffy / Volksoper Wien)

«Absturz in den Orkus der Peinlichkeiten» Karlheinz Hackl, der 1991 Zaza/Albin spielte, erzählt im Buch, man habe «La Cage» damals als «Family-Show» gespielt. Was Sigrid Löffler im profil als «Absturz in den Orkus der Peinlichkeiten» bezeichnete. (Sie wird im neuen Buch entsprechend zitiert.)

Barrie Kosky sagte dem Autor dieser Zeilen jüngst in einem Interview: «Die Aufführungstradition der Volksoper ist vehement anti-queer. Gott behüte, dass dort etwas auf der Bühne passieren würde wie unsere halbnackten Tänzer*innen in ‹Kiss Me, Kate› oder in den späteren Produktionen von Paul Ábrahám und Oscar Straus.»

Kosky erklärt eine queere Herangehensweise an Musical/Operette so: «Es geht um eine bestimmte Ironie, eine Haltung, eine Weise, wie man mit Genderidentität spielt, sie hinterfragt, sie aushebelt. Das macht eine Produktion queer. Heteros können sich Paletten und High Heels anziehen, aber dadurch wird etwas nicht automatisch ‹queer›.» Diese Äusserungen Koskys stammen aus dem Vorwort zum neuen Buch «Breaking Free», das im September beim Querverlag erscheinen wird.

Das neue Buch «Breaking Free» zur LGBTQ-Geschichte des Musicals (Foto: Querverlag)
Das neue Buch «Breaking Free» zur LGBTQ-Geschichte des Musicals (Foto: Querverlag)

Kritische Fragen zulassen Bei der Buchpräsentation von Wagner-Trenkwitz an der Volksoper, mit kombinierter Musicalgala, war bezeichnenderweise nichts aus «La Cage aux Folles» zu hören, und es gab keinerlei Verweise auf die LGBTIQ-Aspekte des Genres Musical von Seiten des prominenten Moderators.

Damit hängt er die Messlatte für Lotte de Beer und ihr künftiges Team tief. Und es dürfte nicht schwer sein, in Zukunft deutlichere Signale in die Wiener LGBTIQ-Community zu schicken, um sie ins Haus zu holen und dort willkommen zu heissen. Vielleicht wird dann künftig auch die Kunstform Musical/Operette kritischer hinterfragt, statt immer nur vage zu behaupten, man müsse Unterhaltung halt «ernst» nehmen. (MANNSCHAFT berichtete über den ersten Paul Ábrahám Preis, der 2022 an Thomas Zaufke und seine deutschsprachigen LGBTIQ-Musicals vergeben wurde.)

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