«Trump bringt das Schlimmste in den Menschen hervor»

Der Auslandsamerikaner Trinidad Casas verfolgt die US-Wahlen von der Schweiz aus

Der Amerikaner Trinidad Casas wohnt seit 2015 in der Schweiz. (Bild: zvg)
Der Amerikaner Trinidad Casas wohnt seit 2015 in der Schweiz. (Bild: zvg)

In den USA stehen die Präsidentschaftswahlen an. Der Auslandsamerikaner Trinidad Casas fiebert von Zürich aus mit und hofft, dass sich der Demokrat Joe Biden durchsetzen wird.

Wenn Trinidad Casas in Europa erklärt, wo genau aus den USA er kommt, muss er oft mit Spott und Häme rechnen: «Republikaner-Hotspot», «Bush-Territorium», «dumme Amerikaner». Der Bundesstaat Texas ist 16-mal (!) so gross wie die Schweiz und fast doppelt so gross wie Deutschland.

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«Man will mir jeweils klarmachen, wie rückständig, rassistisch und fremdenfeindlich Texas ist», sagt der Auslandsamerikaner. «Texas hat aber auch viele schöne Seiten. Viele gute Menschen wohnen dort.» Und obwohl Texas seit den Siebzigern ausnahmslos für republikanische Präsidentschaftsanwärter gestimmt hat, gibt es im Bundesstaat mehrere demokratische Hochburgen, namentlich die Grossstädte Dallas, Austin, Houston und San Antonio.

Letztere ist Casas’ Heimatstadt. 2007 zog er nach New York City, wo er seinen heutigen Schweizer Ehemann kennenlernte. Vor fünf Jahren verlegte das Paar seinen Wohnsitz nach Zürich, wo Casas nun als Marketingspezialist für eine Grossbank arbeitet. Er kann sich gut an die letzten US-Wahlen erinnern, die er 2016 von hier aus live im Fernsehen verfolgte.

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«Meine Freund*innen und ich waren aufgeregt und überzeugt, dass Hillary Clinton gewinnen würde», erinnert sich der 37-Jährige. Doch die Euphorie verwandelte sich allmählich in Bestürzung, als ein Bundesstaat nach dem anderen seine Resultate bekanntgab. «Die demokratische Partei ist für ihre ‹blaue Wand› bekannt. Mit jedem Bundesstaat, der rot wurde, fiel sie mehr in sich zusammen. Ich hoffte das Beste und erwartete das Schlimmste.»

Casas hatte keine Lust mehr, das Endergebnis der Wahl abzuwarten und ging um drei Uhr morgens ins Bett. Er erinnert sich genau daran, wie er am darauffolgenden Tag im Bett lag und den Fernseher hörte, den sein Partner in der Küche angeschaltet hatte. Donald Trump hielt eine Rede und zelebrierte seinen Sieg.  «Ein deprimierender Tag», sagt Casas. «Ich hatte Trump stets für einen Witz gehalten. Ich erinnere mich an seine dramatische Einlage, wie er die Rolltreppe im Trump Tower herunterkam. Nie hätte ich gedacht, dass er auch nur die offizielle Nomination der republikanischen Partei bekommt.»

Es ist diese Unterschätzung gekoppelt mit der Abneigung vieler US-Amerikaner*innen gegen die damalige demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die in Casas’ Augen massgeblich zum Wahlsieg Trumps beigetragen haben. «Clinton war keine beliebte Kandidatin», sagt er. «Trump ist zwar kein sonderlich guter Redner, aber er weiss, wie man die Massen mobilisiert. Seine Parolen ‹Make America Great Again› oder ‹Sperrt sie ein› kamen an».

Ich will mich nicht wieder in falschen Hoffnungen wiegen.

Im Gespräch mit Europäer*innen erinnert Casas immer daran, dass Clinton 2016 eine Mehrheit der Wählerstimmen geholt hat und das mit einem Vorsprung von fast drei Millionen. Aufgrund des amerikanischen Wahlsystems sind es jedoch die Wahlmänner, das sogenannte Electoral College, die für einen Wahlsieg ausschlaggebend sind. Können Kandidierende in einem Bundesstaat eine Mehrheit der Stimmen für sich entscheiden, so erhalten sie in den meisten Staaten alle Wahlmänner nach dem «Winner takes it all»-Prinzip. «Dieses System ist überholt», sagt Casas. Und fügt mit einem Lachen hinzu: «Das sagte sogar Donald Trump, bevor er dann davon profitieren konnte.»

Mit Prognosen für den kommenden Wahltag am 3. November gibt sich der Auslandsamerikaner vorsichtig. «Ich will mich nicht wieder in falschen Hoffnungen wiegen», sagt er. Ein guter Aspekt der andauernden Corona-Pandemie sei, dass viele Wähler*innen die jetzige Situation satthätten. «Es gibt keine nationale Strategie gegen das Virus, die einzelnen Staaten müssen selbst damit fertig werden. Ich denke, dass das bei vielen Wähler*innen für Biden spricht.»

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Casas hat als Auslandsamerikaner bereits brieflich abgestimmt. Präsident Trump hatte die Briefwahl wiederholt verurteilt und sie als Wegbereiter der «korruptesten Wahl in der Geschichte unserer Nation» bezeichnet. «Offensichtlich werden wegen Corona viel mehr Menschen brieflich abstimmen», sagt er. «Sollte Trump nicht wiedergewählt werden, wird die Briefwahl als Sündenbock herhalten müssen. Dann kann ich mir gut vorstellen, dass er eine Neuauszählung anordnern wird.»

Überhaupt zweifelt Casas an einen friedlichen Machtwechsel, sollte Biden die Wahl für sich entscheiden können. «Ich befürchte, dass er den Supreme Court ins Spiel bringen wird. Das stimmt mich nervös und traurig», sagt er. Letzte Woche machte der US-Justizausschuss den Weg frei für die von Trump ernannte Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett (MANNSCHAFT berichtete). Mit der katholischen 48-Jährigen hätten die konservativen Richter*innen eine klare Mehrheit von sechs der neun Sitze.

«Das Land ist tief gespalten. Trump hetzt die Menschen auf und gibt ihnen den Eindruck, dass es ihnen rechtlich zusteht, in der Öffentlichkeit rassistisch zu sein. Er bringt das Schlimmste in den Menschen hervor.»

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Den Abend des 3. November will Casas vor dem Fernseher verbringen, um die Wahlen gemeinsam mit Freund*innen und Familie via Zoom zu verfolgen. Den nächsten Tag hat er bewusst nicht freigenommen: «Sollten vier weitere Jahre Trump auf uns zukommen, lenke ich mich lieber mit Arbeit ab.»

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